Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Civilgeneral der Manne Mansurof war die Seele des Ganzen, -- und
dennoch statt der gehofften Gewinne nur Verluste!

Es gab in Rußland eine goldne Zeit, wo man sich über derartige Selbst¬
täuschungen, auch wenn das Publikum nicht unbeträchtlich dabei zu kurz kam.
mit Gleichmuth hinwegsetzte. Damals war man noch nicht liberal. Man
wollte den Liberalismus und bedachte nicht, welche Brut von Respektlosigkeit,
von rücksichtsloser Kritik man damit in die Welt setzen werde. Dieser Erfolg
lchöner Worte bei übler Handlungsweise zeigte sich nunmehr. Die Actionäre
murrten und selbst die Tschinowniks anderer Ressorts erhoben ihre Stimme so
laut, das, es einem mächtigen Civilgeneral schon der Mühe werth deuchte, die
Abhilfe zum Gegenstande seines Nachdenkens zu machen.

Das Marineministerium absorbirte damals (und absorbirt noch jetzt) in
Rußland einen unverhältnißmäßig großen Antheil an der Staatsgewalt und
faßte die seltsamsten Befugnisse zusammen. Wir haben gesehn, daß der Gro߬
admiral sich an die Spitze der Sammlungen für die jerusalemer Stiftungen
gestellt hatte; der Ertrag dieser Sammlungen lag in seinem Ministerium auf¬
gespeichert. Dieser Umstand gibt uns die Verbindung zwischen dem Marine¬
civilgeneral und der heiligen Stadt. Der Bischof Cyrill hatte während der sieben
Monate seiner Amtsführung genug bewiesen, daß er sich auf zweckgemäße An¬
legung des Collectenkapitals nicht verstehe, und noch ungleich längere Zeit
hatte das Daiupfschifffahrtsunternehmen seine Unfähigkeit, einen Einnahme-
Überschuß zur Beschwichtigung der Actionäre hervorzubringen, dargethan. Wie
wärs nun. wenn sich das Kapital mit dem Unternehmen in eine verständige,
nach beiden Seiten förderliche Wechselwirkung bringen ließe?

Von diesem Gedanken ausgehend, kam Mansurof auf den Plan, das
Marineministerium, als Verwaltungsbehörde der Dampfschifffahrtsgesellschaft,
sollte die Ausführung der beabsichtigten religiösen Stiftungen für Palästina
selbst in die Hand nehmen und also den Bischof der Sorge wegen der Ver¬
werthung der dafür gewidmeten anderthalb Millionen Rubel Silber entheben.
Zu dem Ende sollte sich, mit den unbeschränktesten Vollmachten wegen der zu
machenden Ausgaben versehn, ein besonderer Agent der Gesellschaft nach Je¬
rusalem begeben, daselbst mit goldenem Schlüssel -- dem Golde weicht ja
Alles! -- die Pforte des Häuserankaufs eröffnen und dann sofort die Arbeiten
beginnen. Diese Arbeiten sollten sich nickt blos auf Jerusalem, sondern auch
auf Jaffa und Nantes beziehn, an welchen drei Orten man durch großartige
Bauten für ein bequemes Unterkommen der russischen Pilger zu sorgen gedachte,
auch zu einer fahrbaren Straße, welche die Küste mit der heiligen Stadt in
Verbindung setzen sollte, hoffte man die Concession der hohen Pforte zu er¬
langen.

Es ist kaum zu bezweifeln, daß bis hierher der Bischof sich wol verstan-


der Civilgeneral der Manne Mansurof war die Seele des Ganzen, — und
dennoch statt der gehofften Gewinne nur Verluste!

Es gab in Rußland eine goldne Zeit, wo man sich über derartige Selbst¬
täuschungen, auch wenn das Publikum nicht unbeträchtlich dabei zu kurz kam.
mit Gleichmuth hinwegsetzte. Damals war man noch nicht liberal. Man
wollte den Liberalismus und bedachte nicht, welche Brut von Respektlosigkeit,
von rücksichtsloser Kritik man damit in die Welt setzen werde. Dieser Erfolg
lchöner Worte bei übler Handlungsweise zeigte sich nunmehr. Die Actionäre
murrten und selbst die Tschinowniks anderer Ressorts erhoben ihre Stimme so
laut, das, es einem mächtigen Civilgeneral schon der Mühe werth deuchte, die
Abhilfe zum Gegenstande seines Nachdenkens zu machen.

