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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Gebäudes gewährt. -- Wie im Aeußeren die Formen der edelsten italieni¬
schen Renaissance zur Anwendung gekommen, so ist auch für die maßvoll ein¬
fache Decoration des Innern dieser Stil mit eigenthümlichen Modifikationen
der neueren deutschen Architektur durchgeführt; einfache allegorische Umriß-
zeichnungen auf Goldgrund schmücken die Halbkuppelwände des langen Saa¬
les, und als besonders wohlthuend ist zu erwähnen, daß die gesammte reiche
Ornamentirung der Friese und Decken in matten Farben von rein maleri¬
scher Abstufung, ohne die falsche Nachahmung von Stuccatur mit künstlichen
Schatten ausgeführt ist. --

Wir müssen es uns versagen, hier auf die Gemälde selbst einzugehn,
welche den Inhalt der Gallerie bilden. Den überwiegend bedeutendsten Rang
nehmen die in reicher Auswahl vorhandenen Werke neuerer französischer Künst¬
ler aus der Schickler'schen Gallerie ein. Der Napoleon von Paul Delaroche
und die Landschaften von Alexander Calame sind Schätze, um welche das
leipziger Museum von jeder Sammlung zu beneiden ist. Mehrere nicht un¬
bedeutende Bilder altitalienischer Meister und im nebligen meist Werke der
neueren deutschen Kunst bilden die 231 Nummern starke Sammlung, Manches
davon, was gute Absicht dem Museum gewidmet, würde herzlich gern ent¬
behrt, um dem Raum zu gewähren, was zu einigermaßen vollständigerer
Vertretung der oben erwähnten Richtung, vorzüglich der neueren Kunst führen
könnte, indessen ist des Bedeutenden und Schönen genug, um immer aufs
Neue eine Quelle des Genusses in den vertraut gewordenen Bildern zu finden
und die zweckmäßige Weise, in welcher dieselben ohne Zwang und störendes
Aneinanderstoßen sich auf die Wände vertheilen, läßt für die Sammlung fast
immer mehr eine Verbesserung als eine bloße Vermehrung erwünscht sein.

Mit vollem Rechte aber muß als vom höchsten Werthe für das Museum
der Stiftung gedacht werden, welche wir in der Ueberschrift genannt haben,
eine Sammlung von Kunstblättern zur Geschichte der Malerei, welche Herr
Carl Lampe in den Räumen des zweiten Gestocks aufgestellt und der Stadt
zum Geschenk gemacht hat. Diese Sammlung ist so einzig in ihrer Art und
der Gedanke derselben ein so glücklicher, daß wir für eine eingehende Schil¬
derung derselben, wol auch von unsern auswärtigen Lesern auf Theilnahme
rechnen dürfen.

Die außerordentliche Wichtigkeit, welche in der geschichtlichen Anschauung
der bildenden Kunst begründet ist, hat wol in den Bestrebungen und Erfol¬
gen der neueren Kunstliteratur die sprechendsten Beweise erhalten, und dennoch
ist trotz der gebotenen Hülfsmittel es nur für den allerkleinsten Theil der
Kunstfreunde möglich, sich einigermaßen ein klares Bild der verschiedenen
Epochen vor Augen zu stellen. Die großen Gemäldegailerien müssen, da sie
niemals die monumentalen Schöpfungen der Malerei umsassen können, mehr


Grenzboten III. 1860. 35

Gebäudes gewährt. — Wie im Aeußeren die Formen der edelsten italieni¬
schen Renaissance zur Anwendung gekommen, so ist auch für die maßvoll ein¬
fache Decoration des Innern dieser Stil mit eigenthümlichen Modifikationen
der neueren deutschen Architektur durchgeführt; einfache allegorische Umriß-
zeichnungen auf Goldgrund schmücken die Halbkuppelwände des langen Saa¬
les, und als besonders wohlthuend ist zu erwähnen, daß die gesammte reiche
Ornamentirung der Friese und Decken in matten Farben von rein maleri¬
scher Abstufung, ohne die falsche Nachahmung von Stuccatur mit künstlichen
Schatten ausgeführt ist. —

Wir müssen es uns versagen, hier auf die Gemälde selbst einzugehn,
welche den Inhalt der Gallerie bilden. Den überwiegend bedeutendsten Rang
nehmen die in reicher Auswahl vorhandenen Werke neuerer französischer Künst¬
ler aus der Schickler'schen Gallerie ein. Der Napoleon von Paul Delaroche
und die Landschaften von Alexander Calame sind Schätze, um welche das
leipziger Museum von jeder Sammlung zu beneiden ist. Mehrere nicht un¬
bedeutende Bilder altitalienischer Meister und im nebligen meist Werke der
neueren deutschen Kunst bilden die 231 Nummern starke Sammlung, Manches
davon, was gute Absicht dem Museum gewidmet, würde herzlich gern ent¬
behrt, um dem Raum zu gewähren, was zu einigermaßen vollständigerer
Vertretung der oben erwähnten Richtung, vorzüglich der neueren Kunst führen
könnte, indessen ist des Bedeutenden und Schönen genug, um immer aufs
Neue eine Quelle des Genusses in den vertraut gewordenen Bildern zu finden
und die zweckmäßige Weise, in welcher dieselben ohne Zwang und störendes
Aneinanderstoßen sich auf die Wände vertheilen, läßt für die Sammlung fast
immer mehr eine Verbesserung als eine bloße Vermehrung erwünscht sein.

