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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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vom Ufer und war vierzig Uards lang. Wir konnten jedermann, der sich dahin
wagte, niederschießen, und unser erwarteter Besuch war nicht gewohnt, einem
tödtlichen Feuer die Stirn zu bieten. Wir kamen überein, bis zu völligem
Dunkelwerden in unserm Lager zu bleiben, dann die Pferde an das andere
Ende der Felsenzunge zu schaffen und sie dort unter der Obhut von vier Kir¬
gisen zu lassen, welche auch die Hunde mit sich nehmen und ^sie hindern soll¬
ten zu bellen. Die letzteren sind so gut gezogen, daß wir nicht zu fürchten
hatten, sie würden uns verrathen.

Nachdem wir diesen Plan erörtert, kehrten wir in das Lager zurück und
gaben die nöthigen Befehle zu seiner Ausführung. Während des Abends
waren verschiedene Männer auf den Bergen gesehen worden, die uns beob¬
achteten. Sie konnten alles sehen, was mit unsern Pferden vorgenommen
wurde, welche, als es dämmerte, herbeigebracht und zwischen uns und dem
See an Pflöcke festgemacht wurden, wie wenn wir die Nacht hier bleiben
wollten. , Man legte Haufen von Brennholz auf das Feuer, welches mit
Heller Flamme emporschlug und den Räubern zeigte, daß wir uns zum Schla¬
fen vorbereiteten. Aber als die Nacht hinreichend dunkel geworden, wurden
unsere Rosse gesattelt und zurecht gemacht, um nach unserer Feisencitadelle
gebracht zu werden. Zwei Kalmücken blieben zurück, um das Feuer zu unter¬
halten, bis Tschuckaboy sie abrufen würde. Wir ritten dann so lesse als
möglich nach unserm Zufluchtsorte, und nachdem wir das Ende des schmalen
Ganges erreicht, stiegen wir ab und ließen zwei Kosaken mit den Kirgisen
gehen, um unsere Pferde an den vorhin bezeichneten Ort zu schaffen. Die
Kosaken sollten zusehen, daß sie gehörig festgemacht würden, und dann zu
uns zurückkehren, nachdem sie den Kirgisen strengen Befehl ertheilt, die Hunde
ruhig zu erhalten. Wir ließen uns die Satteldecken bringen und bereiteten
uns mit ihnen etwa fünfundzwanzig Schritt vom Ende des schmalen Ganges das
Nachtlager. Ein Kosnk und ein Kirgise legten sich am andern Ende näher am
Ufer hin, um der Annäherung der Räuber zu lauschen; sobald sie diese ver¬
nähmen, sollten sie sich über die Felsen nach uns zurückschleichen. Tschuckaboy
hatte seine Kalmücken vom Feuer weggerufen, und einer derselben wurde als
Wache ausgestellt. Wir fühlten uns jetzt in unserer Position vollständig sicher
und legten uus zum Schlafen nieder. Das Feuer in unserm alten Lager fla¬
ckerte noch immer mit weithin leuchtender Flamme auf. Ich beobachtete sein
zitterndes Spiegelbild auf dem Wasser ein Weilchen, während ich auf dem
Ufer lag, und siel dann in tiefen Schlaf.

Ehe noch die erste Wache vorüber war, kamen die beiden Borposten zu
uns herangekrochen und meldeten, daß die Schurken in unserm Lager wären.
Büsche waren auf das Feuer geworfen worden, und die auflodernden Flam¬
men hatten unsere Schildwachen Leute zu Pferde erblicken lassen. Ich gab jetzt


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vom Ufer und war vierzig Uards lang. Wir konnten jedermann, der sich dahin
wagte, niederschießen, und unser erwarteter Besuch war nicht gewohnt, einem
tödtlichen Feuer die Stirn zu bieten. Wir kamen überein, bis zu völligem
Dunkelwerden in unserm Lager zu bleiben, dann die Pferde an das andere
Ende der Felsenzunge zu schaffen und sie dort unter der Obhut von vier Kir¬
gisen zu lassen, welche auch die Hunde mit sich nehmen und ^sie hindern soll¬
ten zu bellen. Die letzteren sind so gut gezogen, daß wir nicht zu fürchten
hatten, sie würden uns verrathen.

