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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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und vornehmthuerisch, und der sich natürlich aufdrängende Vergleich zwischen
ihm und dem Bischöfe siel durchweg zu seinem Nachtheil aus. Die Kunde,
daß er das, was diesem nicht gelungen, auszuführen gekommen sei, hallte so¬
gleich durch die ganze Stadt, und bald hörte man auch, daß er durch gro߬
artiges Ueberbieten jeden andern Kauflustigen von dem Erwerbe der zur
Veräußerung kommenden Grundstücke in der heiligen Stadt ausschließen wolle.
Offenbar speculirte er auf die Habsucht der Grundbesitzer; die Sache hatte aber
vielmehr den Erfolg, daß sie die Gegner Rußlands in Jerusalem, die mit der
Localregierung verbündeten Griechen, zu doppelter Vorsicht mahnte. Wenige
Wochen nach seinem Schützling erschien auch Mausurof in Palästina, wol um
von den inzwischen in Jerusalem gewonnenen Lorbeern seinen Antheil zu er¬
heben. Aber da war nichts, was ihn hätte eifersüchtig machen können. Man
requirirte den bisher von dem Bischof beschäftigten Italiener Pierrotti. und
glänzende Lustbarkeiten, welche dieser seinen Auftraggebern darbot, bezeugten,
daß man nicht furchtsam in den Collectenschatz eingriff. Dennoch wurde der
bewußte Zweck in Nichts gefördert, keine Hand breit Erde ließ sich in der
heiligen Stadt erwerben.

Nachdem man endlich hierüber zur Gewißheit gelangt war, tauchte
ein Gedanke auf. welcher allein noch Aussichten auf Erfolg zu haben schien,
nämlich außerhalb Jerusalems Terrainankäusc zu bewerkstelligen und daselbst
eine russische Vorstadt anzulegen. Es könnte wunderbar scheinen, daß man
nicht früher auf dies Auskunfsmittei gerathen; -- aber Jerusalem ist eine
großherrliche Festung, deren Thore täglich bei Sonnenuntergang, Freitags so¬
gar am hellen Mittag während des Gebets der Mohammedaner, geschlossen
werden, und deren öde Umgebung bis in die jüngsten Zeiten häufig der Schau-
Platz gräßlicher Verbrechen gewesen ist. Es kostete also wol einen Entschluß,
die für das Innere der heiligen Stadt beabsichtigte Anlage in ihre ebenso
wenig für sicher als sür heilig geltende Außenseite zu verlegen.

Gleichwol lag hier die Möglichkeit vor. die weitgehendsten Plane aus¬
zuführen, und der griechische Klerus, wenn auch erfreut, in der Stadt einen
Sieg erfochten zu haben, sah rin Betrübniß, daß er außerhalb derselben gegen
so beharrliche, mit so bedeutenden Mitteln austretende Widersacher das Feld
nicht werde behaupten können. Die Gefährdung der gemeinsamen Interessen
hatte mittlerweile zwischen dem Patriarchat und dem Bischof Cyrill eine An¬
näherung hervorgebracht, und es wurde jenem nicht schwer, den letztern gegen
das neue Project einzunehmen. Was hätte ihm auch daran gefallen können?
Die Frucht all der Großsprecherei, all der Rücksichtlosigkeit, mit welcher Un¬
berechtigte über die für ihn und sein heiliges Amt geopferten Summen ver¬
fügten, war also, daß der Pilger von der Stadt seiner frommen Sehnsucht
ausgeschlossen, daß er auf eine Stelle gebannt werden sollte, von wo aus er


Grenzboten III. 1860. 33

und vornehmthuerisch, und der sich natürlich aufdrängende Vergleich zwischen
ihm und dem Bischöfe siel durchweg zu seinem Nachtheil aus. Die Kunde,
daß er das, was diesem nicht gelungen, auszuführen gekommen sei, hallte so¬
gleich durch die ganze Stadt, und bald hörte man auch, daß er durch gro߬
artiges Ueberbieten jeden andern Kauflustigen von dem Erwerbe der zur
Veräußerung kommenden Grundstücke in der heiligen Stadt ausschließen wolle.
Offenbar speculirte er auf die Habsucht der Grundbesitzer; die Sache hatte aber
vielmehr den Erfolg, daß sie die Gegner Rußlands in Jerusalem, die mit der
Localregierung verbündeten Griechen, zu doppelter Vorsicht mahnte. Wenige
Wochen nach seinem Schützling erschien auch Mausurof in Palästina, wol um
von den inzwischen in Jerusalem gewonnenen Lorbeern seinen Antheil zu er¬
heben. Aber da war nichts, was ihn hätte eifersüchtig machen können. Man
requirirte den bisher von dem Bischof beschäftigten Italiener Pierrotti. und
glänzende Lustbarkeiten, welche dieser seinen Auftraggebern darbot, bezeugten,
daß man nicht furchtsam in den Collectenschatz eingriff. Dennoch wurde der
bewußte Zweck in Nichts gefördert, keine Hand breit Erde ließ sich in der
heiligen Stadt erwerben.

