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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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den erklärt und der Gesellschaft die durch Hebung des Personenverkehrs ge¬
steigerte Einnahme gern gegönnt haben würde; der Mansurvfsche Plan aber
ging weiter. Die mit den, Gelde des Bisthums von der Actiengesellschaft
gemachten Anlagen alle" Art sollten ihr als Eigenthum verbleiben und für
sie eine fernere Quelle des Gewinnstes werden. Auf ihren Dampfschiffen
sollten die Pilger von den Küstenplätzen des schwarzen Meeres nach dem ge¬
lobten Lande, auf ihren Wagen von Jaffa nach Jerusalem geführt werden;
in den Hospizien und Hospitälern der Gesellschaft sollten sie während
der Reise verpflegt und nach vollbrachter Wallfahrt ebenso bequem in ihre
Heimat zurückgebracht werden, wie sie hergekommen. Sogar die Sorge wegen
der Speise und des Tranks wollte ihnen die Gesellschaft auf den weiten Wegen
abnehmen, -- und für das Alles beanspruchte sie nur die sämmtlichen Al¬
mosen, welche sie den heil. Stätten zuwenden wollten. Der Zweck der
Pilgerfahrt, der für besagte Almosen an diesen Stätten zu erlangende Sünden¬
ablaß, sollte darum nicht verloren gehn; die Gesellschaft gedachte sich deshalb
mit dem Patriarchat durch eine möglichst seiner wirklichen Leistung entsprechende,
d. h. höchst dürftige Pauschalsumme abzufinden, und dann den Rest als ihren
Gewinn einzustecken. Einmal die Sache also eingeleitet, sollte durch ganz Ru߬
land in großartigster Weise für Vermehrung der Wallfahrten agitirt werden,
und man hoffte aus den Ueberschüssen der Opfergclder gar bald zu einer fetten
Dividende für die Interessenten zu gelangen.

Es hieß dies offenbar die innerlichsten religiösen Regungen der Nation
in den Acticnschwindel hineinzerren; -- daß Bischof Cyrill nie in einen solchen
Plan willigen würde, ließ sich voraussehn. Mansurof war auch von vorn
herein auf ein Mittel bedacht, den Widerspruch, dessen er sich seitens des
Kirchenfürsten versah, zum Schweigen zu bringen. Dieser Zweck schien
ihm dadurch am leichtesten zu erreichen, daß der nach Palästina auszusendende
Agent der Dampsschifffahrtsgesellschaft zugleich zum Konsul ernannt würde und
also mit dem Nimbus der Staatsgewalt bekleidet in Jerusalem aufträte. Ein
Beamter des Marineministeriums, Hr. v. Dorgobujinof, war bereits sür den
Agentenposten bestimmt, und zu Gunsten dieses nach keiner Richtung hin aus¬
gezeichneten Mannes wurde nunmehr von dem auswärtigen Amte das neu zu
begründende Consulat verlangt. Dort aber stieß man auf unerwartete Schwie¬
rigkeiten, und nur mit Mühe gelang es dnrch Geltendmachung mächtiger Ein
flusse. den Agenten zum provisorischen Verweser des Konsulats ernennen zu
lassen.

Im October 1858 traf Dorgobujinof in Jerusalem ein und wurde als
erster Vertreter Rußlands im gelobten Lande nicht nur von dem Bischof, son¬
dern auch von der griechischen Geistlichkeit mit großer Feierlichkeit empfangen.
Persönliche Sympathien erweckte sein Auftreten nicht; man fand ihn blasirt


den erklärt und der Gesellschaft die durch Hebung des Personenverkehrs ge¬
steigerte Einnahme gern gegönnt haben würde; der Mansurvfsche Plan aber
ging weiter. Die mit den, Gelde des Bisthums von der Actiengesellschaft
gemachten Anlagen alle» Art sollten ihr als Eigenthum verbleiben und für
sie eine fernere Quelle des Gewinnstes werden. Auf ihren Dampfschiffen
sollten die Pilger von den Küstenplätzen des schwarzen Meeres nach dem ge¬
lobten Lande, auf ihren Wagen von Jaffa nach Jerusalem geführt werden;
in den Hospizien und Hospitälern der Gesellschaft sollten sie während
der Reise verpflegt und nach vollbrachter Wallfahrt ebenso bequem in ihre
Heimat zurückgebracht werden, wie sie hergekommen. Sogar die Sorge wegen
der Speise und des Tranks wollte ihnen die Gesellschaft auf den weiten Wegen
abnehmen, — und für das Alles beanspruchte sie nur die sämmtlichen Al¬
mosen, welche sie den heil. Stätten zuwenden wollten. Der Zweck der
Pilgerfahrt, der für besagte Almosen an diesen Stätten zu erlangende Sünden¬
ablaß, sollte darum nicht verloren gehn; die Gesellschaft gedachte sich deshalb
mit dem Patriarchat durch eine möglichst seiner wirklichen Leistung entsprechende,
d. h. höchst dürftige Pauschalsumme abzufinden, und dann den Rest als ihren
Gewinn einzustecken. Einmal die Sache also eingeleitet, sollte durch ganz Ru߬
land in großartigster Weise für Vermehrung der Wallfahrten agitirt werden,
und man hoffte aus den Ueberschüssen der Opfergclder gar bald zu einer fetten
Dividende für die Interessenten zu gelangen.

