Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.Mit der Tübinger Zeit beginnt Mosers große Bedeutung für die Ent¬ ^'N'ttjb^den Hi, 1660. 22
Mit der Tübinger Zeit beginnt Mosers große Bedeutung für die Ent¬ ^'N'ttjb^den Hi, 1660. 22
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109987"/> <p xml:id="ID_491" next="#ID_492"> Mit der Tübinger Zeit beginnt Mosers große Bedeutung für die Ent¬<lb/> wickelung der Staatswissenschaft. — 1731 erschien sein „Grundriß der heuti¬<lb/> gen Staatsverfassung von Deutschland", der später in sechs Auflagen wieder¬<lb/> holt und durch unzählige Nachlesen und Specialitäten ergänzt wurde. —<lb/> „Wien und meine Rcgierungsrathstelle hatten mich gelehrt, was brauchbar<lb/> und was mehr oder weniger brauchbar sei: ich schrieb ein Lehrbuch nach mei¬<lb/> ner eignen Einsicht, darin ich die Alterthümer, das allgemeine Staatsrecht,<lb/> das römische Recht u. s. w. ganz hinwegließ, und die deutsche Staatsver¬<lb/> fassung blos vorstellte, wie sie heutigen Tages beschaffen ist. Und weil ich<lb/> sür Deutsche schrieb, faßte ich mein Buch in deutscher Sprache ab." — Der<lb/> letzte Umstand war nicht der unwichtigste, denn durch diesen Vorgang wurde das<lb/> Staatsrecht der zünftigen Gelehrsamkeit entzogen und in die Hände des Volks<lb/> gespielt. — „Meine Absicht war nicht durchweg ganz neue Dinge zu entdecken,<lb/> und das Bekannte zu übergehn, sondern ein brauchbares Handbuch zu schrei¬<lb/> ben, Ich bestrebte mich 1) unsere deutsche Staatsverfassung vorzustellen, wie<lb/> sie nach den Reichsgesetzen sein sollte, 2) zu zeigen, wie sie in der Praxis in<lb/> manchem davon abgebe, also wirklich beschaffen sei; 3) wie das deutsche Reich,<lb/> soviel möglich, in seiner jetzigen Verfassung zu erhalten und die der Verbes¬<lb/> serung fähigen Mängel abzustellen sein möchten." — Im Gegensatz gegen die<lb/> frühere Buchgelehrsamkeit hat Moser zuerst aus der Fülle des Lebens geschöpft.<lb/> Wenn man sich früher der Geschichte als einer Rechtsquelle bediente, so setzte<lb/> sie Moser zu einem Hilfsmittel zur Erläuterung der Neichsgrundgesetze herab;<lb/> gegen die alte und mittlere Geschichte war er gleichgiltig, und auch die neue<lb/> interessirte ihn nur insofern, als sie wirklich fortlebte. — In jüngster Zeit<lb/> hatten Cocceji und Ludewig die Wissenschaft durch grundlose geschichtliche An¬<lb/> nahmen in Verwirrung gesetzt; ihrem geistvollen Gegner Geudling schloß<lb/> sich Moser eifrigst an, mehr durch positive Leistungen als durch Kritik. —<lb/> Neuerdings war durch Wolfs auch in der Jurisprudenz die „demonstrative"<lb/> Methode aufgekommen, die Moser's praktischem Sinn ebenso zuwider war<lb/> als die historische. Vor Allem, sagt Mohl (Eneyklopödie II. 408 ff.) suchte<lb/> er die Ueberzeugung zu begründen, daß das deutsche Staatsrecht kein aus<lb/> einem System hervorgegangenes Lehrgebäude sei, welches aus empirischen<lb/> Sätzen festgestellt werden könne, sondern ein geschichtlich gewordenes Verhält¬<lb/> niß, dessen Einzelheiten in der Regel nicht sowol auf schriftlichen Normen,<lb/> als auf Gewohnheitsrecht und Herkommen beruhen. Im Gegensatz gegen den<lb/> Parteigänger, der mit Trugschlüssen unbegründete Ansprüche scheinbar macht<lb/> oder irgend einer gelehrten und geistrcichthuenden Eitelkeit und Verdrehung<lb/> der Thatsachen stöhnt, machte er auch in den heikelsten Fragen mit unbeding¬<lb/> ter Freimüthigkeit alle ihm zugänglichen und von ihm sür erheblich erachteten<lb/> Thatsachen bekannt, zog daraus die ihm als richtig erscheinenden Schlüsse,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> ^'N'ttjb^den Hi, 1660. 22</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
