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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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etwa dreißig Secunden zersprang es mit einem großen Blitz entzwei und ein
Geräusch wie ferner Kanonendonner ließ sich hören. Der Lärm erweckte einige
von unsern Leuten, welche glaubten, wir hätten unsere Gewehre abgeschossen.
Bald erschienen andere Meteore, sie waren klein und von hellrother Farbe,
schössen mit großer Schnelligkeit herab und ließen häufig einen langen Schweif
von weißen Funken hinter sich. Gegen halb zwei Uhr wurden sie sehr zahl¬
reich und immer schöner. Einige waren hell karmoisinroth, andere tief pur¬
purblau. Sie sielen in verschiedenen Richtungen, aber vorzüglich gegen Nord¬
west, und so ging es länger als eine Stunde sort, während welcher Zeit ich
ihrer hundert und acht zählte. Oft sah ich zwei oder drei aus einmal. Dies
begab sich am 11. August neuen Stils.

Wahrend dies vor sich ging, vergaß ich Kubaldos und seine Bande.
Noch saß ich da und sann über das Schauspiel nach, von dem ich Zeuge ge¬
wesen, als ein neben mir liegender Hund zu heulen begann. Wir blieben voll¬
kommen still -- bald darauf wiederholte co es, und jetzt fingen auch die an¬
dern Hunde an dumpf zu heulen. Tschuckaboy und einer der Kosaken, welche
neben mir lagen, erklärten, daß die Hunde etwas auf der Steppe hörten.
Ein langer schmaler Lichtstreifen ließ sich jetzt am nordöstlichen Horizont sehen.
Bald darauf bellten die Hunde. Die Kirgisen hießen sie still sein, da ihr
Gebell die Verfolger auf unsre Spur leiten mußte. Sie hätten uns aber
nicht unvorbereitet überfallen können, denn wir waren auf unsrer Hut. Ich
wies jetzt die Kosaken an, nicht eher als aus meinen Befehl zu schießen, und dann
sollten nur vier aus einmal feuern, jeder auf einen bestimmten Kirgisen von
rechts angefangen. Während sie wieder luden, sollten die andern vier schießen."

Die Hunde hatten sich nur geregt, weil Rehe in der Nähe waren. Als
es hell wurde, ließ man daher ruhig wieder die Pferde grasen, ging den
Fasanen nach, die hier ausgespürt worden, und ritt nach einem guten Früh¬
stück weiter. "Die Kirgisen dachten indeß, daß wir mit Kubaldos noch nicht
fertig wären. Nach dem, was die gefangene Frau gesagt, hatten wir eine
lange Tagereise vor uns, ehe wir die Weidegründe am See erreichen konnten.
Fünf bis sechs Stunden ritten wir über eine sandige Fläche, auf der an
mehren Stellen die Salsolapflanze wuchs. Dann wurde das Land wellen¬
förmig und in weiter Ferne konnten wir die Gipfel anscheinend hoher Berg¬
kämme' erblicken. Dann ritten wir über eine Grasflüche und weiterhin durch
eine Gegend, auf welcher Zwerggebüsch wuchs. Um die Mitte des Nach¬
mittags bekamen wir zuerst den See zu Gesicht, von dem die Frau gesprochen.
Derselbe war von einem Gürtel grüner Wiesen umgeben. Im Süden zeig¬
ten sich einige hohe Bergrücken, welche sich nach Westen hin verzweigten. Wir
wären etwa fünfzehn Werst von diesen, indem wir grade auf die Mitte des min¬
destens vierzig Werst langen Sees zürnten, und es war nothwendig uns zu ent-


Grcnzbotcii I. 1359. 64

etwa dreißig Secunden zersprang es mit einem großen Blitz entzwei und ein
Geräusch wie ferner Kanonendonner ließ sich hören. Der Lärm erweckte einige
von unsern Leuten, welche glaubten, wir hätten unsere Gewehre abgeschossen.
Bald erschienen andere Meteore, sie waren klein und von hellrother Farbe,
schössen mit großer Schnelligkeit herab und ließen häufig einen langen Schweif
von weißen Funken hinter sich. Gegen halb zwei Uhr wurden sie sehr zahl¬
reich und immer schöner. Einige waren hell karmoisinroth, andere tief pur¬
purblau. Sie sielen in verschiedenen Richtungen, aber vorzüglich gegen Nord¬
west, und so ging es länger als eine Stunde sort, während welcher Zeit ich
ihrer hundert und acht zählte. Oft sah ich zwei oder drei aus einmal. Dies
begab sich am 11. August neuen Stils.

Wahrend dies vor sich ging, vergaß ich Kubaldos und seine Bande.
Noch saß ich da und sann über das Schauspiel nach, von dem ich Zeuge ge¬
wesen, als ein neben mir liegender Hund zu heulen begann. Wir blieben voll¬
kommen still — bald darauf wiederholte co es, und jetzt fingen auch die an¬
dern Hunde an dumpf zu heulen. Tschuckaboy und einer der Kosaken, welche
neben mir lagen, erklärten, daß die Hunde etwas auf der Steppe hörten.
Ein langer schmaler Lichtstreifen ließ sich jetzt am nordöstlichen Horizont sehen.
Bald darauf bellten die Hunde. Die Kirgisen hießen sie still sein, da ihr
Gebell die Verfolger auf unsre Spur leiten mußte. Sie hätten uns aber
nicht unvorbereitet überfallen können, denn wir waren auf unsrer Hut. Ich
wies jetzt die Kosaken an, nicht eher als aus meinen Befehl zu schießen, und dann
sollten nur vier aus einmal feuern, jeder auf einen bestimmten Kirgisen von
rechts angefangen. Während sie wieder luden, sollten die andern vier schießen."

