Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

productiven und unpro ductiv en Ausgaben beruht mich L. Stein "in der
That nur auf einer unklaren Verwechselung der Begriffe (S. 32. 33)." Sehr
klar ist uns. was L. Stein damit sagen will. Die Ausgaben des Staates
sollen prodnctiv sein, folglich sind sie es. Daran zu zweifeln gestattet die
"Wissenschaft" Niemandem, am wenigsten dem Finanzbeflissenen. So läßt sich
die Hegel'sche Philosophie für die Finanzen ack usum Oölplrim verwenden.
Wie unschuldig erscheinen dagegen selbst Russen, wie der Finanzminister Graf
Cancrin, der in seinem nachgelassenen Werke über die Finanzen sagt: "Wenn
die menschliche Gesellschaft eine Naturnothwendigkeit ist, so folgt daraus die
gleiche Nothwendigkeit einer Regierung; diese aber muß leben, wie der Ein¬
zelne leben muß, und sie kaun es nur auf zwei Arten, durch eigenen Besitz
oder durch Abgaben. . . . Die Finanzen sind ein großes stehendes Uebel für
die Gesellschaft, nicht weil sie sein müssen, sondern wegen ihrer natürlichen
UnVollkommenheit und weil sie die freie Bewegung der Gesellschaft fast auf
jedem Schritte beschweren. " Diese Sprache versteht jeder Mensch, sie ist durch¬
aus unwissenschaftlich.

Mit Ehrfurcht und Grauen vor dem Staate, tief durchdrungen von dem
Gefühle der Pflicht, die Steuern zu bezahlen, wenn sie auch nicht bewilligt
sind, und von der Ueberzeugung, daß die Ausgaben, je größer sie sind, desto
reichere Früchte bringen müssen: so vorbereitet, gelangt der Leser zu dem drit¬
ten, eigentlichen Theile des Buches -- dem Finanzwesen und der Finanz¬
wissenschaft, wo ihm nochmals eingeschärft wird, daß das System, der Aus¬
gangspunkt der Wissenschaft, einfach bei den Einnahmen und ihren Quellen
stehen bleibt. Wir bitten auf S. 101 nachzulesen, daß L. Stein die Arten
des Staatseinkommens seine Quellen nennt, und dann wieder unter den
Quellen die wirthschaftlichen Grundverhältnisse versteht, welche dem Staate
seine Einnahmen geben. Wir bitten ferner um die Erlaubniß, den Abschnitt
über den Organismus des Finanzwesens übergehen und aus den drei großen
Gruppen der Finanzquellen, Staatsgut, Steuern und Credit nur solche Zweige
auslesen zu dürfen, welche die Art und Tendenz der wissenschaftlichen Auf¬
fassung und Behandlung des Stoffes anschaulich machen. Zu diesem Zwecke
verweilen wir zunächst bei dem Regal, welches der Verfasser (S. 136) als
das wirthschaftliche Hoheitsrecht des Staats näher bestimmt, nachdem
er doch schon eben dieses Recht (S. 16) als ein absolutes und als erstes Prin¬
cip der Staatswirthschaft hingestellt hatte. Als Regalien erkennt der Ver¬
fasser das Post- und Telegraphen-, Münz- und Zettel- und das Glück sy i el-
regal, und diese erscheinen ihm als absolute und allgemeine Bedingungen
der V olkswo h lfa h re! Die Lotterie empfiehlt er zwar nicht, aber sie zu be¬
seitigen ist nicht Sache der Finanzen, und wenn die Polizei einmal durch
die Finger sieht, so kann das Glückspiel nur als Regal bestehen, weil es für


productiven und unpro ductiv en Ausgaben beruht mich L. Stein „in der
That nur auf einer unklaren Verwechselung der Begriffe (S. 32. 33)." Sehr
klar ist uns. was L. Stein damit sagen will. Die Ausgaben des Staates
sollen prodnctiv sein, folglich sind sie es. Daran zu zweifeln gestattet die
„Wissenschaft" Niemandem, am wenigsten dem Finanzbeflissenen. So läßt sich
die Hegel'sche Philosophie für die Finanzen ack usum Oölplrim verwenden.
Wie unschuldig erscheinen dagegen selbst Russen, wie der Finanzminister Graf
Cancrin, der in seinem nachgelassenen Werke über die Finanzen sagt: „Wenn
die menschliche Gesellschaft eine Naturnothwendigkeit ist, so folgt daraus die
gleiche Nothwendigkeit einer Regierung; diese aber muß leben, wie der Ein¬
zelne leben muß, und sie kaun es nur auf zwei Arten, durch eigenen Besitz
oder durch Abgaben. . . . Die Finanzen sind ein großes stehendes Uebel für
die Gesellschaft, nicht weil sie sein müssen, sondern wegen ihrer natürlichen
UnVollkommenheit und weil sie die freie Bewegung der Gesellschaft fast auf
jedem Schritte beschweren. " Diese Sprache versteht jeder Mensch, sie ist durch¬
aus unwissenschaftlich.

