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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Kriegsfuße sein. Wie wäre dies auf die Dauer möglich bei der unerhörten
Zerrüttung seiner Finanzen? Es ist mir vollkommen gewiß, daß Oestreich Ve-
netien, auch wenn wir es ihm jetzt lassen, in kurzer Zeit verlieren oder auf¬
geben wird, -- auf welche Weise, das mag für jetzt dahingestellt bleiben und
ist auch fürs Erste gleichgiltig. Vielleicht kommt man auf den guten Gedanken,
es gegen eine tüchtige Entschädigung an Geld abzutreten. Die Finanznoth
kann leicht dazu führen, und es wäre ein unermeßlicher Vortheil für Oestreich.
Es könnte sein Heer um 100,000 Mann vermindern und außerdem seiner
darbenden Staatskasse einige hundert Millionen in Baarem zuwenden, -- viel¬
leicht das einzige Mittel, seinem zerstörten Credit wieder aufzuhelfen.

V. E. Ich gestehe, daß auch diese Ansichten viel sür sich haben, und
so mögen denn die Venetianer noch eine Weile unter dem Druck der Fremd¬
herrschaft seufzen, bis auch für sie der Tag der Erlösung kommt. Ich hoffe
und wünsche sehnlich, daß mir Gelegenheit geboten werde, ihn zu beschleunigen.
Bin ich König von Norditalien, so wird sich das bald finden!--- Aber
was Ew. Maj. von einem italienischen Bunde unter dem Vorsitze Sr.
Heiligkeit sagten, meinen Sie das im Ernste -- auch wenn Oestreich das Ve-
netianische behält, also Mitglied dieses Bundes würde?

N. Im Ernste? Ich habe schon gesagt, daß es blos eine Lockspeise
sein soll. Ich muß selbst lächeln, wenn ich mir deutlich vorstelle, welche Rolle
Sie, mein lieber Herr Bruder, in einem solchen Bunde spielen würden, inmitten
aller Ihrer politischen Gegner. Viktor Emanuel im Bunde mit Oestreich, mit
dem Papste, mit den wiedereingesetzten Fürsten Mittelitaliens, mit Neapel!
Es müßten interessante Diskussionen und Beschlüsse daraus entspringen, und
eine wunderliche Einigkeit und Einheit Italiens! -- Um ernsthaft über diesen
Punkt zu reden, so versteht sich von selbst, daß der Bund nicht ohne Ihre
freie Zustimmung zu Stande kommen kann, und ich traue Ihnen zu viel Weis¬
heit zu. um jemals diese Zustimmung zu geben. Als Lockspeise aber wird
der Vorschlag trefflich wirken; denn Oestreich muß sich denken, daß seine Stimme
in diesem Bunde stets siegreich sein wird, und daß auf diese Weise sein über¬
wiegender Einfluß auf die allgemeinen Angelegenheiten Italiens, weit entfernt
vernichtet oder beschränkt zu werden, an Kraft und Ausdehnung uoch unend¬
lich gewinnen würde. Denn er würde künftig anerkannt sein, auf einem
Bundesvertrage beruhen und ganz Italien treffen, Piemont mit eingeschlossen.

V. E. Der Plan eines solchen Bundes und namentlich die Voraus¬
setzung, daß ich darauf eingehen könnte, ist wirklich so absurd, daß Oestreich
sich schwerlich dadurch wird täuschen lassen!

N. Ich wiederhole, daß ich in dieser Hinsicht unbesorgt bin, zumal
wenn wir ihnen keine Zeit lassen, sich von der Bestürzung des Augenblicks
zu erholen. Ich vermuthe vielmehr, daß Franz Joseph und sein weiser Reck-


Kriegsfuße sein. Wie wäre dies auf die Dauer möglich bei der unerhörten
Zerrüttung seiner Finanzen? Es ist mir vollkommen gewiß, daß Oestreich Ve-
netien, auch wenn wir es ihm jetzt lassen, in kurzer Zeit verlieren oder auf¬
geben wird, — auf welche Weise, das mag für jetzt dahingestellt bleiben und
ist auch fürs Erste gleichgiltig. Vielleicht kommt man auf den guten Gedanken,
es gegen eine tüchtige Entschädigung an Geld abzutreten. Die Finanznoth
kann leicht dazu führen, und es wäre ein unermeßlicher Vortheil für Oestreich.
Es könnte sein Heer um 100,000 Mann vermindern und außerdem seiner
darbenden Staatskasse einige hundert Millionen in Baarem zuwenden, — viel¬
leicht das einzige Mittel, seinem zerstörten Credit wieder aufzuhelfen.

V. E. Ich gestehe, daß auch diese Ansichten viel sür sich haben, und
so mögen denn die Venetianer noch eine Weile unter dem Druck der Fremd¬
herrschaft seufzen, bis auch für sie der Tag der Erlösung kommt. Ich hoffe
und wünsche sehnlich, daß mir Gelegenheit geboten werde, ihn zu beschleunigen.
Bin ich König von Norditalien, so wird sich das bald finden!--- Aber
was Ew. Maj. von einem italienischen Bunde unter dem Vorsitze Sr.
Heiligkeit sagten, meinen Sie das im Ernste — auch wenn Oestreich das Ve-
netianische behält, also Mitglied dieses Bundes würde?

