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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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unsrer Feinde erkennen konnten. Die Kirgisen meinten, es müßten vierzig bis
fünfzig Mann mit Kubaldos sein, welcher ohne Zweifel sicher war. daß er
mit dieser Uebcrmncht Sieger bleiben müßte. Nachdem wir das Ende des
Sees erreicht, folgten wir ihrer Spur und ritten durch eine schmale Furt.
Dies brachte uns auf die Ostseite, und wir gingen jetzt auf den Berg zu,
wo unsre Gegner gelauert, und zogen uns an seinem Fuß hin.

Das Tageslicht breitete sich jetzt rasch über Berg und Steppe aus und
gab dem Pflanzenwuchs um den See eine tiefe sammtgrüne Färbung. Wir
folgten noch immer der Spur unsrer Feinde und fanden jetzt, daß sie von
der andern Seite des Gebirgs gekommen waren. Der Rauch, den wir gesehen,
war von einem Feuer aufgestiegen, welches ihre Kundschafter sich gemacht
hatten. Ein zweistündiger Ritt brachte uns zu einem kleinen See mit gutem
Gras, wo wir deutliche Spuren entdeckten, daß dies ihr Lagerplatz gewesen
war. Wir beschlossen hier unsre Pferde weiden zu lassen, selbst ein Frühstück
einzunehmen und dann weiter zu gehen und Sabeck aufzusuchen. Da wir
unsern Thieren hinreichend Zeit zum Fressen lassen mußten, so schlug ich einem
Kosaken und Tschuckaboy vor, mit mir den Berg zu ersteigen und nach dem
Ani des Sultans Umschau zu halten. In ungefähr einer Stunde waren wir
auf dem Gipfel, obschon das Hinaufsteigen an einigen Stellen ziemlich schwie¬
rig war. Das Gestein war dunkelrother Granit, durch den sich von Osten
nach Westen dicke Quarzadern hindurchzogen. Vegetation war kaum zu sehen,
und der Berg hatte ein sehr zerklüftetes und ödes Aussehen. Kein Ani war
zu erblicken, ebenso wenig irgend ein lebendes Wesen, so weit sich auch diese
unermeßliche Ebene unter uus ausdehnte. Wir suchten an den Ufern des
Sees nach Menschen, aber es war niemand zu entdecken. Nachdem wir ver¬
schiedene große Klippen überstiegen, erreichten wir einen Punkt, der eine Aus¬
sicht mehr nach Süden bot, und siehe da, hier fanden wir den von der ge¬
fangenen Kirgiscnfrau als Merkzeichen von Sabecks Lager erwähnten spitzgipf-
ligen Berg. Dieser war ein vortrefflicher Wegweiser für uns, und in weniger
Zeit als wir zum Heraussteigen gebraucht, gelangten wir wieder zu unsern
Leuten hinab, wo wir alles marschfertig antrafen. Wir verließen das Weide¬
land und betraten eine dürre Wüste von Sand und Kieseln, unter denen ich
mehre schöne Achate und Karneole entdeckte. Hätte ich Zeit gehabt, so hätten
sich viele gute Proben davon sammeln lassen. Erst nach einem Ritt von mehr
als fünf Stunden sahen wir den Gipfel des Berges vor uns, auf den wir
hinzureiten hatten. Wenn der Ani dort war, so konnten wir ihn vor Dunkel¬
werden nicht erreichen, und jetzt begannen wir zu fürchten, daß wir nicht im Stande
sein würden Wasser zu finden. Wir erblickten im Südwesten die schneeigen
Gipfel des Syanschan viel näher, als wir sie je bisher gesehen, und ein kühler
Wind von dieser Seite gestattete uns, unsre Pferde zu scharfem Lauf arm-


unsrer Feinde erkennen konnten. Die Kirgisen meinten, es müßten vierzig bis
fünfzig Mann mit Kubaldos sein, welcher ohne Zweifel sicher war. daß er
mit dieser Uebcrmncht Sieger bleiben müßte. Nachdem wir das Ende des
Sees erreicht, folgten wir ihrer Spur und ritten durch eine schmale Furt.
Dies brachte uns auf die Ostseite, und wir gingen jetzt auf den Berg zu,
wo unsre Gegner gelauert, und zogen uns an seinem Fuß hin.

