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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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sollte. Nun folgte auf das Trauerspiel eine Posse, die. wenn man nicht wüßte,
daß Souiouqnc und sein Volk sie in vollstem Ernst aufführten, für einen
Schwank gehalten werden könnte, den Negern von einem der Schalle Euro-
pas ins Ohr geblasen, um zur Verhöhnung des Adels- und Ordenswesens
und der Despotie in Europa zu dienen.

Soulouque wußte -- er war früher Sklave auf der Plantage eines
Herrn Viallet gewesen und konnte nur nothdürftig lesen -- vermuthlich nur
von einem Kaiser vor ihm. Diesem, dem ersten Kaiser der Franzosen, mußte
er es in allen Stücken gleichzuthun suchen. Napoleon der Erste ließ sich
mit mittelalterlichen Gepränge krönen, also mußte Faustin der Erste, wie
sich der neue Negerkaiser zu nennen geruhte, ebenso gekrönt werden. Napoleon
der Erste war dabei vom Papst gesalbt worden, Faustin der Erste, der auf
diese Ehre keine Aussicht hatte, schickte seinen Hofkaplan Cessens nach Rom.
um ihn dort für den Salbungsact in einen Generalvicar des päpstlichen
Stuhles umwandeln zu lassen, ein Titel, der wenigstens ein Surrogat für das
Erscheinen des heiligen Vaters unter seinen schwarzen Söhnen war. Napoleon
der Erste hatte seinen Soldaten Adler ans die Fahnenstangen gesetzt, hatte sich
mit einem zahlreichen Adel neuesten Datums umgeben, hatte sich eine Garde
geschaffen, hatte den Orden der Ehrenlegion gestiftet. Faustin der Erste that
in allen diesen Dingen so genau desgleichen, als ob er der Schatten seines
Vorbildes wäre.

Wir geben nach dem Bericht eines Franzosen, der sich 1849 in Haiti
aufhielt, einige Einzelheiten über diese Schöpfungen des kaiserlichen Nach¬
ahmungstriebes. Der Verfasser ist hierin um so glaubwürdiger, als er in
andern Beziehungen Solouque von den Lächerlichkeiten, die von ihm erzählt
worden, rein zu waschen sticht. Unsre Quelle sagt unter Anderm: "Es giebt im
Reiche zwei Orden einen für Militärs, vom heiligen Faustin und einen für Civil¬
personen, das Ehrenlegionskreuz. Bei beiden ernannte sich der Kaiser zum
Großmeister, beide zerfielen in Großkreuze. Comthure und Ritter. Die Adels¬
titel waren: Fürst, Herzog, Graf. Baron und Ritter. Fürsten und Herzöge
nahm man aus Divisionsgeueralen und Viccadmiralen (die Flotte Hallis
zählt 8 Fahrzeuge, zusammen mit 16 Kanonen und ungefähr ebenso vielen
Admiralen, die Landarmee 20,000 Mann mit mindestens so vielen Generalen,
als ein gleich starkes Heer bei uns Hauptleute haben würde), Grafen aus den
Brigadiers und Gegcnadmiralcn, Barone aus den Gcneraladjutanten, Obersten
und Schiffscapitänen, so wie aus den Senatoren, Deputaten, Richtern und
hohem Zollbeamten. Ein einziger Erlaß des Kaisers schuf 4 Fürsten und
57 Herzöge, ein andrer nicht weniger als 91 Grafen mit dem Titel Excellenz,
und die besonders fruchtbare Zeit kurz vor der Krönung setzte dazu noch 2
Herzöge, 8 Grasen, 336 Barone und 346 Ritter in die Welt. Die Fürsten


sollte. Nun folgte auf das Trauerspiel eine Posse, die. wenn man nicht wüßte,
daß Souiouqnc und sein Volk sie in vollstem Ernst aufführten, für einen
Schwank gehalten werden könnte, den Negern von einem der Schalle Euro-
pas ins Ohr geblasen, um zur Verhöhnung des Adels- und Ordenswesens
und der Despotie in Europa zu dienen.

Soulouque wußte — er war früher Sklave auf der Plantage eines
Herrn Viallet gewesen und konnte nur nothdürftig lesen — vermuthlich nur
von einem Kaiser vor ihm. Diesem, dem ersten Kaiser der Franzosen, mußte
er es in allen Stücken gleichzuthun suchen. Napoleon der Erste ließ sich
mit mittelalterlichen Gepränge krönen, also mußte Faustin der Erste, wie
sich der neue Negerkaiser zu nennen geruhte, ebenso gekrönt werden. Napoleon
der Erste war dabei vom Papst gesalbt worden, Faustin der Erste, der auf
diese Ehre keine Aussicht hatte, schickte seinen Hofkaplan Cessens nach Rom.
um ihn dort für den Salbungsact in einen Generalvicar des päpstlichen
Stuhles umwandeln zu lassen, ein Titel, der wenigstens ein Surrogat für das
Erscheinen des heiligen Vaters unter seinen schwarzen Söhnen war. Napoleon
der Erste hatte seinen Soldaten Adler ans die Fahnenstangen gesetzt, hatte sich
mit einem zahlreichen Adel neuesten Datums umgeben, hatte sich eine Garde
geschaffen, hatte den Orden der Ehrenlegion gestiftet. Faustin der Erste that
in allen diesen Dingen so genau desgleichen, als ob er der Schatten seines
Vorbildes wäre.

Wir geben nach dem Bericht eines Franzosen, der sich 1849 in Haiti
aufhielt, einige Einzelheiten über diese Schöpfungen des kaiserlichen Nach¬
ahmungstriebes. Der Verfasser ist hierin um so glaubwürdiger, als er in
andern Beziehungen Solouque von den Lächerlichkeiten, die von ihm erzählt
worden, rein zu waschen sticht. Unsre Quelle sagt unter Anderm: „Es giebt im
Reiche zwei Orden einen für Militärs, vom heiligen Faustin und einen für Civil¬
personen, das Ehrenlegionskreuz. Bei beiden ernannte sich der Kaiser zum
Großmeister, beide zerfielen in Großkreuze. Comthure und Ritter. Die Adels¬
titel waren: Fürst, Herzog, Graf. Baron und Ritter. Fürsten und Herzöge
nahm man aus Divisionsgeueralen und Viccadmiralen (die Flotte Hallis
zählt 8 Fahrzeuge, zusammen mit 16 Kanonen und ungefähr ebenso vielen
Admiralen, die Landarmee 20,000 Mann mit mindestens so vielen Generalen,
als ein gleich starkes Heer bei uns Hauptleute haben würde), Grafen aus den
Brigadiers und Gegcnadmiralcn, Barone aus den Gcneraladjutanten, Obersten
und Schiffscapitänen, so wie aus den Senatoren, Deputaten, Richtern und
hohem Zollbeamten. Ein einziger Erlaß des Kaisers schuf 4 Fürsten und
57 Herzöge, ein andrer nicht weniger als 91 Grafen mit dem Titel Excellenz,
und die besonders fruchtbare Zeit kurz vor der Krönung setzte dazu noch 2
Herzöge, 8 Grasen, 336 Barone und 346 Ritter in die Welt. Die Fürsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/434>, abgerufen am 24.07.2024.