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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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lion der ganzen evangelischen Kirche gerichtet war. Damals war Moser mit diesen
Bestrebungen noch ganz einverstanden. In seinen "Anmerkungen zu Friedrich
Wilhelms des Zweiten Concession für die Brüdergemeinde" (1737 ) schreibt er:
"Ich habe nicht das wünschenswerthe Glück, ein Mitglied der evangelischen
Brüderkirche zu sein, von ganzem Herzen ehre und liebe ich sie aber als ein
Volk Gottes, als eine Sammlung edler, guter, vortrefflicher, lichens- und
verehrungßwürdiger Menschen; als eine Gemeinde wahrer Christen; als ein
wichtiges und wohlthätiges Zeichen unserer Zeit; als eine Brandmauer gegen
das Antichristenthum unserer Tage; als Bewahrerin der beseligenden Lehre
Von Christi verdienstlicher Versöhnung; als Salz und Licht in dem, innerer
Fäulniß und Finsterniß sich immer mehr nähernden Protestantismus; als einen
unschätzbaren Zufluchtsort für Tausende zur Rettung, Bewahrung und Ver¬
vollkommnung ; als eine Oekonomie und Anstalt im Reiche Gottes zu einem
neuen, glücklichen und schon hienieden seligen Menschengeschlecht; als einen
lebendigen Beweis von der Möglichkeit der Verbindung reiner Religiosität mit
der bürgerlichen Verfassung und als die Pflanzschule und Werkstätte der aus¬
erwählten Rüstzeuge, durch welche das Evangelium Jesu noch vielen Völkern
verkündet werden und die ganze Erde ihn als den Weltheiland erkennen und
anbeten wird."

Bei dieser Stimmung und da er nach der Unruhe seines bisherigen Lebens
der Erholung bedürftig war, mußte ihm Ebersdorf wie ein Paradies erschei¬
nen. "Hier trafen wir reichlich an, wonach unser Herz sich sehnte, und
die ersten sechs Jahre waren die seligste Zeit in unserm ganzen Leben. Der
Hofprediger Steins ofer ging auf eine Aenderung des ganzen Sinnes, als¬
dann auf Jesum für uns. dessen Ergreifung im Glauben, Gewißheit der Ver¬
gebung der Sünden und seines Gnadenstandes, darauf eines vergnügten aber
heiligen Wandels, Verschmähung der Welt und immer mehrere Bildung in
das Bild Jesu Christi; auf eine so nachdrückliche, und doch dabei herzliche,
liebreiche und evangelische Weise, dabei das Herz nicht ungerührt bleiben
konnte. Es hatte sich dermalen bereits eine starke Anzahl Kinder Gottes in
Ebersdorf gesammelt, und es fanden sich deren immer mehrere herbei. Es
war gewiß etwas respectables, wenn Abendmal gehalten wurde, und etliche
hundert Personen dazu gingen, von deren allergrößten Theil man zuversicht¬
lich glauben konnte, daß es wahre Kinder Gottes seien, !und die Ergießung
des heiligen Geistes über die Seelen war zu solcher Zeit gar merklich. Und
so waren es auch Festtage für die Herzen, wenn Kinder eingesegnet wurden,
da man sie nicht über gewisse auswendig gelernte Sachen, sondern wie es
H. Steinhofer einfiel, befragte, und aus ihren Antworten schriftmäßige Er¬
kenntniß, Erfahrung am eignen Herzen und eine zärtliche Liebe zu Jesu her¬
vorleuchteten; worauf sie sodann, nicht nach einem gewissen Formulare,


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lion der ganzen evangelischen Kirche gerichtet war. Damals war Moser mit diesen
Bestrebungen noch ganz einverstanden. In seinen „Anmerkungen zu Friedrich
Wilhelms des Zweiten Concession für die Brüdergemeinde" (1737 ) schreibt er:
„Ich habe nicht das wünschenswerthe Glück, ein Mitglied der evangelischen
Brüderkirche zu sein, von ganzem Herzen ehre und liebe ich sie aber als ein
Volk Gottes, als eine Sammlung edler, guter, vortrefflicher, lichens- und
verehrungßwürdiger Menschen; als eine Gemeinde wahrer Christen; als ein
wichtiges und wohlthätiges Zeichen unserer Zeit; als eine Brandmauer gegen
das Antichristenthum unserer Tage; als Bewahrerin der beseligenden Lehre
Von Christi verdienstlicher Versöhnung; als Salz und Licht in dem, innerer
Fäulniß und Finsterniß sich immer mehr nähernden Protestantismus; als einen
unschätzbaren Zufluchtsort für Tausende zur Rettung, Bewahrung und Ver¬
vollkommnung ; als eine Oekonomie und Anstalt im Reiche Gottes zu einem
neuen, glücklichen und schon hienieden seligen Menschengeschlecht; als einen
lebendigen Beweis von der Möglichkeit der Verbindung reiner Religiosität mit
der bürgerlichen Verfassung und als die Pflanzschule und Werkstätte der aus¬
erwählten Rüstzeuge, durch welche das Evangelium Jesu noch vielen Völkern
verkündet werden und die ganze Erde ihn als den Weltheiland erkennen und
anbeten wird."

Bei dieser Stimmung und da er nach der Unruhe seines bisherigen Lebens
der Erholung bedürftig war, mußte ihm Ebersdorf wie ein Paradies erschei¬
nen. „Hier trafen wir reichlich an, wonach unser Herz sich sehnte, und
die ersten sechs Jahre waren die seligste Zeit in unserm ganzen Leben. Der
Hofprediger Steins ofer ging auf eine Aenderung des ganzen Sinnes, als¬
dann auf Jesum für uns. dessen Ergreifung im Glauben, Gewißheit der Ver¬
gebung der Sünden und seines Gnadenstandes, darauf eines vergnügten aber
heiligen Wandels, Verschmähung der Welt und immer mehrere Bildung in
das Bild Jesu Christi; auf eine so nachdrückliche, und doch dabei herzliche,
liebreiche und evangelische Weise, dabei das Herz nicht ungerührt bleiben
konnte. Es hatte sich dermalen bereits eine starke Anzahl Kinder Gottes in
Ebersdorf gesammelt, und es fanden sich deren immer mehrere herbei. Es
war gewiß etwas respectables, wenn Abendmal gehalten wurde, und etliche
hundert Personen dazu gingen, von deren allergrößten Theil man zuversicht¬
lich glauben konnte, daß es wahre Kinder Gottes seien, !und die Ergießung
des heiligen Geistes über die Seelen war zu solcher Zeit gar merklich. Und
so waren es auch Festtage für die Herzen, wenn Kinder eingesegnet wurden,
da man sie nicht über gewisse auswendig gelernte Sachen, sondern wie es
H. Steinhofer einfiel, befragte, und aus ihren Antworten schriftmäßige Er¬
kenntniß, Erfahrung am eignen Herzen und eine zärtliche Liebe zu Jesu her¬
vorleuchteten; worauf sie sodann, nicht nach einem gewissen Formulare,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/191>, abgerufen am 24.07.2024.