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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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louque, war es vorbehalten, den Staat zu einer vollständigen Caricatur
europäischer Monarchien zu machen.

Anfänglich schien Sonlouaue die Erwartungen, welche im Senat seine
Wahl veranlaßt, rechtfertigen zu wollen. Er war ein echter Neger und als
solcher den Schwarzen angenehm, er stand aber zugleich mit den verschiedenen
Classen der Mulatten auf gutem Fuße, und so schien seine Erhebung zum
Präsidenten eine Art Kompromiß der Parteien. Aber nur zu bald zeigte sich,
daß von ihm für die Besserung der Zustände des Landes nichts zu hoffen,
wol aber viel zu fürchten war. Der Pöbel unter den Schwarzen glaubte,
daß Boyer vor seiner Vertreibung im Garten des Prüsidentenhauses einen
Zauber in Gestalt einer Puppe vergraben habe, welcher allen seinen Nach¬
folgern unvermeidlich dem Untergang bereite. Auch mit dem Präsidentenstuhl
sollte er eine Hexerei vorgenommen haben; deshalb seien die vier auf ihn
folgenden Machthaber so rasch nacheinander zu Grunde gegangen. Soulouaue,
völlig ungebildet, halb katholischer Christ, halb Fetischanbeter (er gehört dem
Geheimbunde des Wodu an, einer Art heidnischer Freimaurerei, welche
Schlangcnverehrung und blutigen Zauber treibt), theilte diesen Aberglauben,
ließ Nachgrabungen nach der mörderischen Puppe im Garten anstellen, einen
neuen Präsidentenstuhl bauen und andere Thorheiten dieser Art vornehmen.
Die Mulatten lachten darüber. Soulouaue erfuhr ihre spöttischen Bemerkungen
und sann fortan auf Rache und auf Ausrottung aller, die nicht seinen Glauben
theilten. Er näherte sich mehr und mehr der Partei der sogenannten "Ultra¬
neger" und suchte sie für seine Pläne, unter denen ohne Zweifel schon damals
das Streben nach dem Kaisertitel eine Stelle einnahm, die aber zunächst auf
Vertilgung aller einigermaßen Gebildeten hinausliefen, zu gewinnen. Es
wurde das Gerücht verbreitet, die freigeisterische Partei stände mit Boyer noch
immer in Verbindung. Man setzte Sagen von Verschwörungen, Höllenma¬
schinen, communistischen Tendenzen unter den Mulatten in Umlauf, und nach¬
dem die Hefe des Volks auf diese Weise vorbereitet war, begann auf Anstiften
des Präsidenten am 1V. April 1848 zu Port an Prince ein entsetzliches
Morden aller wohlhabenden und gebildeten Einwohner, vorzüglich der Mulatten,
welches sich im ganzen Lande wiederholte und besonders im Süden mehre
Monate fortdauerte. Diesem Sieg versuchte Soulouaue 1849 einen neuen
hinzuzufügen, indem er mit einem Heer von 20.000 Mann zur Unterwerfung
der Mulatten von San Domingo aufbrach. Er wurde indeß von diesen in
der Schlacht bei Savcmna Numero aufs Haupt geschlagen, was ihn jedoch
nicht verhinderte, in Port an Prince als Triumphator einzuziehen. Dem
"Retter des Vaterlandes" wurde von seiner Partei die Krone angetragen, er
nahm sie an, und da ihm für ein Reich von einer halben Million Einwohner
der Königstitel zu wenig schien, so verfügte er, daß es eine Kaiserkrone sein


louque, war es vorbehalten, den Staat zu einer vollständigen Caricatur
europäischer Monarchien zu machen.

Anfänglich schien Sonlouaue die Erwartungen, welche im Senat seine
Wahl veranlaßt, rechtfertigen zu wollen. Er war ein echter Neger und als
solcher den Schwarzen angenehm, er stand aber zugleich mit den verschiedenen
Classen der Mulatten auf gutem Fuße, und so schien seine Erhebung zum
Präsidenten eine Art Kompromiß der Parteien. Aber nur zu bald zeigte sich,
daß von ihm für die Besserung der Zustände des Landes nichts zu hoffen,
wol aber viel zu fürchten war. Der Pöbel unter den Schwarzen glaubte,
daß Boyer vor seiner Vertreibung im Garten des Prüsidentenhauses einen
Zauber in Gestalt einer Puppe vergraben habe, welcher allen seinen Nach¬
folgern unvermeidlich dem Untergang bereite. Auch mit dem Präsidentenstuhl
sollte er eine Hexerei vorgenommen haben; deshalb seien die vier auf ihn
folgenden Machthaber so rasch nacheinander zu Grunde gegangen. Soulouaue,
völlig ungebildet, halb katholischer Christ, halb Fetischanbeter (er gehört dem
Geheimbunde des Wodu an, einer Art heidnischer Freimaurerei, welche
Schlangcnverehrung und blutigen Zauber treibt), theilte diesen Aberglauben,
ließ Nachgrabungen nach der mörderischen Puppe im Garten anstellen, einen
neuen Präsidentenstuhl bauen und andere Thorheiten dieser Art vornehmen.
Die Mulatten lachten darüber. Soulouaue erfuhr ihre spöttischen Bemerkungen
und sann fortan auf Rache und auf Ausrottung aller, die nicht seinen Glauben
theilten. Er näherte sich mehr und mehr der Partei der sogenannten „Ultra¬
neger" und suchte sie für seine Pläne, unter denen ohne Zweifel schon damals
das Streben nach dem Kaisertitel eine Stelle einnahm, die aber zunächst auf
Vertilgung aller einigermaßen Gebildeten hinausliefen, zu gewinnen. Es
wurde das Gerücht verbreitet, die freigeisterische Partei stände mit Boyer noch
immer in Verbindung. Man setzte Sagen von Verschwörungen, Höllenma¬
schinen, communistischen Tendenzen unter den Mulatten in Umlauf, und nach¬
dem die Hefe des Volks auf diese Weise vorbereitet war, begann auf Anstiften
des Präsidenten am 1V. April 1848 zu Port an Prince ein entsetzliches
Morden aller wohlhabenden und gebildeten Einwohner, vorzüglich der Mulatten,
welches sich im ganzen Lande wiederholte und besonders im Süden mehre
Monate fortdauerte. Diesem Sieg versuchte Soulouaue 1849 einen neuen
hinzuzufügen, indem er mit einem Heer von 20.000 Mann zur Unterwerfung
der Mulatten von San Domingo aufbrach. Er wurde indeß von diesen in
der Schlacht bei Savcmna Numero aufs Haupt geschlagen, was ihn jedoch
nicht verhinderte, in Port an Prince als Triumphator einzuziehen. Dem
»Retter des Vaterlandes" wurde von seiner Partei die Krone angetragen, er
nahm sie an, und da ihm für ein Reich von einer halben Million Einwohner
der Königstitel zu wenig schien, so verfügte er, daß es eine Kaiserkrone sein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/433>, abgerufen am 24.07.2024.