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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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scheiden, nach welcher Seite wir uns wenden sollten. Nach einiger Ueberlegung
entschlossen wir uns, südwärts zu gehen, da wir dachten, daß diese Route uns
eher nach des Sultans Ani bringen würde. Nachdem wir gegen zehn Werst
weiter geritten, änderte sich die Landschaft völlig. Ungeheure Granitblöcke
lagen über den Boden hingesäct und kleine Schluchten zogen sich nach den
felsigen Kämmen hinaus. Hier singen unsre Hunde ein Böckchen von einem
Nudel wilder Ziegen. Wir ritten ziemlich in südlicher Richtung weiter, wo
wir eine gute Aussicht erreichten. Ich konnte in dieser Gegend keine Weide¬
plätze sehen, was mich überzeugte, daß Sabcck noch weiter südlich zu suchen
sei. Plötzlich hörte der Bergzug auf. und ein weites Thal streckte sich nach
dem Gebirge im Westen hin. Zwischen den beiden Bergkämmcn lag ein
Theil des Sees, der sich gegen fünfzehn Werst in das Thal hineinzog und ungefähr
vier Werst breit war. Unmittelbar uns gegenüber lief eine lange Felscnzunge
in das Wasserbecken hinaus, wo sie mit einer steilen Klippe endigte.

Während ich diese Scene zeichnete, bemerkte einer der Leute, wie etwa
auf der Mitte des Berges an der andern Seite des Sees Rauch aufstieg,
welcher, als er auf ihn hinwies, die Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft
auf sich lenkte. Die Kirgisen sagten, daß Kubaldos und seine Rüuberschar
vor uns angekommen seien, indem sie gewußt, daß wir diesen Weg nehmen
müßten. Da es spät war, beschlossen wir, unser Lager am Seeufer auf¬
zuschlagen. Die aus dem Berge mußten uns beim Hinabsteigen sehen, da sie
gewiß Wachen ausgestellt hatten. In kurzer Zeit erreichten wir das Gestade
und fanden einen schönen Platz zwischen Gebüschen und gutem Gras, etwa
eine Werst südlich von jener Landzunge. Wer auch die Leute waren, deren
Feuer wir gesehen, sie mußten sehr bald an dem aufqualmcnden Rauch unsres
Feuers sehen, daß sie Nachbarn hatten.

Während die Leute unser Abendessen bereiteten, untersuchte ich mit einem
Kosaken und Tschuckabcn, die schmale Felsenzunge. Ich sand. daß sie an
einigen Stellen vier, an andern zwanzig Schritt breit war. .An einigen
Stellen war der Damm mit Gras bedeckt, an andern nackter Fels, zu beiden
Seiten war tiefes Wasser. Am andern Ende starrten seltsam geformte Massen
eines dunkelrothen Gesteins empor, darunter eine mit einer tiefen Grotte.
Während ich mich damit beschäftigte, diese wunderbare Bildung zu zeichnen,,
untersuchten meine Begleiter sie in der Absicht, sie zu unserm Nachtquartier
zu machen. Sie sagten, es sei kein Zweifel, daß eine große Anzahl von
den Leuten des Kubnldos zur Hand seien, und daß man sich des Nachts,
wenn wir schliefen, auf uns stürzen würde. Hier wäre eine Stelle, wo w^
uns ihrer erwehren könnten und wenn es fünfhundert wären. Ein Theils der
Landzunge war nicht breiter als zwölf Fuß, die Stelle war zerklüftet und es
lagen große Blöcke darüber. Die schmale Passage befand sich gegen hundert Aards


scheiden, nach welcher Seite wir uns wenden sollten. Nach einiger Ueberlegung
entschlossen wir uns, südwärts zu gehen, da wir dachten, daß diese Route uns
eher nach des Sultans Ani bringen würde. Nachdem wir gegen zehn Werst
weiter geritten, änderte sich die Landschaft völlig. Ungeheure Granitblöcke
lagen über den Boden hingesäct und kleine Schluchten zogen sich nach den
felsigen Kämmen hinaus. Hier singen unsre Hunde ein Böckchen von einem
Nudel wilder Ziegen. Wir ritten ziemlich in südlicher Richtung weiter, wo
wir eine gute Aussicht erreichten. Ich konnte in dieser Gegend keine Weide¬
plätze sehen, was mich überzeugte, daß Sabcck noch weiter südlich zu suchen
sei. Plötzlich hörte der Bergzug auf. und ein weites Thal streckte sich nach
dem Gebirge im Westen hin. Zwischen den beiden Bergkämmcn lag ein
Theil des Sees, der sich gegen fünfzehn Werst in das Thal hineinzog und ungefähr
vier Werst breit war. Unmittelbar uns gegenüber lief eine lange Felscnzunge
in das Wasserbecken hinaus, wo sie mit einer steilen Klippe endigte.

