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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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daß es gehaßt sei und keinen Einfluß, sondern nur das Gewicht seiner be¬
währten Kraft dort habe, er war deshalb geneigt, dem Aufstande große Zu¬
geständnisse zu machen, um wenigstens die Integrität des Kaiserstaats durch
eine Personalunion zu erhalten, der Zeitpunkt, wo die Feindseligkeiten vor
dem Festungsviereck zu einem Stillstand kamen, schien ihm zu Unterhand¬
lungen geeignet. Er knüpfte dieselben an zwei Punkten zugleich an, in Italien
selbst und in London. Graf Hartig erließ als außerordentlicher Commissär
eine Proclamation, in der er den Italienern nationale Verfassung und Verwal¬
tung, sowie alle Freiheit verhieß, aber weder die Italiener in ihrem revolutio¬
nären Rausche, noch die östreichischen Generäle in Verona wollten von diesen
Bedingungen etwas wissen. Mit Piemont, das den Krieg ohne Kriegserklärung
begonnen, wollte das Ministerium nicht unterhandeln, wol aber sandte Fiquel-
monts Nachfolger, Wessenberg. gegen die Mitte Juni den Legationsrath von
Schnitzer an den Präsidenten der provisorischen Negierung in Mailand Grafen
Casati, mit dem Vorschlag aus der Basis der Trennung und Unabhängigkeit der
Lombardei zu unterhandeln, aber die Antwort war, daß diese Basis auf das
Venetianische ausgedehnt werden müsse, da sich übrigens die Lombardei für den
Anschluß an Piemont entschieden, könne sie überhaupt nicht ohne dasselbe unter¬
handeln. An solchem Begehren mußte jede Verständigung scheitern, wären
die Italiener nicht durch ihre ersten Erfolge geblendet gewesen, so Hütten
sie das Anerbieten als Mittel annehmen müssen um ihre Kräfte so behufs
einer spätern völligen Emancipation zu organisiren. Die Unterhandlungen
mit England hatten keinen bessern Erfolg, Baron Hummelauer war Mitte Mai
mit ausgedehnten Vollmachten nach London gegangen, welche wesentlich das
Festhalten einer Personalunion der italienischen Besitzungen Oestreichs be¬
zweckten, offenbar war er aber zur Aufgabe der Lombardei autorisire, wenn
dafür Venedig sicher zu retten gewesen. Die Palmerstonsche Vermittlung ist
die haltloseste, er schwankt fortwährend hin und her und macht beiläufig die
gröbsten geographischen Schnitzer, man sieht, daß es ihm nur auf Frieden an¬
kommt, nicht auf den Preis, den andre dafür bezahlen sollen, schließlich meinte
er, das Venetianische müsse doch auch nach billigen Bedingungen getheilt
werden. Die Unterhandlung, in deren Darstellung wir übrigens bei unserm
Verfasser die sonst gewohnte Übersichtlichkeit und Klarheit vermissen, mußte
schon daran scheitern, daß Sardinien die unmittelbare und völlige Räumung
Italiens durch die östreichischen Truppen als Vorbedingung forderte. Die
Piemontesen halten eben das Treffen von Goito gewonnen und Peschiera
war gefallen, so machte die hoffnungsvolle Stimmung des Heeres wie der
Bevölkerung es Karl Albert unmöglich, sich mit der Lombardei, den Herzog-
thümern oder der Minciolinie zu begnügen, außerdem hatten die Lombarden,
später auch die Venetianer die Fusion mit Piemont angenommen. England