Mit Ehrfurcht und Grauen vor dem Staate, tief durchdrungen von dem
Gefühle der Pflicht, die Steuern zu bezahlen, wenn sie auch nicht bewilligt
sind, und von der Ueberzeugung, daß die Ausgaben, je größer sie sind, desto
reichere Früchte bringen müssen: so vorbereitet, gelangt der Leser zu dem drit¬
ten, eigentlichen Theile des Buches — dem Finanzwesen und der Finanz¬
wissenschaft, wo ihm nochmals eingeschärft wird, daß das System, der Aus¬
gangspunkt der Wissenschaft, einfach bei den Einnahmen und ihren Quellen
stehen bleibt. Wir bitten auf S. 101 nachzulesen, daß L. Stein die Arten
des Staatseinkommens seine Quellen nennt, und dann wieder unter den
Quellen die wirthschaftlichen Grundverhältnisse versteht, welche dem Staate
seine Einnahmen geben. Wir bitten ferner um die Erlaubniß, den Abschnitt
über den Organismus des Finanzwesens übergehen und aus den drei großen
Gruppen der Finanzquellen, Staatsgut, Steuern und Credit nur solche Zweige
auslesen zu dürfen, welche die Art und Tendenz der wissenschaftlichen Auf¬
fassung und Behandlung des Stoffes anschaulich machen. Zu diesem Zwecke
verweilen wir zunächst bei dem Regal, welches der Verfasser (S. 136) als
das wirthschaftliche Hoheitsrecht des Staats näher bestimmt, nachdem
er doch schon eben dieses Recht (S. 16) als ein absolutes und als erstes Prin¬
cip der Staatswirthschaft hingestellt hatte. Als Regalien erkennt der Ver¬
fasser das Post- und Telegraphen-, Münz- und Zettel- und das Glück sy i el-
regal, und diese erscheinen ihm als absolute und allgemeine Bedingungen
der V olkswo h lfa h re! Die Lotterie empfiehlt er zwar nicht, aber sie zu be¬
seitigen ist nicht Sache der Finanzen, und wenn die Polizei einmal durch
die Finger sieht, so kann das Glückspiel nur als Regal bestehen, weil es für


