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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Befehl, wenn jene sich auf dem schmalen Theil der Landzunge zeigen sollten,
so sollten nur drei Mann auf einmal feuern. Dies würde uns drei Salven
geben, und ich war überzeugt, daß mein Gewehr in der Vertheidigung des
engen Passes gute Dienste thun werde. Zwei Kosaken und ich wollten zu¬
erst schießen, dann Tschuckaboy und seine Kalmücken, dann die andern. Nach¬
dem dies allen,klar gemacht worden, warteten wir gelassen auf die Ankunft
des Feindes.

Es währte nicht lange, so hörten wir die Tritte von Pferden am Ufer,
aber es war zu dunkel, um irgend einen Gegenstand zu erkennen. Die Räuber
kamen langsam daher geritten und hielten plötzlich an der Landzunge. Mehre
sprachen sehr rasch, aber die Kirgisen konnten nicht hören, was sie sagten.
Ein Theil der Verfolger rückte dann auf der Landzunge vor und wir ver¬
nahmen, wie sie näher kamen. Sie erreichten endlich die schmale Stelle, wo
nicht mehr als drei Mann nebeneinander reiten konnten. Dies brachte sie
zum Stillstehen. Aus unserer Seite war jede Büchse bereit, aber wir konnten
keinen Menschen sehen. Sie standen da und sprachen, aber keiner wagte es,
hinüberzureiten. Jetzt war jedes Wort von ihnen deutlich zu hören, und
bald erkannten wir auch die Stimme von Kubaldos. Die Bande blieb an
dieser Stelle gegen zehn Minuten, dann gingen sie nach dem Ufer zurück und
ritten im Trabe nach Norden ab. Die Kirgisen erklärten uns jetzt, was sie
gehört. Kubaldos war sehr ärgerlich, daß wir entwischt, nannte uns Feig¬
linge und sagte seiner Bande, daß wir leicht gefangen werden könnten. Er
war überzeugt, daß wir nach dem Nordende des Sees gegangen seien und
daß er durch rasche Verfolgung uns bei Tagesanbruch erreichen und in die
Moräste jagen könne. Selbst wenn wir diese glücklich passirten, würde er
uns sicherlich wenigstens nach der Steppe treiben, von wo wir Sultan Sa-
becks Ani nicht unter drei Tagen erreichen könnten. In der Zwischenzeit
könnte man uns leicht abschneiden, da unsere Pferde wegen Wassermangel
entkräftet sein würden.

Die Kirgisen wünschten, daß wir so rasch als möglich nach Süden zu
aufbrachen, aber diesem Plan wollte keiner von meinen Leuten beistimmen.
Wir kamen endlich überein, mit Tagesgrauen wegznreiten, ohne vorher die
Pferde gefüttert und selbst gefrühstückt zu haben. Denn mit dem Anbruch
des Morgens würde Kubaldos sein Mißverständniß gewahr werden, und mit
müden Pferden wahrscheinlich vierzig Werst von uns entfernt sein. Wir hielten
aufmerksam Wache, wurden aber nicht wieder gestört, bis die Pferde zum
Satteln herbeigebracht waren. Dies geschah im Dunkeln, und als der erste
schwache Strahl des Morgenlichts im Osten sich zeigte, wurden die Pferde
über die Felsenzunge geführt. Wir wendeten uns jetzt nach Süden, indem
wir dem Seeufer folgten, und es war bald hell genug, daß wir die Spur


Befehl, wenn jene sich auf dem schmalen Theil der Landzunge zeigen sollten,
so sollten nur drei Mann auf einmal feuern. Dies würde uns drei Salven
geben, und ich war überzeugt, daß mein Gewehr in der Vertheidigung des
engen Passes gute Dienste thun werde. Zwei Kosaken und ich wollten zu¬
erst schießen, dann Tschuckaboy und seine Kalmücken, dann die andern. Nach¬
dem dies allen,klar gemacht worden, warteten wir gelassen auf die Ankunft
des Feindes.

Es währte nicht lange, so hörten wir die Tritte von Pferden am Ufer,
aber es war zu dunkel, um irgend einen Gegenstand zu erkennen. Die Räuber
kamen langsam daher geritten und hielten plötzlich an der Landzunge. Mehre
sprachen sehr rasch, aber die Kirgisen konnten nicht hören, was sie sagten.
Ein Theil der Verfolger rückte dann auf der Landzunge vor und wir ver¬
nahmen, wie sie näher kamen. Sie erreichten endlich die schmale Stelle, wo
nicht mehr als drei Mann nebeneinander reiten konnten. Dies brachte sie
zum Stillstehen. Aus unserer Seite war jede Büchse bereit, aber wir konnten
keinen Menschen sehen. Sie standen da und sprachen, aber keiner wagte es,
hinüberzureiten. Jetzt war jedes Wort von ihnen deutlich zu hören, und
bald erkannten wir auch die Stimme von Kubaldos. Die Bande blieb an
dieser Stelle gegen zehn Minuten, dann gingen sie nach dem Ufer zurück und
ritten im Trabe nach Norden ab. Die Kirgisen erklärten uns jetzt, was sie
gehört. Kubaldos war sehr ärgerlich, daß wir entwischt, nannte uns Feig¬
linge und sagte seiner Bande, daß wir leicht gefangen werden könnten. Er
war überzeugt, daß wir nach dem Nordende des Sees gegangen seien und
daß er durch rasche Verfolgung uns bei Tagesanbruch erreichen und in die
Moräste jagen könne. Selbst wenn wir diese glücklich passirten, würde er
uns sicherlich wenigstens nach der Steppe treiben, von wo wir Sultan Sa-
becks Ani nicht unter drei Tagen erreichen könnten. In der Zwischenzeit
könnte man uns leicht abschneiden, da unsere Pferde wegen Wassermangel
entkräftet sein würden.

Die Kirgisen wünschten, daß wir so rasch als möglich nach Süden zu
aufbrachen, aber diesem Plan wollte keiner von meinen Leuten beistimmen.
Wir kamen endlich überein, mit Tagesgrauen wegznreiten, ohne vorher die
Pferde gefüttert und selbst gefrühstückt zu haben. Denn mit dem Anbruch
des Morgens würde Kubaldos sein Mißverständniß gewahr werden, und mit
müden Pferden wahrscheinlich vierzig Werst von uns entfernt sein. Wir hielten
aufmerksam Wache, wurden aber nicht wieder gestört, bis die Pferde zum
Satteln herbeigebracht waren. Dies geschah im Dunkeln, und als der erste
schwache Strahl des Morgenlichts im Osten sich zeigte, wurden die Pferde
über die Felsenzunge geführt. Wir wendeten uns jetzt nach Süden, indem
wir dem Seeufer folgten, und es war bald hell genug, daß wir die Spur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/518>, abgerufen am 24.07.2024.