Es hieß dies offenbar die innerlichsten religiösen Regungen der Nation
in den Acticnschwindel hineinzerren; — daß Bischof Cyrill nie in einen solchen
Plan willigen würde, ließ sich voraussehn. Mansurof war auch von vorn
herein auf ein Mittel bedacht, den Widerspruch, dessen er sich seitens des
Kirchenfürsten versah, zum Schweigen zu bringen. Dieser Zweck schien
ihm dadurch am leichtesten zu erreichen, daß der nach Palästina auszusendende
Agent der Dampsschifffahrtsgesellschaft zugleich zum Konsul ernannt würde und
also mit dem Nimbus der Staatsgewalt bekleidet in Jerusalem aufträte. Ein
Beamter des Marineministeriums, Hr. v. Dorgobujinof, war bereits sür den
Agentenposten bestimmt, und zu Gunsten dieses nach keiner Richtung hin aus¬
gezeichneten Mannes wurde nunmehr von dem auswärtigen Amte das neu zu
begründende Consulat verlangt. Dort aber stieß man auf unerwartete Schwie¬
rigkeiten, und nur mit Mühe gelang es dnrch Geltendmachung mächtiger Ein
flusse. den Agenten zum provisorischen Verweser des Konsulats ernennen zu
lassen.

Im October 1858 traf Dorgobujinof in Jerusalem ein und wurde als
erster Vertreter Rußlands im gelobten Lande nicht nur von dem Bischof, son¬
dern auch von der griechischen Geistlichkeit mit großer Feierlichkeit empfangen.
Persönliche Sympathien erweckte sein Auftreten nicht; man fand ihn blasirt


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[0268] den erklärt und der Gesellschaft die durch Hebung des Personenverkehrs ge¬ steigerte Einnahme gern gegönnt haben würde; der Mansurvfsche Plan aber ging weiter. Die mit den, Gelde des Bisthums von der Actiengesellschaft gemachten Anlagen alle» Art sollten ihr als Eigenthum verbleiben und für sie eine fernere Quelle des Gewinnstes werden. Auf ihren Dampfschiffen sollten die Pilger von den Küstenplätzen des schwarzen Meeres nach dem ge¬ lobten Lande, auf ihren Wagen von Jaffa nach Jerusalem geführt werden; in den Hospizien und Hospitälern der Gesellschaft sollten sie während der Reise verpflegt und nach vollbrachter Wallfahrt ebenso bequem in ihre Heimat zurückgebracht werden, wie sie hergekommen. Sogar die Sorge wegen der Speise und des Tranks wollte ihnen die Gesellschaft auf den weiten Wegen abnehmen, — und für das Alles beanspruchte sie nur die sämmtlichen Al¬ mosen, welche sie den heil. Stätten zuwenden wollten. Der Zweck der Pilgerfahrt, der für besagte Almosen an diesen Stätten zu erlangende Sünden¬ ablaß, sollte darum nicht verloren gehn; die Gesellschaft gedachte sich deshalb mit dem Patriarchat durch eine möglichst seiner wirklichen Leistung entsprechende, d. h. höchst dürftige Pauschalsumme abzufinden, und dann den Rest als ihren Gewinn einzustecken. Einmal die Sache also eingeleitet, sollte durch ganz Ru߬ land in großartigster Weise für Vermehrung der Wallfahrten agitirt werden, und man hoffte aus den Ueberschüssen der Opfergclder gar bald zu einer fetten Dividende für die Interessenten zu gelangen. Es hieß dies offenbar die innerlichsten religiösen Regungen der Nation in den Acticnschwindel hineinzerren; — daß Bischof Cyrill nie in einen solchen Plan willigen würde, ließ sich voraussehn. Mansurof war auch von vorn herein auf ein Mittel bedacht, den Widerspruch, dessen er sich seitens des Kirchenfürsten versah, zum Schweigen zu bringen. Dieser Zweck schien ihm dadurch am leichtesten zu erreichen, daß der nach Palästina auszusendende Agent der Dampsschifffahrtsgesellschaft zugleich zum Konsul ernannt würde und also mit dem Nimbus der Staatsgewalt bekleidet in Jerusalem aufträte. Ein Beamter des Marineministeriums, Hr. v. Dorgobujinof, war bereits sür den Agentenposten bestimmt, und zu Gunsten dieses nach keiner Richtung hin aus¬ gezeichneten Mannes wurde nunmehr von dem auswärtigen Amte das neu zu begründende Consulat verlangt. Dort aber stieß man auf unerwartete Schwie¬ rigkeiten, und nur mit Mühe gelang es dnrch Geltendmachung mächtiger Ein flusse. den Agenten zum provisorischen Verweser des Konsulats ernennen zu lassen. Im October 1858 traf Dorgobujinof in Jerusalem ein und wurde als erster Vertreter Rußlands im gelobten Lande nicht nur von dem Bischof, son¬ dern auch von der griechischen Geistlichkeit mit großer Feierlichkeit empfangen. Persönliche Sympathien erweckte sein Auftreten nicht; man fand ihn blasirt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/268>, abgerufen am 25.07.2024.