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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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scheinlichkeiten unsere Zuflucht zu nehmen, Albertus Magcmns bat uns in
seinen Kommentaren über Aristoteles den größesten Theil der lateinischen
Ueberseßung desselben, wie sie damals im Gebrauch war, aufbewahrt. Wir
können sie noch heute vergleichen, und werden finden, das, griechische
Philosophie im dreizehnten Jahrhundert sehr wohl verstanden werden
konnte,

Dante, der. wir brauchen kaum daran zu erinnern, ein Zeitgenosse von
Bacon war, nennt Aristoteles den "Meister der Wissenden", Er gruppirt
um ihn herum Sokrates und Plato, Euklid, Ptolemäus und Grimms,
Seneca und dem Arabar Avicenna. Wenn wir den Araber Averrhves
und den Juden Maimonides hinzufügen, haben wir ungefähr die Zahl der
Philosophen, die damals im höchsten Ansehn standen. Und diese Heidcu-
gesellschaft, Griechen, Römer, Araber und Juden waren die Erklärer der heiligen
Schrift? Im neunzehnten Jahrhundert würde das auf christlichen Universitäten
schwerlich gelitten werden. Auch im dreizehnten Jahrhundert sah das die Kirche
nicht immer gerne. Wir finden z. B., daß Aristoteles in 50 Jahren viermal
von Rom aus auf der pariser Universität verboten wurde. Die Magistri Pa-
risii waren aber keine folgsamen Kinder. Hatte doch Aristoteles, dieser "xrin-
eepK Mlosoplwrum" lange vor den Aposteln an Alexander den Großen ge¬
schrieben: "der Glaube ist alt und von unseren Vätern her, daß Alles,
was da ist, von Gott und durch Gott ist. Denn die Welt ist nicht durch
sich "selbst und kann nicht bestehen ohne den Erlöser. . . . Gott ist wahrlich
und treulich der Erlöser von Allem, was ist, und der Schöpfer.." Wie
sollten christliche Magister einen solchen Weisen für unchristlich halten?
Und Plato, war er nicht allgemein, von Arabern und Christen, als ein
Prophet anerkannt? Waren nicht die besten Schriften von Paulus, wie man
damals nicht zweifelte, seine Briefe an Seneca? Damals glaubte man
an diese Briefe, die noch existiren müssen und die der Schreiber dieses nur
durch Unwohlsein verhindert ist aufzusuchen. Und dann, diese Magistri Parisii
wurden gelegentlich Päpste, die vom apostolische" Stuhle herab das Stu¬
dium der Heiden beförderten. War es unter solchen Umständen zu verwun¬
dern, daß Vincent von Beauvais, der, wie bekannt, Erzieher der Kinder Lud¬
wig des Heiligen war, in seiner Einleitung zum Speculum Majus ganz un¬
befangen sagt: "Es ist nicht gut, die heidnischen Dichter und Philosophen zu
schmähen, denn wer das thut, beschimpft die Apostel, die manches von diesen
Dichtern und Philosophen entlehnt haben." Er führt Stellen des Komikers
Menander und des Dichters Epimenides an. die sich bei Augustus Paulus
wörtlich wieder finden. Und die Kirchenväter wie Augustin und Hieronymus,
die doch am Ende das Christenthum erst ausgebaut haben, wo anders haben


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scheinlichkeiten unsere Zuflucht zu nehmen, Albertus Magcmns bat uns in
seinen Kommentaren über Aristoteles den größesten Theil der lateinischen
Ueberseßung desselben, wie sie damals im Gebrauch war, aufbewahrt. Wir
können sie noch heute vergleichen, und werden finden, das, griechische
Philosophie im dreizehnten Jahrhundert sehr wohl verstanden werden
konnte,