Das Tageslicht breitete sich jetzt rasch über Berg und Steppe aus und
gab dem Pflanzenwuchs um den See eine tiefe sammtgrüne Färbung. Wir
folgten noch immer der Spur unsrer Feinde und fanden jetzt, daß sie von
der andern Seite des Gebirgs gekommen waren. Der Rauch, den wir gesehen,
war von einem Feuer aufgestiegen, welches ihre Kundschafter sich gemacht
hatten. Ein zweistündiger Ritt brachte uns zu einem kleinen See mit gutem
Gras, wo wir deutliche Spuren entdeckten, daß dies ihr Lagerplatz gewesen
war. Wir beschlossen hier unsre Pferde weiden zu lassen, selbst ein Frühstück
einzunehmen und dann weiter zu gehen und Sabeck aufzusuchen. Da wir
unsern Thieren hinreichend Zeit zum Fressen lassen mußten, so schlug ich einem
Kosaken und Tschuckaboy vor, mit mir den Berg zu ersteigen und nach dem
Ani des Sultans Umschau zu halten. In ungefähr einer Stunde waren wir
auf dem Gipfel, obschon das Hinaufsteigen an einigen Stellen ziemlich schwie¬
rig war. Das Gestein war dunkelrother Granit, durch den sich von Osten
nach Westen dicke Quarzadern hindurchzogen. Vegetation war kaum zu sehen,
und der Berg hatte ein sehr zerklüftetes und ödes Aussehen. Kein Ani war
zu erblicken, ebenso wenig irgend ein lebendes Wesen, so weit sich auch diese
unermeßliche Ebene unter uus ausdehnte. Wir suchten an den Ufern des
Sees nach Menschen, aber es war niemand zu entdecken. Nachdem wir ver¬
schiedene große Klippen überstiegen, erreichten wir einen Punkt, der eine Aus¬
sicht mehr nach Süden bot, und siehe da, hier fanden wir den von der ge¬
fangenen Kirgiscnfrau als Merkzeichen von Sabecks Lager erwähnten spitzgipf-
ligen Berg. Dieser war ein vortrefflicher Wegweiser für uns, und in weniger
Zeit als wir zum Heraussteigen gebraucht, gelangten wir wieder zu unsern
Leuten hinab, wo wir alles marschfertig antrafen. Wir verließen das Weide¬
land und betraten eine dürre Wüste von Sand und Kieseln, unter denen ich
mehre schöne Achate und Karneole entdeckte. Hätte ich Zeit gehabt, so hätten
sich viele gute Proben davon sammeln lassen. Erst nach einem Ritt von mehr
als fünf Stunden sahen wir den Gipfel des Berges vor uns, auf den wir
hinzureiten hatten. Wenn der Ani dort war, so konnten wir ihn vor Dunkel¬
werden nicht erreichen, und jetzt begannen wir zu fürchten, daß wir nicht im Stande
sein würden Wasser zu finden. Wir erblickten im Südwesten die schneeigen
Gipfel des Syanschan viel näher, als wir sie je bisher gesehen, und ein kühler
Wind von dieser Seite gestattete uns, unsre Pferde zu scharfem Lauf arm-


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[0519] unsrer Feinde erkennen konnten. Die Kirgisen meinten, es müßten vierzig bis fünfzig Mann mit Kubaldos sein, welcher ohne Zweifel sicher war. daß er mit dieser Uebcrmncht Sieger bleiben müßte. Nachdem wir das Ende des Sees erreicht, folgten wir ihrer Spur und ritten durch eine schmale Furt. Dies brachte uns auf die Ostseite, und wir gingen jetzt auf den Berg zu, wo unsre Gegner gelauert, und zogen uns an seinem Fuß hin. Das Tageslicht breitete sich jetzt rasch über Berg und Steppe aus und gab dem Pflanzenwuchs um den See eine tiefe sammtgrüne Färbung. Wir folgten noch immer der Spur unsrer Feinde und fanden jetzt, daß sie von der andern Seite des Gebirgs gekommen waren. Der Rauch, den wir gesehen, war von einem Feuer aufgestiegen, welches ihre Kundschafter sich gemacht hatten. Ein zweistündiger Ritt brachte uns zu einem kleinen See mit gutem Gras, wo wir deutliche Spuren entdeckten, daß dies ihr Lagerplatz gewesen war. Wir beschlossen hier unsre Pferde weiden zu lassen, selbst ein Frühstück einzunehmen und dann weiter zu gehen und Sabeck aufzusuchen. Da wir unsern Thieren hinreichend Zeit zum Fressen lassen mußten, so schlug ich einem Kosaken und Tschuckaboy vor, mit mir den Berg zu ersteigen und nach dem Ani des Sultans Umschau zu halten. In ungefähr einer Stunde waren wir auf dem Gipfel, obschon das Hinaufsteigen an einigen Stellen ziemlich schwie¬ rig war. Das Gestein war dunkelrother Granit, durch den sich von Osten nach Westen dicke Quarzadern hindurchzogen. Vegetation war kaum zu sehen, und der Berg hatte ein sehr zerklüftetes und ödes Aussehen. Kein Ani war zu erblicken, ebenso wenig irgend ein lebendes Wesen, so weit sich auch diese unermeßliche Ebene unter uus ausdehnte. Wir suchten an den Ufern des Sees nach Menschen, aber es war niemand zu entdecken. Nachdem wir ver¬ schiedene große Klippen überstiegen, erreichten wir einen Punkt, der eine Aus¬ sicht mehr nach Süden bot, und siehe da, hier fanden wir den von der ge¬ fangenen Kirgiscnfrau als Merkzeichen von Sabecks Lager erwähnten spitzgipf- ligen Berg. Dieser war ein vortrefflicher Wegweiser für uns, und in weniger Zeit als wir zum Heraussteigen gebraucht, gelangten wir wieder zu unsern Leuten hinab, wo wir alles marschfertig antrafen. Wir verließen das Weide¬ land und betraten eine dürre Wüste von Sand und Kieseln, unter denen ich mehre schöne Achate und Karneole entdeckte. Hätte ich Zeit gehabt, so hätten sich viele gute Proben davon sammeln lassen. Erst nach einem Ritt von mehr als fünf Stunden sahen wir den Gipfel des Berges vor uns, auf den wir hinzureiten hatten. Wenn der Ani dort war, so konnten wir ihn vor Dunkel¬ werden nicht erreichen, und jetzt begannen wir zu fürchten, daß wir nicht im Stande sein würden Wasser zu finden. Wir erblickten im Südwesten die schneeigen Gipfel des Syanschan viel näher, als wir sie je bisher gesehen, und ein kühler Wind von dieser Seite gestattete uns, unsre Pferde zu scharfem Lauf arm-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/519>, abgerufen am 24.07.2024.