Das Marineministerium absorbirte damals (und absorbirt noch jetzt) in
Rußland einen unverhältnißmäßig großen Antheil an der Staatsgewalt und
faßte die seltsamsten Befugnisse zusammen. Wir haben gesehn, daß der Gro߬
admiral sich an die Spitze der Sammlungen für die jerusalemer Stiftungen
gestellt hatte; der Ertrag dieser Sammlungen lag in seinem Ministerium auf¬
gespeichert. Dieser Umstand gibt uns die Verbindung zwischen dem Marine¬
civilgeneral und der heiligen Stadt. Der Bischof Cyrill hatte während der sieben
Monate seiner Amtsführung genug bewiesen, daß er sich auf zweckgemäße An¬
legung des Collectenkapitals nicht verstehe, und noch ungleich längere Zeit
hatte das Daiupfschifffahrtsunternehmen seine Unfähigkeit, einen Einnahme-
Überschuß zur Beschwichtigung der Actionäre hervorzubringen, dargethan. Wie
wärs nun. wenn sich das Kapital mit dem Unternehmen in eine verständige,
nach beiden Seiten förderliche Wechselwirkung bringen ließe?

Von diesem Gedanken ausgehend, kam Mansurof auf den Plan, das
Marineministerium, als Verwaltungsbehörde der Dampfschifffahrtsgesellschaft,
sollte die Ausführung der beabsichtigten religiösen Stiftungen für Palästina
selbst in die Hand nehmen und also den Bischof der Sorge wegen der Ver¬
werthung der dafür gewidmeten anderthalb Millionen Rubel Silber entheben.
Zu dem Ende sollte sich, mit den unbeschränktesten Vollmachten wegen der zu
machenden Ausgaben versehn, ein besonderer Agent der Gesellschaft nach Je¬
rusalem begeben, daselbst mit goldenem Schlüssel — dem Golde weicht ja
Alles! — die Pforte des Häuserankaufs eröffnen und dann sofort die Arbeiten
beginnen. Diese Arbeiten sollten sich nickt blos auf Jerusalem, sondern auch
auf Jaffa und Nantes beziehn, an welchen drei Orten man durch großartige
Bauten für ein bequemes Unterkommen der russischen Pilger zu sorgen gedachte,
auch zu einer fahrbaren Straße, welche die Küste mit der heiligen Stadt in
Verbindung setzen sollte, hoffte man die Concession der hohen Pforte zu er¬
langen.

