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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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die Volkswirthschaft nicht unbedenklich ist. weil das Publikum die Wahr-
scheinlichkeitsberechnung nicht versteht, und weil dasselbe, wenn das Spiel nicht
erlaubt wäre, das Berbot übertreten würde (S. 150). --Ueber das Papier¬
geld enthält der Abschnitt vo" den Regalien nur allgemeine Andeutungen,
welche später unter dem Staats credit näher ausgeführt werden, und zwar
an zwei Stellen! da, wo der Bildung und Benutzung eines Staatsschatzes
gedacht wird, dann als eigene Gruppe der Staatsschulden, zwischen der schwe¬
benden und der festen Schuld. Hiernach ist die wissenschaftliche Auf¬
fassung des Papiergeldwesens von Seiten des Verfassers folgende:

Der Staat kann Kassenscheine ausgeben. Jeder Schein enthält die
Verpflichtung des Staates, ihn als Schuld für sich anzuerkennen, also ihn
zum Nennwerthe in Zahlung anzunehmen. Der Einlösung bedarf es nicht,
nur der Stenerfundativn (d. h. es soll nur bis zur Heilste der jährlichen
Steuer-Einnahme Papiergeld ausgegeben werden). Diese Schuld ist nicht nur
die billigste und bequemste, sondern sie dient auch zur Ansammlung eines
Staatsschatzes. Die Verwaltung braucht nämlich nur die Scheine, welche bei
Steuerzahlungen eingehen, zurückzuhalten; dann müssen die Steuerpflichtigen
in Metall zahlen; hat die Verwaltung das Metall, dann behält sie es und
gibt die Scheine wieder aus; sie verfügt auf diese Weise über einen
Staatsschatz in Metall, gleich der Hälfte ihrer jährlichen Steuereinnahme.

Dies, sagt L. Stein, ist ein Staatsschatz. nach dem jeder Staat trachten
sollte! Der alte Staatsschatz zur Deckung eines Deficit (richtiger zur Bestrei¬
tung von Kriegskosten), ist eine "rohe Idee" und "definitiv beseitigt". Die
Gefahren, welche das Papiergeld gebracht hat, fährt L. Stein fort (soll heißen,
das Unheil, welches sein Mißbrauch angerichtet), sind durch das Ueberschreiten
der Steuerfundationsgreuze entstanden, und durch den Irrthum, daß man diese
Grenze durch den Zwangscurs ersetzen könne. Man war daher genöthigt,
die Masse der Scheine in Banknoten zu convertiren, ihnen dadurch die Bant-
fundation und. weil die Bank mehr Noten ausgeben mußte, als sie für ihre
Geschäfte brauchte, auch noch die Steuerfundation zu geben. Die Bank genießt
die Zinsen für ihre dem Staate geliehenen Noten. Daher der hohe Curs ihrer
Actien und die fetten Dividenden. Will der Staat den Nutzen für sich, so
muß er, neben der Note, den Kassenschein mit Steuerfundation herstellen. --
Man lese die betreffenden Stellen S. 149--50, 475, 502 u. f.. und überzeuge
sich, daß wir nicht entstellen. -- An der ganzen Ausführung -- wir schweigen
von dem erheiternden Vorschlag, das Papier als Mausefalle für das Silber
der Steuerpflichtigen zu benutzen, und das eingefangene Silber als gebildeten
Staatsschatz zu bezeichnen -- ist nur das richtig, daß der Gebrauch des Papier¬
geldes in müßigen Grenzen nicht zu verwerfen ist. Aber es gehört dazu un¬
bedingt die Einlösbarkeit. Dazu hat sich Oestreich in dem Münzvertrage von


die Volkswirthschaft nicht unbedenklich ist. weil das Publikum die Wahr-
scheinlichkeitsberechnung nicht versteht, und weil dasselbe, wenn das Spiel nicht
erlaubt wäre, das Berbot übertreten würde (S. 150). —Ueber das Papier¬
geld enthält der Abschnitt vo» den Regalien nur allgemeine Andeutungen,
welche später unter dem Staats credit näher ausgeführt werden, und zwar
an zwei Stellen! da, wo der Bildung und Benutzung eines Staatsschatzes
gedacht wird, dann als eigene Gruppe der Staatsschulden, zwischen der schwe¬
benden und der festen Schuld. Hiernach ist die wissenschaftliche Auf¬
fassung des Papiergeldwesens von Seiten des Verfassers folgende:

Der Staat kann Kassenscheine ausgeben. Jeder Schein enthält die
Verpflichtung des Staates, ihn als Schuld für sich anzuerkennen, also ihn
zum Nennwerthe in Zahlung anzunehmen. Der Einlösung bedarf es nicht,
nur der Stenerfundativn (d. h. es soll nur bis zur Heilste der jährlichen
Steuer-Einnahme Papiergeld ausgegeben werden). Diese Schuld ist nicht nur
die billigste und bequemste, sondern sie dient auch zur Ansammlung eines
Staatsschatzes. Die Verwaltung braucht nämlich nur die Scheine, welche bei
Steuerzahlungen eingehen, zurückzuhalten; dann müssen die Steuerpflichtigen
in Metall zahlen; hat die Verwaltung das Metall, dann behält sie es und
gibt die Scheine wieder aus; sie verfügt auf diese Weise über einen
Staatsschatz in Metall, gleich der Hälfte ihrer jährlichen Steuereinnahme.

Dies, sagt L. Stein, ist ein Staatsschatz. nach dem jeder Staat trachten
sollte! Der alte Staatsschatz zur Deckung eines Deficit (richtiger zur Bestrei¬
tung von Kriegskosten), ist eine „rohe Idee" und „definitiv beseitigt". Die
Gefahren, welche das Papiergeld gebracht hat, fährt L. Stein fort (soll heißen,
das Unheil, welches sein Mißbrauch angerichtet), sind durch das Ueberschreiten
der Steuerfundationsgreuze entstanden, und durch den Irrthum, daß man diese
Grenze durch den Zwangscurs ersetzen könne. Man war daher genöthigt,
die Masse der Scheine in Banknoten zu convertiren, ihnen dadurch die Bant-
fundation und. weil die Bank mehr Noten ausgeben mußte, als sie für ihre
Geschäfte brauchte, auch noch die Steuerfundation zu geben. Die Bank genießt
die Zinsen für ihre dem Staate geliehenen Noten. Daher der hohe Curs ihrer
Actien und die fetten Dividenden. Will der Staat den Nutzen für sich, so
muß er, neben der Note, den Kassenschein mit Steuerfundation herstellen. —
Man lese die betreffenden Stellen S. 149—50, 475, 502 u. f.. und überzeuge
sich, daß wir nicht entstellen. — An der ganzen Ausführung — wir schweigen
von dem erheiternden Vorschlag, das Papier als Mausefalle für das Silber
der Steuerpflichtigen zu benutzen, und das eingefangene Silber als gebildeten
Staatsschatz zu bezeichnen — ist nur das richtig, daß der Gebrauch des Papier¬
geldes in müßigen Grenzen nicht zu verwerfen ist. Aber es gehört dazu un¬
bedingt die Einlösbarkeit. Dazu hat sich Oestreich in dem Münzvertrage von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/123>, abgerufen am 04.07.2024.