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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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abhängig macht, so habe ich weder eine Verpflichtung noch ein Recht, es zu
verhindern. Die Schuld trifft dann Niemanden als den Papst selbst, seine
schlechte Regierung und den Eigensinn, womit er bisher alle Vorschläge zu
zeitgemäßen Reformen zurückgewiesen hat. Viertens endlich dürfte es nicht
gar schwer halten, die Welt zu überzeugen, daß. wenn auch der Papst zur
Wahrung seiner hohen kirchlichen Würde und ihrer Unabhängigkeit zugleich
weltlicher Souverain sein muß. dieser Zweck eben so gut durch ein kleines
als durch ein großes Gebiet erreicht wird, -- ja weit besser dnrch ein kleines,
weil er dann um so weniger in die seiner geistlichen Stellung so unwürdigen
und so nachtheiligen Händel der weltlichen Politik verwickelt werden kann.

V. E. Auch diesen Gründen kann ich meinen vollen Beifall nicht ver¬
sagen. Aber wie groß wird der Schmerz und die Bestürzung Italiens sein,
wenn das Venetianische unter dem östreichischen Joche bleibt! Und zehnfach
unerträglich wird dieses Joch denen, die es tragen müssen, erscheinen, wenn
sie das übrige Italien davon befreit sehen.

N. Vergessen Ew. Maj. nicht, daß wir unter den jetzigen Umständen die
Abtretung des Venetianischen, zusammt der Lombardei, unmöglich verlangen
können. Eine solche Zumuthung würde als Uebermuth, als Unsinn erscheinen.
Wenn wir gute Gründe haben, jetzt den Frieden zu wünschen. -- und daß
wir sie haben, ist klar genug. -- so dürfen wir nicht Alles verlangen, was
uns etwa zugestanden werden müßte, wenn wir den Krieg, mit allen seinen
Opfern. Gefahren und Wechselfällen bis zu Ende siegreich durchgeführt hätten.
Aber Sie sehen ein. daß Oestreich diesen Besitz unmöglich auf irgend eine
längere Dauer wird behaupten können, sobald das übrige Italien dessen
Joch abgeworfen hat? Sie sagten mit Recht, daß dieses Joch alsdann den
Venetianern völlig unerträglich werden wird; sie werden daher, mit Eifer
jede Gelegenheit ergreifen, die nur die entfernteste Aussicht bietet, es abzu¬
schütteln, und an solchen Gelegenheiten wird es um so weniger fehlen, als
das übrige Italien die venetianischen Brüder nicht nur mit den heißesten
Wünschen, sondern auch mit Gut und Blut unterstützen wird. Ich werde zwar
Oestreich zur Bedingung machen, daß das Venetianische freisinnige Reformen
und eine nationale, ganz italienische Verwaltung erhalten soll. Allein man
wird diese Bedingung schon darum nicht erfüllen, weil man dasselbe Prinzip
auch aus die übrigen Nationalitäten, aus denen die östreichische Monarchie
besteht, anwenden müßte. Dies wäre freilich die gesündeste, die einzig rich¬
tige Politik für diese Monarchie; aber man hat in Wien zu wenig Einsicht
und zu viel Eigensinn. Diese Nichterfüllung wird die Unzufriedenheit, die
Verzweiflung der Venctinner aufs Höchste steigern. Um sie niederzuhalten
muß Oestreich fortwährend ein Heer von wenigstens 80,000 Mann blos
im Venetianischen haben, -- es wird in dieser Provinz stets auf dem
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abhängig macht, so habe ich weder eine Verpflichtung noch ein Recht, es zu
verhindern. Die Schuld trifft dann Niemanden als den Papst selbst, seine
schlechte Regierung und den Eigensinn, womit er bisher alle Vorschläge zu
zeitgemäßen Reformen zurückgewiesen hat. Viertens endlich dürfte es nicht
gar schwer halten, die Welt zu überzeugen, daß. wenn auch der Papst zur
Wahrung seiner hohen kirchlichen Würde und ihrer Unabhängigkeit zugleich
weltlicher Souverain sein muß. dieser Zweck eben so gut durch ein kleines
als durch ein großes Gebiet erreicht wird, — ja weit besser dnrch ein kleines,
weil er dann um so weniger in die seiner geistlichen Stellung so unwürdigen
und so nachtheiligen Händel der weltlichen Politik verwickelt werden kann.

V. E. Auch diesen Gründen kann ich meinen vollen Beifall nicht ver¬
sagen. Aber wie groß wird der Schmerz und die Bestürzung Italiens sein,
wenn das Venetianische unter dem östreichischen Joche bleibt! Und zehnfach
unerträglich wird dieses Joch denen, die es tragen müssen, erscheinen, wenn
sie das übrige Italien davon befreit sehen.

N. Vergessen Ew. Maj. nicht, daß wir unter den jetzigen Umständen die
Abtretung des Venetianischen, zusammt der Lombardei, unmöglich verlangen
können. Eine solche Zumuthung würde als Uebermuth, als Unsinn erscheinen.
Wenn wir gute Gründe haben, jetzt den Frieden zu wünschen. — und daß
wir sie haben, ist klar genug. — so dürfen wir nicht Alles verlangen, was
uns etwa zugestanden werden müßte, wenn wir den Krieg, mit allen seinen
Opfern. Gefahren und Wechselfällen bis zu Ende siegreich durchgeführt hätten.
Aber Sie sehen ein. daß Oestreich diesen Besitz unmöglich auf irgend eine
längere Dauer wird behaupten können, sobald das übrige Italien dessen
Joch abgeworfen hat? Sie sagten mit Recht, daß dieses Joch alsdann den
Venetianern völlig unerträglich werden wird; sie werden daher, mit Eifer
jede Gelegenheit ergreifen, die nur die entfernteste Aussicht bietet, es abzu¬
schütteln, und an solchen Gelegenheiten wird es um so weniger fehlen, als
das übrige Italien die venetianischen Brüder nicht nur mit den heißesten
Wünschen, sondern auch mit Gut und Blut unterstützen wird. Ich werde zwar
Oestreich zur Bedingung machen, daß das Venetianische freisinnige Reformen
und eine nationale, ganz italienische Verwaltung erhalten soll. Allein man
wird diese Bedingung schon darum nicht erfüllen, weil man dasselbe Prinzip
auch aus die übrigen Nationalitäten, aus denen die östreichische Monarchie
besteht, anwenden müßte. Dies wäre freilich die gesündeste, die einzig rich¬
tige Politik für diese Monarchie; aber man hat in Wien zu wenig Einsicht
und zu viel Eigensinn. Diese Nichterfüllung wird die Unzufriedenheit, die
Verzweiflung der Venctinner aufs Höchste steigern. Um sie niederzuhalten
muß Oestreich fortwährend ein Heer von wenigstens 80,000 Mann blos
im Venetianischen haben, — es wird in dieser Provinz stets auf dem
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/263>, abgerufen am 23.07.2024.