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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Die Oestreicher. waren in Oberitalien nicht mit Vorliebe, aber auch ohne
Widerwillen aufgenommen, die mailändisch-mantuanische Besitzung hatte vor
1796 außerhalb des eigentlichen Neichsverbandes gestanden, so waren die un-
liebenswürdigen Seiten des wiener Regierungssystems fremd geblieben und
die Verwaltung des aufgeklarten Grafen Firmian. stand noch in gutem An¬
denken. Durch die Erwerbung Venedigs und der früher nicht östreichischen
lombardischen Landstriche war das neue Königreich mit dem Reiche geogra¬
phisch ebenso verbunden wie Böhmen oder Ungarn. Je verschiedner nun dies
Kronland von den andern war, desto mehr bedürfte es einer seinen Eigenthüm¬
lichkeiten entsprechenden Regierung. Unter dem Königreich Italien waren zu¬
erst nationale Regungen erwacht. Wenn auch Napoleon despotisch darein fuhr
und Eugen schrieb, er habe in seinem kleinen Finger mehr Verstand von den
italienischen Dingen als alle Italiener zusammen, so schuf er doch Jnstituno-
ncn, welche zum erstenmal das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit gaben.
Es bestand eine italienische Armee; öffentliche Bauten, Vereinfachung des
Ncchtswesens, Organisation der Civilverwaltung hatten große Fortschritte ge¬
macht. In Wien aber begriff man nicht, daß nur eine Fortbildung dieser
Verwaltung durch Verleihung von municipalen und provinciellen Freiheiten
die östreichische Herrschaft befestigen könne, der vicekönigliche Hof des Erzher¬
zogs Rainer blieb ein Schatten, die Provincialcongregationen waren ohne alle
Bedeutung, thatsächlich ward alles von den Wiener Hofstellen abhängig, die
Anhänger napoleonischer Institutionen wurden von dem Metternichschen Poli¬
zeiregiment verfolgt, welches alles erbitterte, indem es in jede Ader des öffent¬
lichen und privaten Lebens eindrang und so auch Oestreichs unleugbare Ver¬
dienste, wie z, B. im Erziehungswesen, den Italienern vergällte. Diese Unter¬
drückung aller nationalen Elemente, ihr Kampf gegen diese Unterdrückung
bilden die Geschichte der Lombardei bis zum Ausbruch des großen Aufstan¬
des von 1848. Modenci und Parma kamen als selbständige Staaten nur
formell in Betracht, sie folgen als Trabanten dem östreichischen Sterne wie
sie noch im letzten Jahre bewiesen, übrigens war das Regiment von Marie
Louise in Parma em wohlwollendes, und so verziehen ihr die Italiener, daß
der von Kaiser Franz ihr bestellte Regent. Graf Ncipperg, auch ihr erklärter
Liebhaber war. Auch die Negierung Toscanas war im ganzen human, wenn
auch jeder politische Aufschwung durch den östreichischen Einfluß und die Po¬
lizei niedergehalten wurde. Fossombroni, der lange Jahre Minister war,
hatte sich vor allem die Austrocknung von Sümpfen und Canalisirung des
Landes zur Aufgabe gemacht, die Mobilisinmg des Grundeigenthums der im
Jahre 180 9 aufgelösten 300 geistlichen Korporationen wurde aufrecht erhalten
und dieselben durch eine Rente entschädigt, den klerikalen Zumuthungen gegen¬
über wurden im Wesentlichen die leopoldinischen Traditionen aufrecht erhalten,


Die Oestreicher. waren in Oberitalien nicht mit Vorliebe, aber auch ohne
Widerwillen aufgenommen, die mailändisch-mantuanische Besitzung hatte vor
1796 außerhalb des eigentlichen Neichsverbandes gestanden, so waren die un-
liebenswürdigen Seiten des wiener Regierungssystems fremd geblieben und
die Verwaltung des aufgeklarten Grafen Firmian. stand noch in gutem An¬
denken. Durch die Erwerbung Venedigs und der früher nicht östreichischen
lombardischen Landstriche war das neue Königreich mit dem Reiche geogra¬
phisch ebenso verbunden wie Böhmen oder Ungarn. Je verschiedner nun dies
Kronland von den andern war, desto mehr bedürfte es einer seinen Eigenthüm¬
lichkeiten entsprechenden Regierung. Unter dem Königreich Italien waren zu¬
erst nationale Regungen erwacht. Wenn auch Napoleon despotisch darein fuhr
und Eugen schrieb, er habe in seinem kleinen Finger mehr Verstand von den
italienischen Dingen als alle Italiener zusammen, so schuf er doch Jnstituno-
ncn, welche zum erstenmal das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit gaben.