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109928"/>
          <p xml:id="ID_307" prev="#ID_306"> productiven und unpro ductiv en Ausgaben beruht mich L. Stein &#x201E;in der<lb/>
That nur auf einer unklaren Verwechselung der Begriffe (S. 32. 33)." Sehr<lb/>
klar ist uns. was L. Stein damit sagen will. Die Ausgaben des Staates<lb/>
sollen prodnctiv sein, folglich sind sie es. Daran zu zweifeln gestattet die<lb/>
&#x201E;Wissenschaft" Niemandem, am wenigsten dem Finanzbeflissenen. So läßt sich<lb/>
die Hegel'sche Philosophie für die Finanzen ack usum Oölplrim verwenden.<lb/>
Wie unschuldig erscheinen dagegen selbst Russen, wie der Finanzminister Graf<lb/>
Cancrin, der in seinem nachgelassenen Werke über die Finanzen sagt: &#x201E;Wenn<lb/>
die menschliche Gesellschaft eine Naturnothwendigkeit ist, so folgt daraus die<lb/>
gleiche Nothwendigkeit einer Regierung; diese aber muß leben, wie der Ein¬<lb/>
zelne leben muß, und sie kaun es nur auf zwei Arten, durch eigenen Besitz<lb/>
oder durch Abgaben. . . . Die Finanzen sind ein großes stehendes Uebel für<lb/>
die Gesellschaft, nicht weil sie sein müssen, sondern wegen ihrer natürlichen<lb/>
UnVollkommenheit und weil sie die freie Bewegung der Gesellschaft fast auf<lb/>
jedem Schritte beschweren. " Diese Sprache versteht jeder Mensch, sie ist durch¬<lb/>
aus unwissenschaftlich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_308" next="#ID_309"> Mit Ehrfurcht und Grauen vor dem Staate, tief durchdrungen von dem<lb/>
Gefühle der Pflicht, die Steuern zu bezahlen, wenn sie auch nicht bewilligt<lb/>
sind, und von der Ueberzeugung, daß die Ausgaben, je größer sie sind, desto<lb/>
reichere Früchte bringen müssen: so vorbereitet, gelangt der Leser zu dem drit¬<lb/>
ten, eigentlichen Theile des Buches &#x2014; dem Finanzwesen und der Finanz¬<lb/>
wissenschaft, wo ihm nochmals eingeschärft wird, daß das System, der Aus¬<lb/>
gangspunkt der Wissenschaft, einfach bei den Einnahmen und ihren Quellen<lb/>
stehen bleibt. Wir bitten auf S. 101 nachzulesen, daß L. Stein die Arten<lb/>
des Staatseinkommens seine Quellen nennt, und dann wieder unter den<lb/>
Quellen die wirthschaftlichen Grundverhältnisse versteht, welche dem Staate<lb/>
seine Einnahmen geben. Wir bitten ferner um die Erlaubniß, den Abschnitt<lb/>
über den Organismus des Finanzwesens übergehen und aus den drei großen<lb/>
Gruppen der Finanzquellen, Staatsgut, Steuern und Credit nur solche Zweige<lb/>
auslesen zu dürfen, welche die Art und Tendenz der wissenschaftlichen Auf¬<lb/>
fassung und Behandlung des Stoffes anschaulich machen. Zu diesem Zwecke<lb/>
verweilen wir zunächst bei dem Regal, welches der Verfasser (S. 136) als<lb/>
das wirthschaftliche Hoheitsrecht des Staats näher bestimmt, nachdem<lb/>
er doch schon eben dieses Recht (S. 16) als ein absolutes und als erstes Prin¬<lb/>
cip der Staatswirthschaft hingestellt hatte. Als Regalien erkennt der Ver¬<lb/>
fasser das Post- und Telegraphen-, Münz- und Zettel- und das Glück sy i el-<lb/>
regal, und diese erscheinen ihm als absolute und allgemeine Bedingungen<lb/>
der V olkswo h lfa h re! Die Lotterie empfiehlt er zwar nicht, aber sie zu be¬<lb/>
seitigen ist nicht Sache der Finanzen, und wenn die Polizei einmal durch<lb/>
die Finger sieht, so kann das Glückspiel nur als Regal bestehen, weil es für</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0122] productiven und unpro ductiv en Ausgaben beruht mich L. Stein „in der That nur auf einer unklaren Verwechselung der Begriffe (S. 32. 33)." Sehr klar ist uns. was L. Stein damit sagen will. Die Ausgaben des Staates sollen prodnctiv sein, folglich sind sie es. Daran zu zweifeln gestattet die „Wissenschaft" Niemandem, am wenigsten dem Finanzbeflissenen. So läßt sich die Hegel'sche Philosophie für die Finanzen ack usum Oölplrim verwenden. Wie unschuldig erscheinen dagegen selbst Russen, wie der Finanzminister Graf Cancrin, der in seinem nachgelassenen Werke über die Finanzen sagt: „Wenn die menschliche Gesellschaft eine Naturnothwendigkeit ist, so folgt daraus die gleiche Nothwendigkeit einer Regierung; diese aber muß leben, wie der Ein¬ zelne leben muß, und sie kaun es nur auf zwei Arten, durch eigenen Besitz oder durch Abgaben. . . . Die Finanzen sind ein großes stehendes Uebel für die Gesellschaft, nicht weil sie sein müssen, sondern wegen ihrer natürlichen UnVollkommenheit und weil sie die freie Bewegung der Gesellschaft fast auf jedem Schritte beschweren. " Diese Sprache versteht jeder Mensch, sie ist durch¬ aus unwissenschaftlich. Mit Ehrfurcht und Grauen vor dem Staate, tief durchdrungen von dem Gefühle der Pflicht, die Steuern zu bezahlen, wenn sie auch nicht bewilligt sind, und von der Ueberzeugung, daß die Ausgaben, je größer sie sind, desto reichere Früchte bringen müssen: so vorbereitet, gelangt der Leser zu dem drit¬ ten, eigentlichen Theile des Buches — dem Finanzwesen und der Finanz¬ wissenschaft, wo ihm nochmals eingeschärft wird, daß das System, der Aus¬ gangspunkt der Wissenschaft, einfach bei den Einnahmen und ihren Quellen stehen bleibt. Wir bitten auf S. 101 nachzulesen, daß L. Stein die Arten des Staatseinkommens seine Quellen nennt, und dann wieder unter den Quellen die wirthschaftlichen Grundverhältnisse versteht, welche dem Staate seine Einnahmen geben. Wir bitten ferner um die Erlaubniß, den Abschnitt über den Organismus des Finanzwesens übergehen und aus den drei großen Gruppen der Finanzquellen, Staatsgut, Steuern und Credit nur solche Zweige auslesen zu dürfen, welche die Art und Tendenz der wissenschaftlichen Auf¬ fassung und Behandlung des Stoffes anschaulich machen. Zu diesem Zwecke verweilen wir zunächst bei dem Regal, welches der Verfasser (S. 136) als das wirthschaftliche Hoheitsrecht des Staats näher bestimmt, nachdem er doch schon eben dieses Recht (S. 16) als ein absolutes und als erstes Prin¬ cip der Staatswirthschaft hingestellt hatte. Als Regalien erkennt der Ver¬ fasser das Post- und Telegraphen-, Münz- und Zettel- und das Glück sy i el- regal, und diese erscheinen ihm als absolute und allgemeine Bedingungen der V olkswo h lfa h re! Die Lotterie empfiehlt er zwar nicht, aber sie zu be¬ seitigen ist nicht Sache der Finanzen, und wenn die Polizei einmal durch die Finger sieht, so kann das Glückspiel nur als Regal bestehen, weil es für

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/122
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/122>, abgerufen am 04.07.2024.