Nachdem wir diesen Plan erörtert, kehrten wir in das Lager zurück und
gaben die nöthigen Befehle zu seiner Ausführung. Während des Abends
waren verschiedene Männer auf den Bergen gesehen worden, die uns beob¬
achteten. Sie konnten alles sehen, was mit unsern Pferden vorgenommen
wurde, welche, als es dämmerte, herbeigebracht und zwischen uns und dem
See an Pflöcke festgemacht wurden, wie wenn wir die Nacht hier bleiben
wollten. , Man legte Haufen von Brennholz auf das Feuer, welches mit
Heller Flamme emporschlug und den Räubern zeigte, daß wir uns zum Schla¬
fen vorbereiteten. Aber als die Nacht hinreichend dunkel geworden, wurden
unsere Rosse gesattelt und zurecht gemacht, um nach unserer Feisencitadelle
gebracht zu werden. Zwei Kalmücken blieben zurück, um das Feuer zu unter¬
halten, bis Tschuckaboy sie abrufen würde. Wir ritten dann so lesse als
möglich nach unserm Zufluchtsorte, und nachdem wir das Ende des schmalen
Ganges erreicht, stiegen wir ab und ließen zwei Kosaken mit den Kirgisen
gehen, um unsere Pferde an den vorhin bezeichneten Ort zu schaffen. Die
Kosaken sollten zusehen, daß sie gehörig festgemacht würden, und dann zu
uns zurückkehren, nachdem sie den Kirgisen strengen Befehl ertheilt, die Hunde
ruhig zu erhalten. Wir ließen uns die Satteldecken bringen und bereiteten
uns mit ihnen etwa fünfundzwanzig Schritt vom Ende des schmalen Ganges das
Nachtlager. Ein Kosnk und ein Kirgise legten sich am andern Ende näher am
Ufer hin, um der Annäherung der Räuber zu lauschen; sobald sie diese ver¬
nähmen, sollten sie sich über die Felsen nach uns zurückschleichen. Tschuckaboy
hatte seine Kalmücken vom Feuer weggerufen, und einer derselben wurde als
Wache ausgestellt. Wir fühlten uns jetzt in unserer Position vollständig sicher
und legten uus zum Schlafen nieder. Das Feuer in unserm alten Lager fla¬
ckerte noch immer mit weithin leuchtender Flamme auf. Ich beobachtete sein
zitterndes Spiegelbild auf dem Wasser ein Weilchen, während ich auf dem
Ufer lag, und siel dann in tiefen Schlaf.

Ehe noch die erste Wache vorüber war, kamen die beiden Borposten zu
uns herangekrochen und meldeten, daß die Schurken in unserm Lager wären.
Büsche waren auf das Feuer geworfen worden, und die auflodernden Flam¬
men hatten unsere Schildwachen Leute zu Pferde erblicken lassen. Ich gab jetzt


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[0517] vom Ufer und war vierzig Uards lang. Wir konnten jedermann, der sich dahin wagte, niederschießen, und unser erwarteter Besuch war nicht gewohnt, einem tödtlichen Feuer die Stirn zu bieten. Wir kamen überein, bis zu völligem Dunkelwerden in unserm Lager zu bleiben, dann die Pferde an das andere Ende der Felsenzunge zu schaffen und sie dort unter der Obhut von vier Kir¬ gisen zu lassen, welche auch die Hunde mit sich nehmen und ^sie hindern soll¬ ten zu bellen. Die letzteren sind so gut gezogen, daß wir nicht zu fürchten hatten, sie würden uns verrathen. Nachdem wir diesen Plan erörtert, kehrten wir in das Lager zurück und gaben die nöthigen Befehle zu seiner Ausführung. Während des Abends waren verschiedene Männer auf den Bergen gesehen worden, die uns beob¬ achteten. Sie konnten alles sehen, was mit unsern Pferden vorgenommen wurde, welche, als es dämmerte, herbeigebracht und zwischen uns und dem See an Pflöcke festgemacht wurden, wie wenn wir die Nacht hier bleiben wollten. , Man legte Haufen von Brennholz auf das Feuer, welches mit Heller Flamme emporschlug und den Räubern zeigte, daß wir uns zum Schla¬ fen vorbereiteten. Aber als die Nacht hinreichend dunkel geworden, wurden unsere Rosse gesattelt und zurecht gemacht, um nach unserer Feisencitadelle gebracht zu werden. Zwei Kalmücken blieben zurück, um das Feuer zu unter¬ halten, bis Tschuckaboy sie abrufen würde. Wir ritten dann so lesse als möglich nach unserm Zufluchtsorte, und nachdem wir das Ende des schmalen Ganges erreicht, stiegen wir ab und ließen zwei Kosaken mit den Kirgisen gehen, um unsere Pferde an den vorhin bezeichneten Ort zu schaffen. Die Kosaken sollten zusehen, daß sie gehörig festgemacht würden, und dann zu uns zurückkehren, nachdem sie den Kirgisen strengen Befehl ertheilt, die Hunde ruhig zu erhalten. Wir ließen uns die Satteldecken bringen und bereiteten uns mit ihnen etwa fünfundzwanzig Schritt vom Ende des schmalen Ganges das Nachtlager. Ein Kosnk und ein Kirgise legten sich am andern Ende näher am Ufer hin, um der Annäherung der Räuber zu lauschen; sobald sie diese ver¬ nähmen, sollten sie sich über die Felsen nach uns zurückschleichen. Tschuckaboy hatte seine Kalmücken vom Feuer weggerufen, und einer derselben wurde als Wache ausgestellt. Wir fühlten uns jetzt in unserer Position vollständig sicher und legten uus zum Schlafen nieder. Das Feuer in unserm alten Lager fla¬ ckerte noch immer mit weithin leuchtender Flamme auf. Ich beobachtete sein zitterndes Spiegelbild auf dem Wasser ein Weilchen, während ich auf dem Ufer lag, und siel dann in tiefen Schlaf. Ehe noch die erste Wache vorüber war, kamen die beiden Borposten zu uns herangekrochen und meldeten, daß die Schurken in unserm Lager wären. Büsche waren auf das Feuer geworfen worden, und die auflodernden Flam¬ men hatten unsere Schildwachen Leute zu Pferde erblicken lassen. Ich gab jetzt 64*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/517>, abgerufen am 24.07.2024.