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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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fand also bei Piemont dieselben Dispositionen wie Oestreich bei der Mai¬
länder Regierung, letzteres aber war entschlossen, hierauf so wenig wie auf
eine Theilung des Venetianischen einzugehen, zumal sich die Verhältnisse gün-
stiger für Oestreich zu gestalten begannen. Nachdem schon Schaaren von
Freiwilligen aus dem Kirchenstaat an dem Kampfe Theil genommen, vereinigte
der päpstliche General Dnrando seine regulären Truppen mit den piemonte-
sischen. Hier aber fand die Schwäche des Papstes ihre Grenzen. Der Wider¬
spruch eines weltlichen Fürsten und geistlichen Hauptes des gesammten
Katholicismus tritt offen hervor, das Papstthum kennt keine Nationalität und
Pius war vor allem Papst, er fürchtete ein deutsches Schisma und erklärte
in einer Allocution, er wolle keinen Krieg mit Oestreich, "da Wir Unserer
höchsten apostolischen Würde gemäß alle Stämme. Völker und Nationen mit
gleicher Liebe umfassen." Damit mußten alle Illusionen derer fallen, die in
Pius einen neuen Julius den Zweiten als nationalen Helden zu sehen ge¬
glaubt. Dieser innere Widerspruch konnte auch nur augenblicklich übertüncht
werden, indem der Papst gezwungen ward, sich ein Laienmmisterium gefallen
zu lassen und dasselbe die Truppen dem Befehle Karl Alberts unterstellte.
In Folge der Bezwingung des Aufstandes vom 25. Mai in Neapel hatte
Ferdinand der Zweite seine Truppen von Karl Alberts Heer zurückgerufen
und gleichfalls seine Flotte, welche sich eben anschickte, mit der piemontesischen
und venetianischen Trieft zu blockiren. Im Treffen von Curtatone waren die
Toskancr fast aufgerieben, die Erfolge von Goito und Peschiera wurden nicht
benutzt, unthätig und unentschlossen konnte der König keinen Plan fassen,
Vicenza ging verloren, Custozza bot Radetzky die Addalinie und verlangte
Räumung Venedigs. Peschieras und der Herzogthümer. Es wäre noch klug
gewesen dies anzunehmen, aber Karl Albert, als Haupt eines Unabhängigkeits¬
krieges, konnte nicht darauf eingehen und zog sich über den Oglio zurück, am
3. August langte das Heer in der schlechtesten Verfassung wieder in Mailand
an, von wo es mit so stolzen Hoffnungen ausgezogen war, die Stadt mußte
capituliren. die schwarzgelbe Fahne wehte wieder von ihren Thürmen, am
9. August ward ein Waffenstillstand von 6 Wochen geschlossen, nach welchem
unter anderen die Sardinier Venedig, Peschiera und die Herzogthümer zu räu¬
men hatten. Die Piemontesen hatten sich in diesem Feldzuge tapfer geschlagen
und ihren alten militärischen Ruf bewährt, namentlich zeichnete sich die Ar-
tillerie aus, aber die Truppen hatten durch Entbehrungen und Verluste sehr
gelitten und durch die Berührung mit den Freischaaren und der Revolution
war die Mannszucht bedenklich erschüttert. Der Herzog von Savoyen, der
jetzige König, hatte sich vortrefflich benommen, kaltblütig im Gefecht und freund¬
lich für die Soldaten, aber er hatte das mangelnde Feldherrntalent. vor al¬
lem die Unschlüssigkeit seines Vaters nicht gut zu machen gewußt, auch die


