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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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1857 verpflichtet, bekanntlich aber sich von dieser Verbindlichkeit losgesagt.
Wegen der Gefahren des Mißbrauchs haben fast alle größeren Staaten aus
den Gebrauch des Papiergelds verzichtet, Oestreich schon zweimal und zwar
jedesmal aus ewige Zeiten, hat aber dessen ungeachtet noch hundert Millionen
im Umlauf. Der Gebrauch der Banknote als Staatspapiergeld ist ebenfalls
ein Mißbrauch, dessen Abstellung die Vorbedingung sür ein besseres Geldwesen
in Oestreich ist. L. Stein sagt, die Banknote sei doppelt fundirt, wäh¬
rend sie einfach nicht eingelöst wird. Daß deshalb das östreichische Geld ent-
werthet ist, davon schweigt L. Stein, und begnügt sich, der Verwaltung die
Aufgabe zu stellen, für einen guten und festen Curs des Papiergelds zu sorgen.
Wahrlich eine solche Profanation der Wissenschaft zur Beschönigung einer ver¬
rotteten Wirthschaft übersteigt alles Maß! Auch Gentz hat die östreichischen
Finanzoperationen von 1811 bis 1821 in Schutz genommen, aber er that es
von dem Gesichtspunkte der Nothwendigkeit der Lage, welche zu dem Papier¬
geld als einem Nothbehelfe geführt hatten, nachdem die Mittel für lange und
schwere Kriege weder durch Steuern, noch durch Anleihen länger herbeigeschafft
werden konnten. Die Verluste, welche an dem entwertheten Papiergelde durch
die Reihenfolge der Inhaber erlitten wurden, sind ihm eine indirecte Steuer
für die Bedürfnisse des Kriegs. Das Zurückziehen zu einem Theile des Nenn-
wcrthes ist ihm eine Nothwendigkeit für den Staat, um aus einer großen
Krise, aus einer heillosen Verwirrung des Geldwesens endlich selbst mit den
schwersten Opfern, herauszukommen. Gentz warnt vor der Steinschen Theorie,
das entwerthete Papiergeld wie eine regelmüßige Schuld zu betrachten, und
protestirt gegen die "wissenschaftliche" Behandlung der Papicrgeldfrage in Steins
Manier. "Li'est uns question que eliMue Aouvei-neuent äoit traiter rion
xg,8 ä'axre's Zeh xrineixes adstraits alone l'avMeatiou xeut eoncluire aux
plus äangereuses erreurs, mais ä'apres ach donnees positives et xratiyues
(Schriften von Fr. v. Gentz III 300--366, V, 52--72).

Von den Regalien unterscheidet L. Stein die Monopole, so weit sie als
Mittel zur Erhebung einer Verbrauchsteuer dienen. Alle übrigen Gesichtspunkte
werden in die Nationalökonomie, die Verwaltungs- und Polizeilehre verwiesen;
als angemessene Objecte werden Salz und Tabak erkannt. Für das Salz
läßt er zur Noth auch noch eine andere Form der Verbrauchsteuer zu. aber
"der Tabak fordert unbedingt das Monopol als einzige ratio¬
nelle Steuererhebungsform" S. 373, und zwar das Monopol der Pro-
duction, der Fabrikation und des Verkaufs. So ist es in Oestreich.

Mehr als die Darstellung des Steuerwcsens interessirt uns der letzte Ab¬
schnitt über den Staatscredit, welchen der Verfasser nicht etwa als ein außer¬
ordentliches Element, sondern als regelmäßigen, organischen Theil der Staats¬
wirthschaft betrachtet, behandelt und nicht mit den Staatsschulden verwechselt


1857 verpflichtet, bekanntlich aber sich von dieser Verbindlichkeit losgesagt.
Wegen der Gefahren des Mißbrauchs haben fast alle größeren Staaten aus
den Gebrauch des Papiergelds verzichtet, Oestreich schon zweimal und zwar
jedesmal aus ewige Zeiten, hat aber dessen ungeachtet noch hundert Millionen
im Umlauf. Der Gebrauch der Banknote als Staatspapiergeld ist ebenfalls
ein Mißbrauch, dessen Abstellung die Vorbedingung sür ein besseres Geldwesen
in Oestreich ist. L. Stein sagt, die Banknote sei doppelt fundirt, wäh¬
rend sie einfach nicht eingelöst wird. Daß deshalb das östreichische Geld ent-
werthet ist, davon schweigt L. Stein, und begnügt sich, der Verwaltung die
Aufgabe zu stellen, für einen guten und festen Curs des Papiergelds zu sorgen.
Wahrlich eine solche Profanation der Wissenschaft zur Beschönigung einer ver¬
rotteten Wirthschaft übersteigt alles Maß! Auch Gentz hat die östreichischen
Finanzoperationen von 1811 bis 1821 in Schutz genommen, aber er that es
von dem Gesichtspunkte der Nothwendigkeit der Lage, welche zu dem Papier¬
geld als einem Nothbehelfe geführt hatten, nachdem die Mittel für lange und
schwere Kriege weder durch Steuern, noch durch Anleihen länger herbeigeschafft
werden konnten. Die Verluste, welche an dem entwertheten Papiergelde durch
die Reihenfolge der Inhaber erlitten wurden, sind ihm eine indirecte Steuer
für die Bedürfnisse des Kriegs. Das Zurückziehen zu einem Theile des Nenn-
wcrthes ist ihm eine Nothwendigkeit für den Staat, um aus einer großen
Krise, aus einer heillosen Verwirrung des Geldwesens endlich selbst mit den
schwersten Opfern, herauszukommen. Gentz warnt vor der Steinschen Theorie,
das entwerthete Papiergeld wie eine regelmüßige Schuld zu betrachten, und
protestirt gegen die „wissenschaftliche" Behandlung der Papicrgeldfrage in Steins
Manier. „Li'est uns question que eliMue Aouvei-neuent äoit traiter rion
xg,8 ä'axre's Zeh xrineixes adstraits alone l'avMeatiou xeut eoncluire aux
plus äangereuses erreurs, mais ä'apres ach donnees positives et xratiyues
(Schriften von Fr. v. Gentz III 300—366, V, 52—72).

Von den Regalien unterscheidet L. Stein die Monopole, so weit sie als
Mittel zur Erhebung einer Verbrauchsteuer dienen. Alle übrigen Gesichtspunkte
werden in die Nationalökonomie, die Verwaltungs- und Polizeilehre verwiesen;
als angemessene Objecte werden Salz und Tabak erkannt. Für das Salz
läßt er zur Noth auch noch eine andere Form der Verbrauchsteuer zu. aber
„der Tabak fordert unbedingt das Monopol als einzige ratio¬
nelle Steuererhebungsform" S. 373, und zwar das Monopol der Pro-
duction, der Fabrikation und des Verkaufs. So ist es in Oestreich.

Mehr als die Darstellung des Steuerwcsens interessirt uns der letzte Ab¬
schnitt über den Staatscredit, welchen der Verfasser nicht etwa als ein außer¬
ordentliches Element, sondern als regelmäßigen, organischen Theil der Staats¬
wirthschaft betrachtet, behandelt und nicht mit den Staatsschulden verwechselt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/124>, abgerufen am 04.07.2024.