Dante, der. wir brauchen kaum daran zu erinnern, ein Zeitgenosse von
Bacon war, nennt Aristoteles den „Meister der Wissenden", Er gruppirt
um ihn herum Sokrates und Plato, Euklid, Ptolemäus und Grimms,
Seneca und dem Arabar Avicenna. Wenn wir den Araber Averrhves
und den Juden Maimonides hinzufügen, haben wir ungefähr die Zahl der
Philosophen, die damals im höchsten Ansehn standen. Und diese Heidcu-
gesellschaft, Griechen, Römer, Araber und Juden waren die Erklärer der heiligen
Schrift? Im neunzehnten Jahrhundert würde das auf christlichen Universitäten
schwerlich gelitten werden. Auch im dreizehnten Jahrhundert sah das die Kirche
nicht immer gerne. Wir finden z. B., daß Aristoteles in 50 Jahren viermal
von Rom aus auf der pariser Universität verboten wurde. Die Magistri Pa-
risii waren aber keine folgsamen Kinder. Hatte doch Aristoteles, dieser „xrin-
eepK Mlosoplwrum" lange vor den Aposteln an Alexander den Großen ge¬
schrieben: „der Glaube ist alt und von unseren Vätern her, daß Alles,
was da ist, von Gott und durch Gott ist. Denn die Welt ist nicht durch
sich «selbst und kann nicht bestehen ohne den Erlöser. . . . Gott ist wahrlich
und treulich der Erlöser von Allem, was ist, und der Schöpfer.." Wie
sollten christliche Magister einen solchen Weisen für unchristlich halten?
Und Plato, war er nicht allgemein, von Arabern und Christen, als ein
Prophet anerkannt? Waren nicht die besten Schriften von Paulus, wie man
damals nicht zweifelte, seine Briefe an Seneca? Damals glaubte man
an diese Briefe, die noch existiren müssen und die der Schreiber dieses nur
durch Unwohlsein verhindert ist aufzusuchen. Und dann, diese Magistri Parisii
wurden gelegentlich Päpste, die vom apostolische» Stuhle herab das Stu¬
dium der Heiden beförderten. War es unter solchen Umständen zu verwun¬
dern, daß Vincent von Beauvais, der, wie bekannt, Erzieher der Kinder Lud¬
wig des Heiligen war, in seiner Einleitung zum Speculum Majus ganz un¬
befangen sagt: „Es ist nicht gut, die heidnischen Dichter und Philosophen zu
schmähen, denn wer das thut, beschimpft die Apostel, die manches von diesen
Dichtern und Philosophen entlehnt haben." Er führt Stellen des Komikers
Menander und des Dichters Epimenides an. die sich bei Augustus Paulus
wörtlich wieder finden. Und die Kirchenväter wie Augustin und Hieronymus,
die doch am Ende das Christenthum erst ausgebaut haben, wo anders haben


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[0103] scheinlichkeiten unsere Zuflucht zu nehmen, Albertus Magcmns bat uns in seinen Kommentaren über Aristoteles den größesten Theil der lateinischen Ueberseßung desselben, wie sie damals im Gebrauch war, aufbewahrt. Wir können sie noch heute vergleichen, und werden finden, das, griechische Philosophie im dreizehnten Jahrhundert sehr wohl verstanden werden konnte, Dante, der. wir brauchen kaum daran zu erinnern, ein Zeitgenosse von Bacon war, nennt Aristoteles den „Meister der Wissenden", Er gruppirt um ihn herum Sokrates und Plato, Euklid, Ptolemäus und Grimms, Seneca und dem Arabar Avicenna. Wenn wir den Araber Averrhves und den Juden Maimonides hinzufügen, haben wir ungefähr die Zahl der Philosophen, die damals im höchsten Ansehn standen. Und diese Heidcu- gesellschaft, Griechen, Römer, Araber und Juden waren die Erklärer der heiligen Schrift? Im neunzehnten Jahrhundert würde das auf christlichen Universitäten schwerlich gelitten werden. Auch im dreizehnten Jahrhundert sah das die Kirche nicht immer gerne. Wir finden z. B., daß Aristoteles in 50 Jahren viermal von Rom aus auf der pariser Universität verboten wurde. Die Magistri Pa- risii waren aber keine folgsamen Kinder. Hatte doch Aristoteles, dieser „xrin- eepK Mlosoplwrum" lange vor den Aposteln an Alexander den Großen ge¬ schrieben: „der Glaube ist alt und von unseren Vätern her, daß Alles, was da ist, von Gott und durch Gott ist. Denn die Welt ist nicht durch sich «selbst und kann nicht bestehen ohne den Erlöser. . . . Gott ist wahrlich und treulich der Erlöser von Allem, was ist, und der Schöpfer.." Wie sollten christliche Magister einen solchen Weisen für unchristlich halten? Und Plato, war er nicht allgemein, von Arabern und Christen, als ein Prophet anerkannt? Waren nicht die besten Schriften von Paulus, wie man damals nicht zweifelte, seine Briefe an Seneca? Damals glaubte man an diese Briefe, die noch existiren müssen und die der Schreiber dieses nur durch Unwohlsein verhindert ist aufzusuchen. Und dann, diese Magistri Parisii wurden gelegentlich Päpste, die vom apostolische» Stuhle herab das Stu¬ dium der Heiden beförderten. War es unter solchen Umständen zu verwun¬ dern, daß Vincent von Beauvais, der, wie bekannt, Erzieher der Kinder Lud¬ wig des Heiligen war, in seiner Einleitung zum Speculum Majus ganz un¬ befangen sagt: „Es ist nicht gut, die heidnischen Dichter und Philosophen zu schmähen, denn wer das thut, beschimpft die Apostel, die manches von diesen Dichtern und Philosophen entlehnt haben." Er führt Stellen des Komikers Menander und des Dichters Epimenides an. die sich bei Augustus Paulus wörtlich wieder finden. Und die Kirchenväter wie Augustin und Hieronymus, die doch am Ende das Christenthum erst ausgebaut haben, wo anders haben 12*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/103>, abgerufen am 24.07.2024.