Greiizboten III. 1860. 18

fand also bei Piemont dieselben Dispositionen wie Oestreich bei der Mai¬
länder Regierung, letzteres aber war entschlossen, hierauf so wenig wie auf
eine Theilung des Venetianischen einzugehen, zumal sich die Verhältnisse gün-
stiger für Oestreich zu gestalten begannen. Nachdem schon Schaaren von
Freiwilligen aus dem Kirchenstaat an dem Kampfe Theil genommen, vereinigte
der päpstliche General Dnrando seine regulären Truppen mit den piemonte-
sischen. Hier aber fand die Schwäche des Papstes ihre Grenzen. Der Wider¬
spruch eines weltlichen Fürsten und geistlichen Hauptes des gesammten
Katholicismus tritt offen hervor, das Papstthum kennt keine Nationalität und
Pius war vor allem Papst, er fürchtete ein deutsches Schisma und erklärte
in einer Allocution, er wolle keinen Krieg mit Oestreich, „da Wir Unserer
höchsten apostolischen Würde gemäß alle Stämme. Völker und Nationen mit
gleicher Liebe umfassen." Damit mußten alle Illusionen derer fallen, die in
Pius einen neuen Julius den Zweiten als nationalen Helden zu sehen ge¬
glaubt. Dieser innere Widerspruch konnte auch nur augenblicklich übertüncht
werden, indem der Papst gezwungen ward, sich ein Laienmmisterium gefallen
zu lassen und dasselbe die Truppen dem Befehle Karl Alberts unterstellte.
In Folge der Bezwingung des Aufstandes vom 25. Mai in Neapel hatte
Ferdinand der Zweite seine Truppen von Karl Alberts Heer zurückgerufen
und gleichfalls seine Flotte, welche sich eben anschickte, mit der piemontesischen
und venetianischen Trieft zu blockiren. Im Treffen von Curtatone waren die
Toskancr fast aufgerieben, die Erfolge von Goito und Peschiera wurden nicht
benutzt, unthätig und unentschlossen konnte der König keinen Plan fassen,
Vicenza ging verloren, Custozza bot Radetzky die Addalinie und verlangte
Räumung Venedigs. Peschieras und der Herzogthümer. Es wäre noch klug
gewesen dies anzunehmen, aber Karl Albert, als Haupt eines Unabhängigkeits¬
krieges, konnte nicht darauf eingehen und zog sich über den Oglio zurück, am
3. August langte das Heer in der schlechtesten Verfassung wieder in Mailand
an, von wo es mit so stolzen Hoffnungen ausgezogen war, die Stadt mußte
capituliren. die schwarzgelbe Fahne wehte wieder von ihren Thürmen, am
9. August ward ein Waffenstillstand von 6 Wochen geschlossen, nach welchem
unter anderen die Sardinier Venedig, Peschiera und die Herzogthümer zu räu¬
men hatten. Die Piemontesen hatten sich in diesem Feldzuge tapfer geschlagen
und ihren alten militärischen Ruf bewährt, namentlich zeichnete sich die Ar-
tillerie aus, aber die Truppen hatten durch Entbehrungen und Verluste sehr
gelitten und durch die Berührung mit den Freischaaren und der Revolution
war die Mannszucht bedenklich erschüttert. Der Herzog von Savoyen, der
jetzige König, hatte sich vortrefflich benommen, kaltblütig im Gefecht und freund¬
lich für die Soldaten, aber er hatte das mangelnde Feldherrntalent. vor al¬
lem die Unschlüssigkeit seines Vaters nicht gut zu machen gewußt, auch die


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[0149] fand also bei Piemont dieselben Dispositionen wie Oestreich bei der Mai¬ länder Regierung, letzteres aber war entschlossen, hierauf so wenig wie auf eine Theilung des Venetianischen einzugehen, zumal sich die Verhältnisse gün- stiger für Oestreich zu gestalten begannen. Nachdem schon Schaaren von Freiwilligen aus dem Kirchenstaat an dem Kampfe Theil genommen, vereinigte der päpstliche General Dnrando seine regulären Truppen mit den piemonte- sischen. Hier aber fand die Schwäche des Papstes ihre Grenzen. Der Wider¬ spruch eines weltlichen Fürsten und geistlichen Hauptes des gesammten Katholicismus tritt offen hervor, das Papstthum kennt keine Nationalität und Pius war vor allem Papst, er fürchtete ein deutsches Schisma und erklärte in einer Allocution, er wolle keinen Krieg mit Oestreich, „da Wir Unserer höchsten apostolischen Würde gemäß alle Stämme. Völker und Nationen mit gleicher Liebe umfassen." Damit mußten alle Illusionen derer fallen, die in Pius einen neuen Julius den Zweiten als nationalen Helden zu sehen ge¬ glaubt. Dieser innere Widerspruch konnte auch nur augenblicklich übertüncht werden, indem der Papst gezwungen ward, sich ein Laienmmisterium gefallen zu lassen und dasselbe die Truppen dem Befehle Karl Alberts unterstellte. In Folge der Bezwingung des Aufstandes vom 25. Mai in Neapel hatte Ferdinand der Zweite seine Truppen von Karl Alberts Heer zurückgerufen und gleichfalls seine Flotte, welche sich eben anschickte, mit der piemontesischen und venetianischen Trieft zu blockiren. Im Treffen von Curtatone waren die Toskancr fast aufgerieben, die Erfolge von Goito und Peschiera wurden nicht benutzt, unthätig und unentschlossen konnte der König keinen Plan fassen, Vicenza ging verloren, Custozza bot Radetzky die Addalinie und verlangte Räumung Venedigs. Peschieras und der Herzogthümer. Es wäre noch klug gewesen dies anzunehmen, aber Karl Albert, als Haupt eines Unabhängigkeits¬ krieges, konnte nicht darauf eingehen und zog sich über den Oglio zurück, am 3. August langte das Heer in der schlechtesten Verfassung wieder in Mailand an, von wo es mit so stolzen Hoffnungen ausgezogen war, die Stadt mußte capituliren. die schwarzgelbe Fahne wehte wieder von ihren Thürmen, am 9. August ward ein Waffenstillstand von 6 Wochen geschlossen, nach welchem unter anderen die Sardinier Venedig, Peschiera und die Herzogthümer zu räu¬ men hatten. Die Piemontesen hatten sich in diesem Feldzuge tapfer geschlagen und ihren alten militärischen Ruf bewährt, namentlich zeichnete sich die Ar- tillerie aus, aber die Truppen hatten durch Entbehrungen und Verluste sehr gelitten und durch die Berührung mit den Freischaaren und der Revolution war die Mannszucht bedenklich erschüttert. Der Herzog von Savoyen, der jetzige König, hatte sich vortrefflich benommen, kaltblütig im Gefecht und freund¬ lich für die Soldaten, aber er hatte das mangelnde Feldherrntalent. vor al¬ lem die Unschlüssigkeit seines Vaters nicht gut zu machen gewußt, auch die Greiizboten III. 1860. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/149>, abgerufen am 24.07.2024.