N. Im Ernste? Ich habe schon gesagt, daß es blos eine Lockspeise
sein soll. Ich muß selbst lächeln, wenn ich mir deutlich vorstelle, welche Rolle
Sie, mein lieber Herr Bruder, in einem solchen Bunde spielen würden, inmitten
aller Ihrer politischen Gegner. Viktor Emanuel im Bunde mit Oestreich, mit
dem Papste, mit den wiedereingesetzten Fürsten Mittelitaliens, mit Neapel!
Es müßten interessante Diskussionen und Beschlüsse daraus entspringen, und
eine wunderliche Einigkeit und Einheit Italiens! — Um ernsthaft über diesen
Punkt zu reden, so versteht sich von selbst, daß der Bund nicht ohne Ihre
freie Zustimmung zu Stande kommen kann, und ich traue Ihnen zu viel Weis¬
heit zu. um jemals diese Zustimmung zu geben. Als Lockspeise aber wird
der Vorschlag trefflich wirken; denn Oestreich muß sich denken, daß seine Stimme
in diesem Bunde stets siegreich sein wird, und daß auf diese Weise sein über¬
wiegender Einfluß auf die allgemeinen Angelegenheiten Italiens, weit entfernt
vernichtet oder beschränkt zu werden, an Kraft und Ausdehnung uoch unend¬
lich gewinnen würde. Denn er würde künftig anerkannt sein, auf einem
Bundesvertrage beruhen und ganz Italien treffen, Piemont mit eingeschlossen.

V. E. Der Plan eines solchen Bundes und namentlich die Voraus¬
setzung, daß ich darauf eingehen könnte, ist wirklich so absurd, daß Oestreich
sich schwerlich dadurch wird täuschen lassen!

N. Ich wiederhole, daß ich in dieser Hinsicht unbesorgt bin, zumal
wenn wir ihnen keine Zeit lassen, sich von der Bestürzung des Augenblicks
zu erholen. Ich vermuthe vielmehr, daß Franz Joseph und sein weiser Reck-


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[0264] Kriegsfuße sein. Wie wäre dies auf die Dauer möglich bei der unerhörten Zerrüttung seiner Finanzen? Es ist mir vollkommen gewiß, daß Oestreich Ve- netien, auch wenn wir es ihm jetzt lassen, in kurzer Zeit verlieren oder auf¬ geben wird, — auf welche Weise, das mag für jetzt dahingestellt bleiben und ist auch fürs Erste gleichgiltig. Vielleicht kommt man auf den guten Gedanken, es gegen eine tüchtige Entschädigung an Geld abzutreten. Die Finanznoth kann leicht dazu führen, und es wäre ein unermeßlicher Vortheil für Oestreich. Es könnte sein Heer um 100,000 Mann vermindern und außerdem seiner darbenden Staatskasse einige hundert Millionen in Baarem zuwenden, — viel¬ leicht das einzige Mittel, seinem zerstörten Credit wieder aufzuhelfen. V. E. Ich gestehe, daß auch diese Ansichten viel sür sich haben, und so mögen denn die Venetianer noch eine Weile unter dem Druck der Fremd¬ herrschaft seufzen, bis auch für sie der Tag der Erlösung kommt. Ich hoffe und wünsche sehnlich, daß mir Gelegenheit geboten werde, ihn zu beschleunigen. Bin ich König von Norditalien, so wird sich das bald finden!--- Aber was Ew. Maj. von einem italienischen Bunde unter dem Vorsitze Sr. Heiligkeit sagten, meinen Sie das im Ernste — auch wenn Oestreich das Ve- netianische behält, also Mitglied dieses Bundes würde? N. Im Ernste? Ich habe schon gesagt, daß es blos eine Lockspeise sein soll. Ich muß selbst lächeln, wenn ich mir deutlich vorstelle, welche Rolle Sie, mein lieber Herr Bruder, in einem solchen Bunde spielen würden, inmitten aller Ihrer politischen Gegner. Viktor Emanuel im Bunde mit Oestreich, mit dem Papste, mit den wiedereingesetzten Fürsten Mittelitaliens, mit Neapel! Es müßten interessante Diskussionen und Beschlüsse daraus entspringen, und eine wunderliche Einigkeit und Einheit Italiens! — Um ernsthaft über diesen Punkt zu reden, so versteht sich von selbst, daß der Bund nicht ohne Ihre freie Zustimmung zu Stande kommen kann, und ich traue Ihnen zu viel Weis¬ heit zu. um jemals diese Zustimmung zu geben. Als Lockspeise aber wird der Vorschlag trefflich wirken; denn Oestreich muß sich denken, daß seine Stimme in diesem Bunde stets siegreich sein wird, und daß auf diese Weise sein über¬ wiegender Einfluß auf die allgemeinen Angelegenheiten Italiens, weit entfernt vernichtet oder beschränkt zu werden, an Kraft und Ausdehnung uoch unend¬ lich gewinnen würde. Denn er würde künftig anerkannt sein, auf einem Bundesvertrage beruhen und ganz Italien treffen, Piemont mit eingeschlossen. V. E. Der Plan eines solchen Bundes und namentlich die Voraus¬ setzung, daß ich darauf eingehen könnte, ist wirklich so absurd, daß Oestreich sich schwerlich dadurch wird täuschen lassen! N. Ich wiederhole, daß ich in dieser Hinsicht unbesorgt bin, zumal wenn wir ihnen keine Zeit lassen, sich von der Bestürzung des Augenblicks zu erholen. Ich vermuthe vielmehr, daß Franz Joseph und sein weiser Reck-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/264>, abgerufen am 25.08.2024.