Nachdem man endlich hierüber zur Gewißheit gelangt war, tauchte
ein Gedanke auf. welcher allein noch Aussichten auf Erfolg zu haben schien,
nämlich außerhalb Jerusalems Terrainankäusc zu bewerkstelligen und daselbst
eine russische Vorstadt anzulegen. Es könnte wunderbar scheinen, daß man
nicht früher auf dies Auskunfsmittei gerathen; — aber Jerusalem ist eine
großherrliche Festung, deren Thore täglich bei Sonnenuntergang, Freitags so¬
gar am hellen Mittag während des Gebets der Mohammedaner, geschlossen
werden, und deren öde Umgebung bis in die jüngsten Zeiten häufig der Schau-
Platz gräßlicher Verbrechen gewesen ist. Es kostete also wol einen Entschluß,
die für das Innere der heiligen Stadt beabsichtigte Anlage in ihre ebenso
wenig für sicher als sür heilig geltende Außenseite zu verlegen.

Gleichwol lag hier die Möglichkeit vor. die weitgehendsten Plane aus¬
zuführen, und der griechische Klerus, wenn auch erfreut, in der Stadt einen
Sieg erfochten zu haben, sah rin Betrübniß, daß er außerhalb derselben gegen
so beharrliche, mit so bedeutenden Mitteln austretende Widersacher das Feld
nicht werde behaupten können. Die Gefährdung der gemeinsamen Interessen
hatte mittlerweile zwischen dem Patriarchat und dem Bischof Cyrill eine An¬
näherung hervorgebracht, und es wurde jenem nicht schwer, den letztern gegen
das neue Project einzunehmen. Was hätte ihm auch daran gefallen können?
Die Frucht all der Großsprecherei, all der Rücksichtlosigkeit, mit welcher Un¬
berechtigte über die für ihn und sein heiliges Amt geopferten Summen ver¬
fügten, war also, daß der Pilger von der Stadt seiner frommen Sehnsucht
ausgeschlossen, daß er auf eine Stelle gebannt werden sollte, von wo aus er


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[0269] und vornehmthuerisch, und der sich natürlich aufdrängende Vergleich zwischen ihm und dem Bischöfe siel durchweg zu seinem Nachtheil aus. Die Kunde, daß er das, was diesem nicht gelungen, auszuführen gekommen sei, hallte so¬ gleich durch die ganze Stadt, und bald hörte man auch, daß er durch gro߬ artiges Ueberbieten jeden andern Kauflustigen von dem Erwerbe der zur Veräußerung kommenden Grundstücke in der heiligen Stadt ausschließen wolle. Offenbar speculirte er auf die Habsucht der Grundbesitzer; die Sache hatte aber vielmehr den Erfolg, daß sie die Gegner Rußlands in Jerusalem, die mit der Localregierung verbündeten Griechen, zu doppelter Vorsicht mahnte. Wenige Wochen nach seinem Schützling erschien auch Mausurof in Palästina, wol um von den inzwischen in Jerusalem gewonnenen Lorbeern seinen Antheil zu er¬ heben. Aber da war nichts, was ihn hätte eifersüchtig machen können. Man requirirte den bisher von dem Bischof beschäftigten Italiener Pierrotti. und glänzende Lustbarkeiten, welche dieser seinen Auftraggebern darbot, bezeugten, daß man nicht furchtsam in den Collectenschatz eingriff. Dennoch wurde der bewußte Zweck in Nichts gefördert, keine Hand breit Erde ließ sich in der heiligen Stadt erwerben. Nachdem man endlich hierüber zur Gewißheit gelangt war, tauchte ein Gedanke auf. welcher allein noch Aussichten auf Erfolg zu haben schien, nämlich außerhalb Jerusalems Terrainankäusc zu bewerkstelligen und daselbst eine russische Vorstadt anzulegen. Es könnte wunderbar scheinen, daß man nicht früher auf dies Auskunfsmittei gerathen; — aber Jerusalem ist eine großherrliche Festung, deren Thore täglich bei Sonnenuntergang, Freitags so¬ gar am hellen Mittag während des Gebets der Mohammedaner, geschlossen werden, und deren öde Umgebung bis in die jüngsten Zeiten häufig der Schau- Platz gräßlicher Verbrechen gewesen ist. Es kostete also wol einen Entschluß, die für das Innere der heiligen Stadt beabsichtigte Anlage in ihre ebenso wenig für sicher als sür heilig geltende Außenseite zu verlegen. Gleichwol lag hier die Möglichkeit vor. die weitgehendsten Plane aus¬ zuführen, und der griechische Klerus, wenn auch erfreut, in der Stadt einen Sieg erfochten zu haben, sah rin Betrübniß, daß er außerhalb derselben gegen so beharrliche, mit so bedeutenden Mitteln austretende Widersacher das Feld nicht werde behaupten können. Die Gefährdung der gemeinsamen Interessen hatte mittlerweile zwischen dem Patriarchat und dem Bischof Cyrill eine An¬ näherung hervorgebracht, und es wurde jenem nicht schwer, den letztern gegen das neue Project einzunehmen. Was hätte ihm auch daran gefallen können? Die Frucht all der Großsprecherei, all der Rücksichtlosigkeit, mit welcher Un¬ berechtigte über die für ihn und sein heiliges Amt geopferten Summen ver¬ fügten, war also, daß der Pilger von der Stadt seiner frommen Sehnsucht ausgeschlossen, daß er auf eine Stelle gebannt werden sollte, von wo aus er Grenzboten III. 1860. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/269>, abgerufen am 25.07.2024.