daß es gehaßt sei und keinen Einfluß, sondern nur das Gewicht seiner be¬
währten Kraft dort habe, er war deshalb geneigt, dem Aufstande große Zu¬
geständnisse zu machen, um wenigstens die Integrität des Kaiserstaats durch
eine Personalunion zu erhalten, der Zeitpunkt, wo die Feindseligkeiten vor
dem Festungsviereck zu einem Stillstand kamen, schien ihm zu Unterhand¬
lungen geeignet. Er knüpfte dieselben an zwei Punkten zugleich an, in Italien
selbst und in London. Graf Hartig erließ als außerordentlicher Commissär
eine Proclamation, in der er den Italienern nationale Verfassung und Verwal¬
tung, sowie alle Freiheit verhieß, aber weder die Italiener in ihrem revolutio¬
nären Rausche, noch die östreichischen Generäle in Verona wollten von diesen
Bedingungen etwas wissen. Mit Piemont, das den Krieg ohne Kriegserklärung
begonnen, wollte das Ministerium nicht unterhandeln, wol aber sandte Fiquel-
monts Nachfolger, Wessenberg. gegen die Mitte Juni den Legationsrath von
Schnitzer an den Präsidenten der provisorischen Negierung in Mailand Grafen
Casati, mit dem Vorschlag aus der Basis der Trennung und Unabhängigkeit der
Lombardei zu unterhandeln, aber die Antwort war, daß diese Basis auf das
Venetianische ausgedehnt werden müsse, da sich übrigens die Lombardei für den
Anschluß an Piemont entschieden, könne sie überhaupt nicht ohne dasselbe unter¬
handeln. An solchem Begehren mußte jede Verständigung scheitern, wären
die Italiener nicht durch ihre ersten Erfolge geblendet gewesen, so Hütten
sie das Anerbieten als Mittel annehmen müssen um ihre Kräfte so behufs
einer spätern völligen Emancipation zu organisiren. Die Unterhandlungen
mit England hatten keinen bessern Erfolg, Baron Hummelauer war Mitte Mai
mit ausgedehnten Vollmachten nach London gegangen, welche wesentlich das
Festhalten einer Personalunion der italienischen Besitzungen Oestreichs be¬
zweckten, offenbar war er aber zur Aufgabe der Lombardei autorisire, wenn
dafür Venedig sicher zu retten gewesen. Die Palmerstonsche Vermittlung ist
die haltloseste, er schwankt fortwährend hin und her und macht beiläufig die
gröbsten geographischen Schnitzer, man sieht, daß es ihm nur auf Frieden an¬
kommt, nicht auf den Preis, den andre dafür bezahlen sollen, schließlich meinte
er, das Venetianische müsse doch auch nach billigen Bedingungen getheilt
werden. Die Unterhandlung, in deren Darstellung wir übrigens bei unserm
Verfasser die sonst gewohnte Übersichtlichkeit und Klarheit vermissen, mußte
schon daran scheitern, daß Sardinien die unmittelbare und völlige Räumung
Italiens durch die östreichischen Truppen als Vorbedingung forderte. Die
Piemontesen halten eben das Treffen von Goito gewonnen und Peschiera
war gefallen, so machte die hoffnungsvolle Stimmung des Heeres wie der
Bevölkerung es Karl Albert unmöglich, sich mit der Lombardei, den Herzog-
thümern oder der Minciolinie zu begnügen, außerdem hatten die Lombarden,
später auch die Venetianer die Fusion mit Piemont angenommen. England


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[0148] daß es gehaßt sei und keinen Einfluß, sondern nur das Gewicht seiner be¬ währten Kraft dort habe, er war deshalb geneigt, dem Aufstande große Zu¬ geständnisse zu machen, um wenigstens die Integrität des Kaiserstaats durch eine Personalunion zu erhalten, der Zeitpunkt, wo die Feindseligkeiten vor dem Festungsviereck zu einem Stillstand kamen, schien ihm zu Unterhand¬ lungen geeignet. Er knüpfte dieselben an zwei Punkten zugleich an, in Italien selbst und in London. Graf Hartig erließ als außerordentlicher Commissär eine Proclamation, in der er den Italienern nationale Verfassung und Verwal¬ tung, sowie alle Freiheit verhieß, aber weder die Italiener in ihrem revolutio¬ nären Rausche, noch die östreichischen Generäle in Verona wollten von diesen Bedingungen etwas wissen. Mit Piemont, das den Krieg ohne Kriegserklärung begonnen, wollte das Ministerium nicht unterhandeln, wol aber sandte Fiquel- monts Nachfolger, Wessenberg. gegen die Mitte Juni den Legationsrath von Schnitzer an den Präsidenten der provisorischen Negierung in Mailand Grafen Casati, mit dem Vorschlag aus der Basis der Trennung und Unabhängigkeit der Lombardei zu unterhandeln, aber die Antwort war, daß diese Basis auf das Venetianische ausgedehnt werden müsse, da sich übrigens die Lombardei für den Anschluß an Piemont entschieden, könne sie überhaupt nicht ohne dasselbe unter¬ handeln. An solchem Begehren mußte jede Verständigung scheitern, wären die Italiener nicht durch ihre ersten Erfolge geblendet gewesen, so Hütten sie das Anerbieten als Mittel annehmen müssen um ihre Kräfte so behufs einer spätern völligen Emancipation zu organisiren. Die Unterhandlungen mit England hatten keinen bessern Erfolg, Baron Hummelauer war Mitte Mai mit ausgedehnten Vollmachten nach London gegangen, welche wesentlich das Festhalten einer Personalunion der italienischen Besitzungen Oestreichs be¬ zweckten, offenbar war er aber zur Aufgabe der Lombardei autorisire, wenn dafür Venedig sicher zu retten gewesen. Die Palmerstonsche Vermittlung ist die haltloseste, er schwankt fortwährend hin und her und macht beiläufig die gröbsten geographischen Schnitzer, man sieht, daß es ihm nur auf Frieden an¬ kommt, nicht auf den Preis, den andre dafür bezahlen sollen, schließlich meinte er, das Venetianische müsse doch auch nach billigen Bedingungen getheilt werden. Die Unterhandlung, in deren Darstellung wir übrigens bei unserm Verfasser die sonst gewohnte Übersichtlichkeit und Klarheit vermissen, mußte schon daran scheitern, daß Sardinien die unmittelbare und völlige Räumung Italiens durch die östreichischen Truppen als Vorbedingung forderte. Die Piemontesen halten eben das Treffen von Goito gewonnen und Peschiera war gefallen, so machte die hoffnungsvolle Stimmung des Heeres wie der Bevölkerung es Karl Albert unmöglich, sich mit der Lombardei, den Herzog- thümern oder der Minciolinie zu begnügen, außerdem hatten die Lombarden, später auch die Venetianer die Fusion mit Piemont angenommen. England

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/148>, abgerufen am 24.07.2024.