Mit der Tübinger Zeit beginnt Mosers große Bedeutung für die Ent¬
wickelung der Staatswissenschaft. — 1731 erschien sein „Grundriß der heuti¬
gen Staatsverfassung von Deutschland", der später in sechs Auflagen wieder¬
holt und durch unzählige Nachlesen und Specialitäten ergänzt wurde. —
„Wien und meine Rcgierungsrathstelle hatten mich gelehrt, was brauchbar
und was mehr oder weniger brauchbar sei: ich schrieb ein Lehrbuch nach mei¬
ner eignen Einsicht, darin ich die Alterthümer, das allgemeine Staatsrecht,
das römische Recht u. s. w. ganz hinwegließ, und die deutsche Staatsver¬
fassung blos vorstellte, wie sie heutigen Tages beschaffen ist. Und weil ich
sür Deutsche schrieb, faßte ich mein Buch in deutscher Sprache ab." — Der
letzte Umstand war nicht der unwichtigste, denn durch diesen Vorgang wurde das
Staatsrecht der zünftigen Gelehrsamkeit entzogen und in die Hände des Volks
gespielt. — „Meine Absicht war nicht durchweg ganz neue Dinge zu entdecken,
und das Bekannte zu übergehn, sondern ein brauchbares Handbuch zu schrei¬
ben, Ich bestrebte mich 1) unsere deutsche Staatsverfassung vorzustellen, wie
sie nach den Reichsgesetzen sein sollte, 2) zu zeigen, wie sie in der Praxis in
manchem davon abgebe, also wirklich beschaffen sei; 3) wie das deutsche Reich,
soviel möglich, in seiner jetzigen Verfassung zu erhalten und die der Verbes¬
serung fähigen Mängel abzustellen sein möchten." — Im Gegensatz gegen die
frühere Buchgelehrsamkeit hat Moser zuerst aus der Fülle des Lebens geschöpft.
Wenn man sich früher der Geschichte als einer Rechtsquelle bediente, so setzte
sie Moser zu einem Hilfsmittel zur Erläuterung der Neichsgrundgesetze herab;
gegen die alte und mittlere Geschichte war er gleichgiltig, und auch die neue
interessirte ihn nur insofern, als sie wirklich fortlebte. — In jüngster Zeit
hatten Cocceji und Ludewig die Wissenschaft durch grundlose geschichtliche An¬
nahmen in Verwirrung gesetzt; ihrem geistvollen Gegner Geudling schloß
sich Moser eifrigst an, mehr durch positive Leistungen als durch Kritik. —
Neuerdings war durch Wolfs auch in der Jurisprudenz die „demonstrative"
Methode aufgekommen, die Moser's praktischem Sinn ebenso zuwider war
als die historische. Vor Allem, sagt Mohl (Eneyklopödie II. 408 ff.) suchte
er die Ueberzeugung zu begründen, daß das deutsche Staatsrecht kein aus
einem System hervorgegangenes Lehrgebäude sei, welches aus empirischen
Sätzen festgestellt werden könne, sondern ein geschichtlich gewordenes Verhält¬
niß, dessen Einzelheiten in der Regel nicht sowol auf schriftlichen Normen,
als auf Gewohnheitsrecht und Herkommen beruhen. Im Gegensatz gegen den
Parteigänger, der mit Trugschlüssen unbegründete Ansprüche scheinbar macht
oder irgend einer gelehrten und geistrcichthuenden Eitelkeit und Verdrehung
der Thatsachen stöhnt, machte er auch in den heikelsten Fragen mit unbeding¬
ter Freimüthigkeit alle ihm zugänglichen und von ihm sür erheblich erachteten
Thatsachen bekannt, zog daraus die ihm als richtig erscheinenden Schlüsse,
^'N'ttjb^den Hi, 1660. 22
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |