Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

barg sich einbilden werden, der französische Kaiser mache da einmal einen recht
unklugen Streich und stelle, ohne es zu wissen, sich selbst und seinem Verbün¬
deten eine Falle.

B. E. Möglich, sehr möglich! Aber nun bleibt noch ein Punkt. Wel¬
chen Einfluß soll der Stand der Dinge, der ans diesem Frieden hervorgehen
wird, auf unsere geheime Abrede in Betreff Savoyens haben, das erst nach
vollständiger Durchführung unseres Programmes an Frankreich abgetreten
werden sollte?

N. Diese Abrede bleibt unverändert, denn -- wie gesagt -- das
Programm wird früher oder später vollständig in Erfüllung gehen. Aber ich
gestehe, daß diese Abtretung überhaupt mich mit schweren Sorgen und Be¬
denklichkeiten erfüllt. Die Sache muß mit der höchsten Borsicht behandelt
werden. Auf der einen Seite ist es billig und natürlich, daß Frankreich sür
die großen Opfer an Blut und Geld, die es in diesem Kriege gebracht, eine
Vergütung erwartet, und Savoyen könnte gewiß nicht als ein übermäßiger
Ersatz gelten. Auch würden die Snvoyarden selbst, die ohnehin halbe Fran¬
zosen sind, dem Arrangement wol beistimmen. Allein auf der andern Seite
muß ich mich. Europa gegenüber, vor nichts so sehr hüten als vor Gebiets¬
vergrößerungen, -- sonst geht der Allarmschrei: "Seht die Napoleonische
Eroberungssucht!" wie ein Lauffeuer durch alle Länder und erweckt allgemeines
Mißtrauen, allgemeine Feindseligkeit gegen Frankreich, gegen meine Dynastie.
Auch verlöre dann die Hilfe, die ich Italien geleistet, in den Augen der Welt,
vielleicht in den Augen der Italiener selbst, den Charakter der Uneigennützig¬
st, der Großmuth, -- ein Ruhm. der mir mehr gilt und mehr nützt als die
Erwerbung eines kleinen Gebietes. Indessen, da doch Frankreichs Ansprüche
auf Schadloshaltung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, so läßt sich die
Sache vielleicht aus Umwegen allmälig durchführen, ohne großes Aufsehen zu
erregen. Wie wäre es, wenn ich Ihnen fürs Erste nnr eine tüchtige Rechnung
für Kriegskosten machte und zur Erfüllung Ihrer aus dein Frieden entspringen¬
den pekuniären Verbindlichkeiten gegen Oestreich einen Vorschuß leistete? Später
zeigt sich, daß die Bezahlung dieser Vorschüsse Ihren Finanzen zu schwer fällt,
und Sie treten mir dann im rechten Anzcnblick. Savoyen an Zahlungsstatt
ab. Aber damit dürfen wir nicht eilen. -- wir müssen warten bis dieser
Krieg etwas in den Hintergrund getreten, die italienischen Angelegenheiten
geordnet und auch die nöthigen Schritte zu einer Ausgleichung in Bezug auf
das Interesse der Schweiz in dieser Sache geschehen sind. Kommt Zeit, kommt
Rath.j

V. E. Ich bewundere mehr und mehr die Klugheit und Vorsicht Ew.
Maj. Doch kann ich mich der Besorgniß nicht erwehren, daß vielleicht die
Welt in diesem ganzen Plane, wenn er durchgeführt ist und seine Folgen sich


barg sich einbilden werden, der französische Kaiser mache da einmal einen recht
unklugen Streich und stelle, ohne es zu wissen, sich selbst und seinem Verbün¬
deten eine Falle.

B. E. Möglich, sehr möglich! Aber nun bleibt noch ein Punkt. Wel¬
chen Einfluß soll der Stand der Dinge, der ans diesem Frieden hervorgehen
wird, auf unsere geheime Abrede in Betreff Savoyens haben, das erst nach
vollständiger Durchführung unseres Programmes an Frankreich abgetreten
werden sollte?

N. Diese Abrede bleibt unverändert, denn — wie gesagt — das
Programm wird früher oder später vollständig in Erfüllung gehen. Aber ich
gestehe, daß diese Abtretung überhaupt mich mit schweren Sorgen und Be¬
denklichkeiten erfüllt. Die Sache muß mit der höchsten Borsicht behandelt
werden. Auf der einen Seite ist es billig und natürlich, daß Frankreich sür
die großen Opfer an Blut und Geld, die es in diesem Kriege gebracht, eine
Vergütung erwartet, und Savoyen könnte gewiß nicht als ein übermäßiger
Ersatz gelten. Auch würden die Snvoyarden selbst, die ohnehin halbe Fran¬
zosen sind, dem Arrangement wol beistimmen. Allein auf der andern Seite
muß ich mich. Europa gegenüber, vor nichts so sehr hüten als vor Gebiets¬
vergrößerungen, — sonst geht der Allarmschrei: „Seht die Napoleonische
Eroberungssucht!" wie ein Lauffeuer durch alle Länder und erweckt allgemeines
Mißtrauen, allgemeine Feindseligkeit gegen Frankreich, gegen meine Dynastie.
Auch verlöre dann die Hilfe, die ich Italien geleistet, in den Augen der Welt,
vielleicht in den Augen der Italiener selbst, den Charakter der Uneigennützig¬
st, der Großmuth, — ein Ruhm. der mir mehr gilt und mehr nützt als die
Erwerbung eines kleinen Gebietes. Indessen, da doch Frankreichs Ansprüche
auf Schadloshaltung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, so läßt sich die
Sache vielleicht aus Umwegen allmälig durchführen, ohne großes Aufsehen zu
erregen. Wie wäre es, wenn ich Ihnen fürs Erste nnr eine tüchtige Rechnung
für Kriegskosten machte und zur Erfüllung Ihrer aus dein Frieden entspringen¬
den pekuniären Verbindlichkeiten gegen Oestreich einen Vorschuß leistete? Später
zeigt sich, daß die Bezahlung dieser Vorschüsse Ihren Finanzen zu schwer fällt,
und Sie treten mir dann im rechten Anzcnblick. Savoyen an Zahlungsstatt
ab. Aber damit dürfen wir nicht eilen. — wir müssen warten bis dieser
Krieg etwas in den Hintergrund getreten, die italienischen Angelegenheiten
geordnet und auch die nöthigen Schritte zu einer Ausgleichung in Bezug auf
das Interesse der Schweiz in dieser Sache geschehen sind. Kommt Zeit, kommt
Rath.j

V. E. Ich bewundere mehr und mehr die Klugheit und Vorsicht Ew.
Maj. Doch kann ich mich der Besorgniß nicht erwehren, daß vielleicht die
Welt in diesem ganzen Plane, wenn er durchgeführt ist und seine Folgen sich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108987"/>
            <p xml:id="ID_744" prev="#ID_743"> barg sich einbilden werden, der französische Kaiser mache da einmal einen recht<lb/>
unklugen Streich und stelle, ohne es zu wissen, sich selbst und seinem Verbün¬<lb/>
deten eine Falle.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_745"> B. E. Möglich, sehr möglich! Aber nun bleibt noch ein Punkt. Wel¬<lb/>
chen Einfluß soll der Stand der Dinge, der ans diesem Frieden hervorgehen<lb/>
wird, auf unsere geheime Abrede in Betreff Savoyens haben, das erst nach<lb/>
vollständiger Durchführung unseres Programmes an Frankreich abgetreten<lb/>
werden sollte?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_746"> N. Diese Abrede bleibt unverändert, denn &#x2014; wie gesagt &#x2014; das<lb/>
Programm wird früher oder später vollständig in Erfüllung gehen. Aber ich<lb/>
gestehe, daß diese Abtretung überhaupt mich mit schweren Sorgen und Be¬<lb/>
denklichkeiten erfüllt. Die Sache muß mit der höchsten Borsicht behandelt<lb/>
werden. Auf der einen Seite ist es billig und natürlich, daß Frankreich sür<lb/>
die großen Opfer an Blut und Geld, die es in diesem Kriege gebracht, eine<lb/>
Vergütung erwartet, und Savoyen könnte gewiß nicht als ein übermäßiger<lb/>
Ersatz gelten. Auch würden die Snvoyarden selbst, die ohnehin halbe Fran¬<lb/>
zosen sind, dem Arrangement wol beistimmen. Allein auf der andern Seite<lb/>
muß ich mich. Europa gegenüber, vor nichts so sehr hüten als vor Gebiets¬<lb/>
vergrößerungen, &#x2014; sonst geht der Allarmschrei: &#x201E;Seht die Napoleonische<lb/>
Eroberungssucht!" wie ein Lauffeuer durch alle Länder und erweckt allgemeines<lb/>
Mißtrauen, allgemeine Feindseligkeit gegen Frankreich, gegen meine Dynastie.<lb/>
Auch verlöre dann die Hilfe, die ich Italien geleistet, in den Augen der Welt,<lb/>
vielleicht in den Augen der Italiener selbst, den Charakter der Uneigennützig¬<lb/>
st, der Großmuth, &#x2014; ein Ruhm. der mir mehr gilt und mehr nützt als die<lb/>
Erwerbung eines kleinen Gebietes. Indessen, da doch Frankreichs Ansprüche<lb/>
auf Schadloshaltung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, so läßt sich die<lb/>
Sache vielleicht aus Umwegen allmälig durchführen, ohne großes Aufsehen zu<lb/>
erregen. Wie wäre es, wenn ich Ihnen fürs Erste nnr eine tüchtige Rechnung<lb/>
für Kriegskosten machte und zur Erfüllung Ihrer aus dein Frieden entspringen¬<lb/>
den pekuniären Verbindlichkeiten gegen Oestreich einen Vorschuß leistete? Später<lb/>
zeigt sich, daß die Bezahlung dieser Vorschüsse Ihren Finanzen zu schwer fällt,<lb/>
und Sie treten mir dann im rechten Anzcnblick. Savoyen an Zahlungsstatt<lb/>
ab. Aber damit dürfen wir nicht eilen. &#x2014; wir müssen warten bis dieser<lb/>
Krieg etwas in den Hintergrund getreten, die italienischen Angelegenheiten<lb/>
geordnet und auch die nöthigen Schritte zu einer Ausgleichung in Bezug auf<lb/>
das Interesse der Schweiz in dieser Sache geschehen sind. Kommt Zeit, kommt<lb/>
Rath.j</p><lb/>
            <p xml:id="ID_747" next="#ID_748"> V. E. Ich bewundere mehr und mehr die Klugheit und Vorsicht Ew.<lb/>
Maj. Doch kann ich mich der Besorgniß nicht erwehren, daß vielleicht die<lb/>
Welt in diesem ganzen Plane, wenn er durchgeführt ist und seine Folgen sich</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] barg sich einbilden werden, der französische Kaiser mache da einmal einen recht unklugen Streich und stelle, ohne es zu wissen, sich selbst und seinem Verbün¬ deten eine Falle. B. E. Möglich, sehr möglich! Aber nun bleibt noch ein Punkt. Wel¬ chen Einfluß soll der Stand der Dinge, der ans diesem Frieden hervorgehen wird, auf unsere geheime Abrede in Betreff Savoyens haben, das erst nach vollständiger Durchführung unseres Programmes an Frankreich abgetreten werden sollte? N. Diese Abrede bleibt unverändert, denn — wie gesagt — das Programm wird früher oder später vollständig in Erfüllung gehen. Aber ich gestehe, daß diese Abtretung überhaupt mich mit schweren Sorgen und Be¬ denklichkeiten erfüllt. Die Sache muß mit der höchsten Borsicht behandelt werden. Auf der einen Seite ist es billig und natürlich, daß Frankreich sür die großen Opfer an Blut und Geld, die es in diesem Kriege gebracht, eine Vergütung erwartet, und Savoyen könnte gewiß nicht als ein übermäßiger Ersatz gelten. Auch würden die Snvoyarden selbst, die ohnehin halbe Fran¬ zosen sind, dem Arrangement wol beistimmen. Allein auf der andern Seite muß ich mich. Europa gegenüber, vor nichts so sehr hüten als vor Gebiets¬ vergrößerungen, — sonst geht der Allarmschrei: „Seht die Napoleonische Eroberungssucht!" wie ein Lauffeuer durch alle Länder und erweckt allgemeines Mißtrauen, allgemeine Feindseligkeit gegen Frankreich, gegen meine Dynastie. Auch verlöre dann die Hilfe, die ich Italien geleistet, in den Augen der Welt, vielleicht in den Augen der Italiener selbst, den Charakter der Uneigennützig¬ st, der Großmuth, — ein Ruhm. der mir mehr gilt und mehr nützt als die Erwerbung eines kleinen Gebietes. Indessen, da doch Frankreichs Ansprüche auf Schadloshaltung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, so läßt sich die Sache vielleicht aus Umwegen allmälig durchführen, ohne großes Aufsehen zu erregen. Wie wäre es, wenn ich Ihnen fürs Erste nnr eine tüchtige Rechnung für Kriegskosten machte und zur Erfüllung Ihrer aus dein Frieden entspringen¬ den pekuniären Verbindlichkeiten gegen Oestreich einen Vorschuß leistete? Später zeigt sich, daß die Bezahlung dieser Vorschüsse Ihren Finanzen zu schwer fällt, und Sie treten mir dann im rechten Anzcnblick. Savoyen an Zahlungsstatt ab. Aber damit dürfen wir nicht eilen. — wir müssen warten bis dieser Krieg etwas in den Hintergrund getreten, die italienischen Angelegenheiten geordnet und auch die nöthigen Schritte zu einer Ausgleichung in Bezug auf das Interesse der Schweiz in dieser Sache geschehen sind. Kommt Zeit, kommt Rath.j V. E. Ich bewundere mehr und mehr die Klugheit und Vorsicht Ew. Maj. Doch kann ich mich der Besorgniß nicht erwehren, daß vielleicht die Welt in diesem ganzen Plane, wenn er durchgeführt ist und seine Folgen sich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/265>, abgerufen am 23.07.2024.