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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Tapferkeit andrer Generale wie Bava und Sonnaz vermochte diesen Mangel
der Leitung nicht zu ersetzen.

Wahrend des Feldzugs in der Lombardei aber waren die Dinge im üb¬
rigen Italien rasch vorgeschritten. Die Charte des Königs von Neapel hatte
die legislative Einheit Siciliens und des Festlandes erhalten, die Insel be¬
stand auf den Institutionen, die sie vor 1816 besessen und die provisorische
Negierung berief ein Parlament auf Grund der Verfassung von 1812. In
Folge der Februarrevolution verstand sich der König dazu, diese Einberufung
zu genehmigen unter dem Vorbehalt, "daß die Einheit der Monarchie nach
wie vor in der alleinigen Person des Königs ruhen solle." Ein Vicekönig
und ein besondres auf der Insel residirendcs Ministerium waren ernannt.
Aber die Vermittlung, welche Lord Minto auf dieser Basis versuchte, zerschlug
sich, das Parlament, das am 25, März von dem allverehrten Ruggiero Set-
timo eröffnet war, erklärte am 13. April den Thron von Sicilien für er¬
ledigt und die Bourbonen desselben für immer verlustig, ein italienischer Fürst
sollte ihn einnehmen, am 10. Juni ward von beiden Kammern der Herzog
von Genua erwählt. Ferdinand protestirte gegen diese Verletzung der Einheit
der Monarchie und der von ihm beschworenen Verfassung um so energischer,
als er inzwischen den Aufstand bei Eröffnung der neapolitanischen Legislative
niedergeschlagen, er ließ auch am 20. Juli in Turin erklären, daß er alle
Mittel aufbieten werde, um für die Integrität und Ehre des Königreichs bei¬
der Sicilien zu sorgen. -- Wo sich so die beiden bedeutendsten italienischen
Regierungen entgegenstanden, konnte der vom römischen Ministerium betriebene
Fürstenbund natürlich nicht zu Stande kommen. Palmerston spielte bei dieser
Angelegenheit sein gewöhnliches, gewissenloses, zweideutiges Spiel/) während
er noch am 12. Juni an seinen Gesandten in Neapel schreibt, "daß bei der
natürlichen Verbindung der beiderseitigen Landesinteressen die Vereinigung
beider Theile unter Einer Krone das Beste wäre" erklärte (was Reuchlin nicht
erwähnt) der englische Consul in Palermo, Mr. Godwin. der provisorischen
Negierung. daß England den neuen König von Sicilien, sobald er den Thron
bestiegen, anerkennen und dieselbe Erklärung dem sardinischen Hofe machen
werde, falls die Wahl aus den Herzog von Genua fiele. Gleichmäßig an-



') Die ganze Correspondenz der betreffenden Blucboots gibt hiefür Zeugniß. Will man
außerdem noch eine Probe des Scharfblickes des edel" Lords in auswärtigen Angelegenheiten
haben, so lese man seine Depesche an Lord Napier vom 21. Scptbr,, die Bastide veröffentlicht,
wo er erklärt, die Erfolge Oestreichs seien rein militärisch und local, nicht politisch, könnten
also auch nicht zur Herstellung des Despotismus führen, selbst nicht im Norden Italiens,
denn Oestreich sei selbst in die Reihe der constitutionellen Staaten getreten "Kt xsut xas
rsveuii' sur zeg xasl 1s Aouvernemsnt als hora, lui-nomo rin exsrnxlg als
xrog'roh et rstorins, könne also nicht andern Regierungen entgegengesetzte Principien auf¬
nöthigen.

Tapferkeit andrer Generale wie Bava und Sonnaz vermochte diesen Mangel
der Leitung nicht zu ersetzen.

Wahrend des Feldzugs in der Lombardei aber waren die Dinge im üb¬
rigen Italien rasch vorgeschritten. Die Charte des Königs von Neapel hatte
die legislative Einheit Siciliens und des Festlandes erhalten, die Insel be¬
stand auf den Institutionen, die sie vor 1816 besessen und die provisorische
Negierung berief ein Parlament auf Grund der Verfassung von 1812. In
Folge der Februarrevolution verstand sich der König dazu, diese Einberufung
zu genehmigen unter dem Vorbehalt, „daß die Einheit der Monarchie nach
wie vor in der alleinigen Person des Königs ruhen solle." Ein Vicekönig
und ein besondres auf der Insel residirendcs Ministerium waren ernannt.
Aber die Vermittlung, welche Lord Minto auf dieser Basis versuchte, zerschlug
sich, das Parlament, das am 25, März von dem allverehrten Ruggiero Set-
timo eröffnet war, erklärte am 13. April den Thron von Sicilien für er¬
ledigt und die Bourbonen desselben für immer verlustig, ein italienischer Fürst
sollte ihn einnehmen, am 10. Juni ward von beiden Kammern der Herzog
von Genua erwählt. Ferdinand protestirte gegen diese Verletzung der Einheit
der Monarchie und der von ihm beschworenen Verfassung um so energischer,
als er inzwischen den Aufstand bei Eröffnung der neapolitanischen Legislative
niedergeschlagen, er ließ auch am 20. Juli in Turin erklären, daß er alle
Mittel aufbieten werde, um für die Integrität und Ehre des Königreichs bei¬
der Sicilien zu sorgen. — Wo sich so die beiden bedeutendsten italienischen
Regierungen entgegenstanden, konnte der vom römischen Ministerium betriebene
Fürstenbund natürlich nicht zu Stande kommen. Palmerston spielte bei dieser
Angelegenheit sein gewöhnliches, gewissenloses, zweideutiges Spiel/) während
er noch am 12. Juni an seinen Gesandten in Neapel schreibt, „daß bei der
natürlichen Verbindung der beiderseitigen Landesinteressen die Vereinigung
beider Theile unter Einer Krone das Beste wäre" erklärte (was Reuchlin nicht
erwähnt) der englische Consul in Palermo, Mr. Godwin. der provisorischen
Negierung. daß England den neuen König von Sicilien, sobald er den Thron
bestiegen, anerkennen und dieselbe Erklärung dem sardinischen Hofe machen
werde, falls die Wahl aus den Herzog von Genua fiele. Gleichmäßig an-



') Die ganze Correspondenz der betreffenden Blucboots gibt hiefür Zeugniß. Will man
außerdem noch eine Probe des Scharfblickes des edel» Lords in auswärtigen Angelegenheiten
haben, so lese man seine Depesche an Lord Napier vom 21. Scptbr,, die Bastide veröffentlicht,
wo er erklärt, die Erfolge Oestreichs seien rein militärisch und local, nicht politisch, könnten
also auch nicht zur Herstellung des Despotismus führen, selbst nicht im Norden Italiens,
denn Oestreich sei selbst in die Reihe der constitutionellen Staaten getreten „Kt xsut xas
rsveuii' sur zeg xasl 1s Aouvernemsnt als hora, lui-nomo rin exsrnxlg als
xrog'roh et rstorins, könne also nicht andern Regierungen entgegengesetzte Principien auf¬
nöthigen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/150>, abgerufen am 24.07.2024.