Es ist kaum zu bezweifeln, daß bis hierher der Bischof sich wol verstan-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110073"/>
            <p xml:id="ID_761" prev="#ID_760"> der Civilgeneral der Manne Mansurof war die Seele des Ganzen, &#x2014; und<lb/>
dennoch statt der gehofften Gewinne nur Verluste!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_762"> Es gab in Rußland eine goldne Zeit, wo man sich über derartige Selbst¬<lb/>
täuschungen, auch wenn das Publikum nicht unbeträchtlich dabei zu kurz kam.<lb/>
mit Gleichmuth hinwegsetzte. Damals war man noch nicht liberal. Man<lb/>
wollte den Liberalismus und bedachte nicht, welche Brut von Respektlosigkeit,<lb/>
von rücksichtsloser Kritik man damit in die Welt setzen werde. Dieser Erfolg<lb/>
lchöner Worte bei übler Handlungsweise zeigte sich nunmehr. Die Actionäre<lb/>
murrten und selbst die Tschinowniks anderer Ressorts erhoben ihre Stimme so<lb/>
laut, das, es einem mächtigen Civilgeneral schon der Mühe werth deuchte, die<lb/>
Abhilfe zum Gegenstande seines Nachdenkens zu machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_763"> Das Marineministerium absorbirte damals (und absorbirt noch jetzt) in<lb/>
Rußland einen unverhältnißmäßig großen Antheil an der Staatsgewalt und<lb/>
faßte die seltsamsten Befugnisse zusammen. Wir haben gesehn, daß der Gro߬<lb/>
admiral sich an die Spitze der Sammlungen für die jerusalemer Stiftungen<lb/>
gestellt hatte; der Ertrag dieser Sammlungen lag in seinem Ministerium auf¬<lb/>
gespeichert. Dieser Umstand gibt uns die Verbindung zwischen dem Marine¬<lb/>
civilgeneral und der heiligen Stadt. Der Bischof Cyrill hatte während der sieben<lb/>
Monate seiner Amtsführung genug bewiesen, daß er sich auf zweckgemäße An¬<lb/>
legung des Collectenkapitals nicht verstehe, und noch ungleich längere Zeit<lb/>
hatte das Daiupfschifffahrtsunternehmen seine Unfähigkeit, einen Einnahme-<lb/>
Überschuß zur Beschwichtigung der Actionäre hervorzubringen, dargethan. Wie<lb/>
wärs nun. wenn sich das Kapital mit dem Unternehmen in eine verständige,<lb/>
nach beiden Seiten förderliche Wechselwirkung bringen ließe?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_764"> Von diesem Gedanken ausgehend, kam Mansurof auf den Plan, das<lb/>
Marineministerium, als Verwaltungsbehörde der Dampfschifffahrtsgesellschaft,<lb/>
sollte die Ausführung der beabsichtigten religiösen Stiftungen für Palästina<lb/>
selbst in die Hand nehmen und also den Bischof der Sorge wegen der Ver¬<lb/>
werthung der dafür gewidmeten anderthalb Millionen Rubel Silber entheben.<lb/>
Zu dem Ende sollte sich, mit den unbeschränktesten Vollmachten wegen der zu<lb/>
machenden Ausgaben versehn, ein besonderer Agent der Gesellschaft nach Je¬<lb/>
rusalem begeben, daselbst mit goldenem Schlüssel &#x2014; dem Golde weicht ja<lb/>
Alles! &#x2014; die Pforte des Häuserankaufs eröffnen und dann sofort die Arbeiten<lb/>
beginnen. Diese Arbeiten sollten sich nickt blos auf Jerusalem, sondern auch<lb/>
auf Jaffa und Nantes beziehn, an welchen drei Orten man durch großartige<lb/>
Bauten für ein bequemes Unterkommen der russischen Pilger zu sorgen gedachte,<lb/>
auch zu einer fahrbaren Straße, welche die Küste mit der heiligen Stadt in<lb/>
Verbindung setzen sollte, hoffte man die Concession der hohen Pforte zu er¬<lb/>
langen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_765" next="#ID_766"> Es ist kaum zu bezweifeln, daß bis hierher der Bischof sich wol verstan-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0267] der Civilgeneral der Manne Mansurof war die Seele des Ganzen, — und dennoch statt der gehofften Gewinne nur Verluste! Es gab in Rußland eine goldne Zeit, wo man sich über derartige Selbst¬ täuschungen, auch wenn das Publikum nicht unbeträchtlich dabei zu kurz kam. mit Gleichmuth hinwegsetzte. Damals war man noch nicht liberal. Man wollte den Liberalismus und bedachte nicht, welche Brut von Respektlosigkeit, von rücksichtsloser Kritik man damit in die Welt setzen werde. Dieser Erfolg lchöner Worte bei übler Handlungsweise zeigte sich nunmehr. Die Actionäre murrten und selbst die Tschinowniks anderer Ressorts erhoben ihre Stimme so laut, das, es einem mächtigen Civilgeneral schon der Mühe werth deuchte, die Abhilfe zum Gegenstande seines Nachdenkens zu machen. Das Marineministerium absorbirte damals (und absorbirt noch jetzt) in Rußland einen unverhältnißmäßig großen Antheil an der Staatsgewalt und faßte die seltsamsten Befugnisse zusammen. Wir haben gesehn, daß der Gro߬ admiral sich an die Spitze der Sammlungen für die jerusalemer Stiftungen gestellt hatte; der Ertrag dieser Sammlungen lag in seinem Ministerium auf¬ gespeichert. Dieser Umstand gibt uns die Verbindung zwischen dem Marine¬ civilgeneral und der heiligen Stadt. Der Bischof Cyrill hatte während der sieben Monate seiner Amtsführung genug bewiesen, daß er sich auf zweckgemäße An¬ legung des Collectenkapitals nicht verstehe, und noch ungleich längere Zeit hatte das Daiupfschifffahrtsunternehmen seine Unfähigkeit, einen Einnahme- Überschuß zur Beschwichtigung der Actionäre hervorzubringen, dargethan. Wie wärs nun. wenn sich das Kapital mit dem Unternehmen in eine verständige, nach beiden Seiten förderliche Wechselwirkung bringen ließe? Von diesem Gedanken ausgehend, kam Mansurof auf den Plan, das Marineministerium, als Verwaltungsbehörde der Dampfschifffahrtsgesellschaft, sollte die Ausführung der beabsichtigten religiösen Stiftungen für Palästina selbst in die Hand nehmen und also den Bischof der Sorge wegen der Ver¬ werthung der dafür gewidmeten anderthalb Millionen Rubel Silber entheben. Zu dem Ende sollte sich, mit den unbeschränktesten Vollmachten wegen der zu machenden Ausgaben versehn, ein besonderer Agent der Gesellschaft nach Je¬ rusalem begeben, daselbst mit goldenem Schlüssel — dem Golde weicht ja Alles! — die Pforte des Häuserankaufs eröffnen und dann sofort die Arbeiten beginnen. Diese Arbeiten sollten sich nickt blos auf Jerusalem, sondern auch auf Jaffa und Nantes beziehn, an welchen drei Orten man durch großartige Bauten für ein bequemes Unterkommen der russischen Pilger zu sorgen gedachte, auch zu einer fahrbaren Straße, welche die Küste mit der heiligen Stadt in Verbindung setzen sollte, hoffte man die Concession der hohen Pforte zu er¬ langen. Es ist kaum zu bezweifeln, daß bis hierher der Bischof sich wol verstan-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/267
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/267>, abgerufen am 24.07.2024.