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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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diesen wieder herzustellen, ist der gewöhnliche Gang der Diplomatie nicht hinreichend.
Es ist wahr, daß das Kriegsgeschrei hauptsächlich von Frankreich ausgegangen ist;
aber wir wissen, daß das französische Volk im Ganzen nicht kriegerisch gesinnt ist.
Nun beginnt der Ruf diesseit des Rhein, und grade unsere Regierung hat die Auf¬
gabe, eine an sich sehr achtungswerthe Stimmung in die richtige Bahn zu lenken.

Abgewandt ist die Gefahr noch keineswegs; nach jener überraschenden Botschaft
des Moniteur bleibt Graf Cavour im Amt, werden in Piemont die Reserven ein¬
berufen, wird eine Anleihe contrahirt. Zwar will sich die republikanische Partei --
wenn man Mazzinis Erklärung vom 28. Februar gelten Mßt -- neutral ver¬
halten, und so wird hoffentlich die Confusion die Grenzen nicht überschreiten; zwar
will Frankreich sich nur betheiligen, falls man Sardinien angreist: aber wie die
Sache steht, liegt doch die Entscheidung hauptsächlich in Oestreichs Hand. Sobald
es durch Nachgiebigkeit in den Punkten, wo es nachgeben kann, ohne seine Ehre
zu beeinträchtigen -- und solcher gibt es viele -- den Ansprüchen der Gegner die
Spitze abbricht -- wird der Krieg, auch wenn er durch die gereizte Stimmung der
Italiener ausbrechen sollte, wirklich in enge Grenzen gestellt, d. h. er wird nur
zwischen Oestreich und Sardinien geführt, und in diesem Fall hat Preußen das
Recht und die Pflicht, jede Intervention einer dritten Macht als unmvtivirten Friedens-
bruch, als eine Gefahr für den deutschen Bund aufzufassen.

Zwar hat die preußische Erklärung auf die Einigkeit mit England aufmerksam
gemacht. Aber einmal ist England (Lord Cooley hat von Preußen keine Mission)
in einer andern Lage; sodann hat es sich über seine Ansicht noch selbst nicht aus¬
gesprochen, und es ist uns fraglich, ob es überhaupt eine hat (man denke an Cow-
leys Stellung zu der portugiesischen Affaire!); endlich kommt möglicherweise in
den nächsten Wochen ein neues Ministerium mit einer ganz neuen Politik ans Nuder.
Es ist besser, wenn sich Preußen mit den übrigen Bundesstaaten über das, was
man von Oestreich verlangen, und was man versprechen müsse, verständigt.

Von der besonnenen Festigkeit, die wir in dieser Angelegenheit entwickeln, hängt
hauptsächlich der Einfluß ab, den Preußen auf eine viel wichtigere, ihm viel näher
liegende Frage ausüben wird; auf eine Frage, mit welcher Deutschlands Ehre un¬
zertrennlich verbunden ist: Schleswig-Holstein. Wenn es ein Mittel findet, Oestreich
zu einer wirksamen Kooperation nach dieser Seite hin zu bestimmen -- mit dem
bloßen Versprechen wäre es freilich nicht abgethan! -- so wäre das auch für den
italienischen Conflict ein neuer Gesichtspunkt.




Literatur.

Der Streit zwischen Mensch und Thier. Ein arabisches Märchen aus
den Schriften der lauteren Brüder übersetzt und mit Mmnerbungcn versehn von-Dr.
Fr. Dieterici, a. Prof. in Berlin. --Berlin, Druck und Verlag von E. S. Mittler
und Sohn 1858. -- Ein schätzenswerther Beitrag zur Kenntniß altmohammeda-
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diesen wieder herzustellen, ist der gewöhnliche Gang der Diplomatie nicht hinreichend.
Es ist wahr, daß das Kriegsgeschrei hauptsächlich von Frankreich ausgegangen ist;
aber wir wissen, daß das französische Volk im Ganzen nicht kriegerisch gesinnt ist.
Nun beginnt der Ruf diesseit des Rhein, und grade unsere Regierung hat die Auf¬
gabe, eine an sich sehr achtungswerthe Stimmung in die richtige Bahn zu lenken.

Abgewandt ist die Gefahr noch keineswegs; nach jener überraschenden Botschaft
des Moniteur bleibt Graf Cavour im Amt, werden in Piemont die Reserven ein¬
berufen, wird eine Anleihe contrahirt. Zwar will sich die republikanische Partei —
wenn man Mazzinis Erklärung vom 28. Februar gelten Mßt — neutral ver¬
halten, und so wird hoffentlich die Confusion die Grenzen nicht überschreiten; zwar
will Frankreich sich nur betheiligen, falls man Sardinien angreist: aber wie die
Sache steht, liegt doch die Entscheidung hauptsächlich in Oestreichs Hand. Sobald
es durch Nachgiebigkeit in den Punkten, wo es nachgeben kann, ohne seine Ehre
zu beeinträchtigen — und solcher gibt es viele — den Ansprüchen der Gegner die
Spitze abbricht — wird der Krieg, auch wenn er durch die gereizte Stimmung der
Italiener ausbrechen sollte, wirklich in enge Grenzen gestellt, d. h. er wird nur
zwischen Oestreich und Sardinien geführt, und in diesem Fall hat Preußen das
Recht und die Pflicht, jede Intervention einer dritten Macht als unmvtivirten Friedens-
bruch, als eine Gefahr für den deutschen Bund aufzufassen.

Zwar hat die preußische Erklärung auf die Einigkeit mit England aufmerksam
gemacht. Aber einmal ist England (Lord Cooley hat von Preußen keine Mission)
in einer andern Lage; sodann hat es sich über seine Ansicht noch selbst nicht aus¬
gesprochen, und es ist uns fraglich, ob es überhaupt eine hat (man denke an Cow-
leys Stellung zu der portugiesischen Affaire!); endlich kommt möglicherweise in
den nächsten Wochen ein neues Ministerium mit einer ganz neuen Politik ans Nuder.
Es ist besser, wenn sich Preußen mit den übrigen Bundesstaaten über das, was
man von Oestreich verlangen, und was man versprechen müsse, verständigt.

Von der besonnenen Festigkeit, die wir in dieser Angelegenheit entwickeln, hängt
hauptsächlich der Einfluß ab, den Preußen auf eine viel wichtigere, ihm viel näher
liegende Frage ausüben wird; auf eine Frage, mit welcher Deutschlands Ehre un¬
zertrennlich verbunden ist: Schleswig-Holstein. Wenn es ein Mittel findet, Oestreich
zu einer wirksamen Kooperation nach dieser Seite hin zu bestimmen — mit dem
bloßen Versprechen wäre es freilich nicht abgethan! — so wäre das auch für den
italienischen Conflict ein neuer Gesichtspunkt.




Literatur.

Der Streit zwischen Mensch und Thier. Ein arabisches Märchen aus
den Schriften der lauteren Brüder übersetzt und mit Mmnerbungcn versehn von-Dr.
Fr. Dieterici, a. Prof. in Berlin. —Berlin, Druck und Verlag von E. S. Mittler
und Sohn 1858. — Ein schätzenswerther Beitrag zur Kenntniß altmohammeda-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/489>, abgerufen am 24.07.2024.