Während ich diese Scene zeichnete, bemerkte einer der Leute, wie etwa
auf der Mitte des Berges an der andern Seite des Sees Rauch aufstieg,
welcher, als er auf ihn hinwies, die Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft
auf sich lenkte. Die Kirgisen sagten, daß Kubaldos und seine Rüuberschar
vor uns angekommen seien, indem sie gewußt, daß wir diesen Weg nehmen
müßten. Da es spät war, beschlossen wir, unser Lager am Seeufer auf¬
zuschlagen. Die aus dem Berge mußten uns beim Hinabsteigen sehen, da sie
gewiß Wachen ausgestellt hatten. In kurzer Zeit erreichten wir das Gestade
und fanden einen schönen Platz zwischen Gebüschen und gutem Gras, etwa
eine Werst südlich von jener Landzunge. Wer auch die Leute waren, deren
Feuer wir gesehen, sie mußten sehr bald an dem aufqualmcnden Rauch unsres
Feuers sehen, daß sie Nachbarn hatten.

Während die Leute unser Abendessen bereiteten, untersuchte ich mit einem
Kosaken und Tschuckabcn, die schmale Felsenzunge. Ich sand. daß sie an
einigen Stellen vier, an andern zwanzig Schritt breit war. .An einigen
Stellen war der Damm mit Gras bedeckt, an andern nackter Fels, zu beiden
Seiten war tiefes Wasser. Am andern Ende starrten seltsam geformte Massen
eines dunkelrothen Gesteins empor, darunter eine mit einer tiefen Grotte.
Während ich mich damit beschäftigte, diese wunderbare Bildung zu zeichnen,,
untersuchten meine Begleiter sie in der Absicht, sie zu unserm Nachtquartier
zu machen. Sie sagten, es sei kein Zweifel, daß eine große Anzahl von
den Leuten des Kubnldos zur Hand seien, und daß man sich des Nachts,
wenn wir schliefen, auf uns stürzen würde. Hier wäre eine Stelle, wo w^
uns ihrer erwehren könnten und wenn es fünfhundert wären. Ein Theils der
Landzunge war nicht breiter als zwölf Fuß, die Stelle war zerklüftet und es
lagen große Blöcke darüber. Die schmale Passage befand sich gegen hundert Aards


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[0516] scheiden, nach welcher Seite wir uns wenden sollten. Nach einiger Ueberlegung entschlossen wir uns, südwärts zu gehen, da wir dachten, daß diese Route uns eher nach des Sultans Ani bringen würde. Nachdem wir gegen zehn Werst weiter geritten, änderte sich die Landschaft völlig. Ungeheure Granitblöcke lagen über den Boden hingesäct und kleine Schluchten zogen sich nach den felsigen Kämmen hinaus. Hier singen unsre Hunde ein Böckchen von einem Nudel wilder Ziegen. Wir ritten ziemlich in südlicher Richtung weiter, wo wir eine gute Aussicht erreichten. Ich konnte in dieser Gegend keine Weide¬ plätze sehen, was mich überzeugte, daß Sabcck noch weiter südlich zu suchen sei. Plötzlich hörte der Bergzug auf. und ein weites Thal streckte sich nach dem Gebirge im Westen hin. Zwischen den beiden Bergkämmcn lag ein Theil des Sees, der sich gegen fünfzehn Werst in das Thal hineinzog und ungefähr vier Werst breit war. Unmittelbar uns gegenüber lief eine lange Felscnzunge in das Wasserbecken hinaus, wo sie mit einer steilen Klippe endigte. Während ich diese Scene zeichnete, bemerkte einer der Leute, wie etwa auf der Mitte des Berges an der andern Seite des Sees Rauch aufstieg, welcher, als er auf ihn hinwies, die Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft auf sich lenkte. Die Kirgisen sagten, daß Kubaldos und seine Rüuberschar vor uns angekommen seien, indem sie gewußt, daß wir diesen Weg nehmen müßten. Da es spät war, beschlossen wir, unser Lager am Seeufer auf¬ zuschlagen. Die aus dem Berge mußten uns beim Hinabsteigen sehen, da sie gewiß Wachen ausgestellt hatten. In kurzer Zeit erreichten wir das Gestade und fanden einen schönen Platz zwischen Gebüschen und gutem Gras, etwa eine Werst südlich von jener Landzunge. Wer auch die Leute waren, deren Feuer wir gesehen, sie mußten sehr bald an dem aufqualmcnden Rauch unsres Feuers sehen, daß sie Nachbarn hatten. Während die Leute unser Abendessen bereiteten, untersuchte ich mit einem Kosaken und Tschuckabcn, die schmale Felsenzunge. Ich sand. daß sie an einigen Stellen vier, an andern zwanzig Schritt breit war. .An einigen Stellen war der Damm mit Gras bedeckt, an andern nackter Fels, zu beiden Seiten war tiefes Wasser. Am andern Ende starrten seltsam geformte Massen eines dunkelrothen Gesteins empor, darunter eine mit einer tiefen Grotte. Während ich mich damit beschäftigte, diese wunderbare Bildung zu zeichnen,, untersuchten meine Begleiter sie in der Absicht, sie zu unserm Nachtquartier zu machen. Sie sagten, es sei kein Zweifel, daß eine große Anzahl von den Leuten des Kubnldos zur Hand seien, und daß man sich des Nachts, wenn wir schliefen, auf uns stürzen würde. Hier wäre eine Stelle, wo w^ uns ihrer erwehren könnten und wenn es fünfhundert wären. Ein Theils der Landzunge war nicht breiter als zwölf Fuß, die Stelle war zerklüftet und es lagen große Blöcke darüber. Die schmale Passage befand sich gegen hundert Aards

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/516>, abgerufen am 24.07.2024.