Es bestand eine italienische Armee; öffentliche Bauten, Vereinfachung des
Ncchtswesens, Organisation der Civilverwaltung hatten große Fortschritte ge¬
macht. In Wien aber begriff man nicht, daß nur eine Fortbildung dieser
Verwaltung durch Verleihung von municipalen und provinciellen Freiheiten
die östreichische Herrschaft befestigen könne, der vicekönigliche Hof des Erzher¬
zogs Rainer blieb ein Schatten, die Provincialcongregationen waren ohne alle
Bedeutung, thatsächlich ward alles von den Wiener Hofstellen abhängig, die
Anhänger napoleonischer Institutionen wurden von dem Metternichschen Poli¬
zeiregiment verfolgt, welches alles erbitterte, indem es in jede Ader des öffent¬
lichen und privaten Lebens eindrang und so auch Oestreichs unleugbare Ver¬
dienste, wie z, B. im Erziehungswesen, den Italienern vergällte. Diese Unter¬
drückung aller nationalen Elemente, ihr Kampf gegen diese Unterdrückung
bilden die Geschichte der Lombardei bis zum Ausbruch des großen Aufstan¬
des von 1848. Modenci und Parma kamen als selbständige Staaten nur
formell in Betracht, sie folgen als Trabanten dem östreichischen Sterne wie
sie noch im letzten Jahre bewiesen, übrigens war das Regiment von Marie
Louise in Parma em wohlwollendes, und so verziehen ihr die Italiener, daß
der von Kaiser Franz ihr bestellte Regent. Graf Ncipperg, auch ihr erklärter
Liebhaber war. Auch die Negierung Toscanas war im ganzen human, wenn
auch jeder politische Aufschwung durch den östreichischen Einfluß und die Po¬
lizei niedergehalten wurde. Fossombroni, der lange Jahre Minister war,
hatte sich vor allem die Austrocknung von Sümpfen und Canalisirung des
Landes zur Aufgabe gemacht, die Mobilisinmg des Grundeigenthums der im
Jahre 180 9 aufgelösten 300 geistlichen Korporationen wurde aufrecht erhalten
und dieselben durch eine Rente entschädigt, den klerikalen Zumuthungen gegen¬
über wurden im Wesentlichen die leopoldinischen Traditionen aufrecht erhalten,


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[0114] Die Oestreicher. waren in Oberitalien nicht mit Vorliebe, aber auch ohne Widerwillen aufgenommen, die mailändisch-mantuanische Besitzung hatte vor 1796 außerhalb des eigentlichen Neichsverbandes gestanden, so waren die un- liebenswürdigen Seiten des wiener Regierungssystems fremd geblieben und die Verwaltung des aufgeklarten Grafen Firmian. stand noch in gutem An¬ denken. Durch die Erwerbung Venedigs und der früher nicht östreichischen lombardischen Landstriche war das neue Königreich mit dem Reiche geogra¬ phisch ebenso verbunden wie Böhmen oder Ungarn. Je verschiedner nun dies Kronland von den andern war, desto mehr bedürfte es einer seinen Eigenthüm¬ lichkeiten entsprechenden Regierung. Unter dem Königreich Italien waren zu¬ erst nationale Regungen erwacht. Wenn auch Napoleon despotisch darein fuhr und Eugen schrieb, er habe in seinem kleinen Finger mehr Verstand von den italienischen Dingen als alle Italiener zusammen, so schuf er doch Jnstituno- ncn, welche zum erstenmal das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit gaben. Es bestand eine italienische Armee; öffentliche Bauten, Vereinfachung des Ncchtswesens, Organisation der Civilverwaltung hatten große Fortschritte ge¬ macht. In Wien aber begriff man nicht, daß nur eine Fortbildung dieser Verwaltung durch Verleihung von municipalen und provinciellen Freiheiten die östreichische Herrschaft befestigen könne, der vicekönigliche Hof des Erzher¬ zogs Rainer blieb ein Schatten, die Provincialcongregationen waren ohne alle Bedeutung, thatsächlich ward alles von den Wiener Hofstellen abhängig, die Anhänger napoleonischer Institutionen wurden von dem Metternichschen Poli¬ zeiregiment verfolgt, welches alles erbitterte, indem es in jede Ader des öffent¬ lichen und privaten Lebens eindrang und so auch Oestreichs unleugbare Ver¬ dienste, wie z, B. im Erziehungswesen, den Italienern vergällte. Diese Unter¬ drückung aller nationalen Elemente, ihr Kampf gegen diese Unterdrückung bilden die Geschichte der Lombardei bis zum Ausbruch des großen Aufstan¬ des von 1848. Modenci und Parma kamen als selbständige Staaten nur formell in Betracht, sie folgen als Trabanten dem östreichischen Sterne wie sie noch im letzten Jahre bewiesen, übrigens war das Regiment von Marie Louise in Parma em wohlwollendes, und so verziehen ihr die Italiener, daß der von Kaiser Franz ihr bestellte Regent. Graf Ncipperg, auch ihr erklärter Liebhaber war. Auch die Negierung Toscanas war im ganzen human, wenn auch jeder politische Aufschwung durch den östreichischen Einfluß und die Po¬ lizei niedergehalten wurde. Fossombroni, der lange Jahre Minister war, hatte sich vor allem die Austrocknung von Sümpfen und Canalisirung des Landes zur Aufgabe gemacht, die Mobilisinmg des Grundeigenthums der im Jahre 180 9 aufgelösten 300 geistlichen Korporationen wurde aufrecht erhalten und dieselben durch eine Rente entschädigt, den klerikalen Zumuthungen gegen¬ über wurden im Wesentlichen die leopoldinischen Traditionen aufrecht erhalten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/114>, abgerufen am 25.07.2024.