Die Hunde hatten sich nur geregt, weil Rehe in der Nähe waren. Als
es hell wurde, ließ man daher ruhig wieder die Pferde grasen, ging den
Fasanen nach, die hier ausgespürt worden, und ritt nach einem guten Früh¬
stück weiter. „Die Kirgisen dachten indeß, daß wir mit Kubaldos noch nicht
fertig wären. Nach dem, was die gefangene Frau gesagt, hatten wir eine
lange Tagereise vor uns, ehe wir die Weidegründe am See erreichen konnten.
Fünf bis sechs Stunden ritten wir über eine sandige Fläche, auf der an
mehren Stellen die Salsolapflanze wuchs. Dann wurde das Land wellen¬
förmig und in weiter Ferne konnten wir die Gipfel anscheinend hoher Berg¬
kämme' erblicken. Dann ritten wir über eine Grasflüche und weiterhin durch
eine Gegend, auf welcher Zwerggebüsch wuchs. Um die Mitte des Nach¬
mittags bekamen wir zuerst den See zu Gesicht, von dem die Frau gesprochen.
Derselbe war von einem Gürtel grüner Wiesen umgeben. Im Süden zeig¬
ten sich einige hohe Bergrücken, welche sich nach Westen hin verzweigten. Wir
wären etwa fünfzehn Werst von diesen, indem wir grade auf die Mitte des min¬
destens vierzig Werst langen Sees zürnten, und es war nothwendig uns zu ent-


Grcnzbotcii I. 1359. 64
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[0515] etwa dreißig Secunden zersprang es mit einem großen Blitz entzwei und ein Geräusch wie ferner Kanonendonner ließ sich hören. Der Lärm erweckte einige von unsern Leuten, welche glaubten, wir hätten unsere Gewehre abgeschossen. Bald erschienen andere Meteore, sie waren klein und von hellrother Farbe, schössen mit großer Schnelligkeit herab und ließen häufig einen langen Schweif von weißen Funken hinter sich. Gegen halb zwei Uhr wurden sie sehr zahl¬ reich und immer schöner. Einige waren hell karmoisinroth, andere tief pur¬ purblau. Sie sielen in verschiedenen Richtungen, aber vorzüglich gegen Nord¬ west, und so ging es länger als eine Stunde sort, während welcher Zeit ich ihrer hundert und acht zählte. Oft sah ich zwei oder drei aus einmal. Dies begab sich am 11. August neuen Stils. Wahrend dies vor sich ging, vergaß ich Kubaldos und seine Bande. Noch saß ich da und sann über das Schauspiel nach, von dem ich Zeuge ge¬ wesen, als ein neben mir liegender Hund zu heulen begann. Wir blieben voll¬ kommen still — bald darauf wiederholte co es, und jetzt fingen auch die an¬ dern Hunde an dumpf zu heulen. Tschuckaboy und einer der Kosaken, welche neben mir lagen, erklärten, daß die Hunde etwas auf der Steppe hörten. Ein langer schmaler Lichtstreifen ließ sich jetzt am nordöstlichen Horizont sehen. Bald darauf bellten die Hunde. Die Kirgisen hießen sie still sein, da ihr Gebell die Verfolger auf unsre Spur leiten mußte. Sie hätten uns aber nicht unvorbereitet überfallen können, denn wir waren auf unsrer Hut. Ich wies jetzt die Kosaken an, nicht eher als aus meinen Befehl zu schießen, und dann sollten nur vier aus einmal feuern, jeder auf einen bestimmten Kirgisen von rechts angefangen. Während sie wieder luden, sollten die andern vier schießen." Die Hunde hatten sich nur geregt, weil Rehe in der Nähe waren. Als es hell wurde, ließ man daher ruhig wieder die Pferde grasen, ging den Fasanen nach, die hier ausgespürt worden, und ritt nach einem guten Früh¬ stück weiter. „Die Kirgisen dachten indeß, daß wir mit Kubaldos noch nicht fertig wären. Nach dem, was die gefangene Frau gesagt, hatten wir eine lange Tagereise vor uns, ehe wir die Weidegründe am See erreichen konnten. Fünf bis sechs Stunden ritten wir über eine sandige Fläche, auf der an mehren Stellen die Salsolapflanze wuchs. Dann wurde das Land wellen¬ förmig und in weiter Ferne konnten wir die Gipfel anscheinend hoher Berg¬ kämme' erblicken. Dann ritten wir über eine Grasflüche und weiterhin durch eine Gegend, auf welcher Zwerggebüsch wuchs. Um die Mitte des Nach¬ mittags bekamen wir zuerst den See zu Gesicht, von dem die Frau gesprochen. Derselbe war von einem Gürtel grüner Wiesen umgeben. Im Süden zeig¬ ten sich einige hohe Bergrücken, welche sich nach Westen hin verzweigten. Wir wären etwa fünfzehn Werst von diesen, indem wir grade auf die Mitte des min¬ destens vierzig Werst langen Sees zürnten, und es war nothwendig uns zu ent- Grcnzbotcii I. 1359. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/515>, abgerufen am 24.07.2024.