Mit vollem Rechte aber muß als vom höchsten Werthe für das Museum
der Stiftung gedacht werden, welche wir in der Ueberschrift genannt haben,
eine Sammlung von Kunstblättern zur Geschichte der Malerei, welche Herr
Carl Lampe in den Räumen des zweiten Gestocks aufgestellt und der Stadt
zum Geschenk gemacht hat. Diese Sammlung ist so einzig in ihrer Art und
der Gedanke derselben ein so glücklicher, daß wir für eine eingehende Schil¬
derung derselben, wol auch von unsern auswärtigen Lesern auf Theilnahme
rechnen dürfen.

Die außerordentliche Wichtigkeit, welche in der geschichtlichen Anschauung
der bildenden Kunst begründet ist, hat wol in den Bestrebungen und Erfol¬
gen der neueren Kunstliteratur die sprechendsten Beweise erhalten, und dennoch
ist trotz der gebotenen Hülfsmittel es nur für den allerkleinsten Theil der
Kunstfreunde möglich, sich einigermaßen ein klares Bild der verschiedenen
Epochen vor Augen zu stellen. Die großen Gemäldegailerien müssen, da sie
niemals die monumentalen Schöpfungen der Malerei umsassen können, mehr


Grenzboten III. 1860. 35
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[0285] Gebäudes gewährt. — Wie im Aeußeren die Formen der edelsten italieni¬ schen Renaissance zur Anwendung gekommen, so ist auch für die maßvoll ein¬ fache Decoration des Innern dieser Stil mit eigenthümlichen Modifikationen der neueren deutschen Architektur durchgeführt; einfache allegorische Umriß- zeichnungen auf Goldgrund schmücken die Halbkuppelwände des langen Saa¬ les, und als besonders wohlthuend ist zu erwähnen, daß die gesammte reiche Ornamentirung der Friese und Decken in matten Farben von rein maleri¬ scher Abstufung, ohne die falsche Nachahmung von Stuccatur mit künstlichen Schatten ausgeführt ist. — Wir müssen es uns versagen, hier auf die Gemälde selbst einzugehn, welche den Inhalt der Gallerie bilden. Den überwiegend bedeutendsten Rang nehmen die in reicher Auswahl vorhandenen Werke neuerer französischer Künst¬ ler aus der Schickler'schen Gallerie ein. Der Napoleon von Paul Delaroche und die Landschaften von Alexander Calame sind Schätze, um welche das leipziger Museum von jeder Sammlung zu beneiden ist. Mehrere nicht un¬ bedeutende Bilder altitalienischer Meister und im nebligen meist Werke der neueren deutschen Kunst bilden die 231 Nummern starke Sammlung, Manches davon, was gute Absicht dem Museum gewidmet, würde herzlich gern ent¬ behrt, um dem Raum zu gewähren, was zu einigermaßen vollständigerer Vertretung der oben erwähnten Richtung, vorzüglich der neueren Kunst führen könnte, indessen ist des Bedeutenden und Schönen genug, um immer aufs Neue eine Quelle des Genusses in den vertraut gewordenen Bildern zu finden und die zweckmäßige Weise, in welcher dieselben ohne Zwang und störendes Aneinanderstoßen sich auf die Wände vertheilen, läßt für die Sammlung fast immer mehr eine Verbesserung als eine bloße Vermehrung erwünscht sein. Mit vollem Rechte aber muß als vom höchsten Werthe für das Museum der Stiftung gedacht werden, welche wir in der Ueberschrift genannt haben, eine Sammlung von Kunstblättern zur Geschichte der Malerei, welche Herr Carl Lampe in den Räumen des zweiten Gestocks aufgestellt und der Stadt zum Geschenk gemacht hat. Diese Sammlung ist so einzig in ihrer Art und der Gedanke derselben ein so glücklicher, daß wir für eine eingehende Schil¬ derung derselben, wol auch von unsern auswärtigen Lesern auf Theilnahme rechnen dürfen. Die außerordentliche Wichtigkeit, welche in der geschichtlichen Anschauung der bildenden Kunst begründet ist, hat wol in den Bestrebungen und Erfol¬ gen der neueren Kunstliteratur die sprechendsten Beweise erhalten, und dennoch ist trotz der gebotenen Hülfsmittel es nur für den allerkleinsten Theil der Kunstfreunde möglich, sich einigermaßen ein klares Bild der verschiedenen Epochen vor Augen zu stellen. Die großen Gemäldegailerien müssen, da sie niemals die monumentalen Schöpfungen der Malerei umsassen können, mehr Grenzboten III. 1860. 35

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/285>, abgerufen am 30.06.2024.