Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Uebersetzungen des Homer, Aristophanes. Aeschylus, Euripides, Sophokles,
Herodot, Thucydides, Z'enophon, Plato u. s. w. Die Sammlung enthält
auch die berühmtesten lateinischen Schriftsteller, und einige erlesene Werke der
deutschen, italienischen und englischen Literatur. Der Liebhaber leichter Lite¬
ratur wird also zu Jaccottet und Levy gehen; wer sich mit ernsthafter'Lec-
ture beschäftigt, zu Charpentier.

Die billigen Ausgaben der Herren Firmin Didot Co. stehen mit der ob-
genannten Sammlung auf gleicher Stufe. Für drei Franken bekommt man
ein tüchtiges Buch von fünf oder sechshundert enggedruckten Seiten, vielleicht
ein bischen zu eng und in etwas zu kleinen, aber sehr klaren Typen gesetzt.
Die Herren Didot widmen ihre billige Sammlung fast gänzlich classischen
Autoren. Sie enthält die Werke von Moliüre, Beaumarchais, Chateau¬
briand, Bernardin de Senne-Pierre, Buffon, Diderot, F<in6lon, Regnard, Pas-
quier, Pascal, Montesquieu, Madame de Staöl, Voltaire :c., nebst mehren
jener Schriftsteller, die ich oben unter der Sammlung Charpentier ausgeführt
habe. Viele der Dreifrankenbände von Didot sind in den Läden für die
Hälfte zu haben, hingegen sind manche von Charpentier schon ganz aus dem
Handel.

Mein Capitel über die billige Literatur von Paris würde, ohne einige
Worte über den Handel mit alten Büchern, unvollständig bleiben. Es ist
dies ein Handel, in Betreff dessen die französische Hauptstadt schon lange be¬
rühmt ist. Die Büchertrödler oder Bouquinisten. wie sie hier" genannt werden,
schlagen ihr Lager an den Bollwerken auf, welche beide Seiten der Seine
während ihres Laufes durch die Stadt stundenweit eindämmen. Die Brust¬
wehr, welche den Bürgersteig gegen den Fluß zu schützt, dient ihnen als Laden¬
tisch. Auf diesen stellen sie die offnen Kisten, oft zwanzig, dreißig nebenein¬
ander, in denen ihre Waaren enthalten sind. An jeder Kiste ist gewöhnlich ein
Zettel befestigt, der Stück für Stück den Preis ihres Inhalts angibt. Zwischen
gut und schlecht, zwischen vollständigen und unvollständigen Büchern wird
kein Unterschied mehr gemacht -- was darin ist, ist zu einem und demselben
Preise zu haben. So müssen sich denn Bücher zuletzt derselben Behandlung
unterziehen, wie wir sie an Eiern, und Aepfeln gewöhnt sind.

Dabei drängt sich mir die Bemerkung aus, welch eigenthümlichen Contrast
dieses demüthige Verfahren zu dem berechtigten Stolze so manchen Schrift¬
stellers bildet, dessen Werke davon betroffen werden. Werke, die einst berühmt
waren, -- Werke, die als sie zuerst aus des Druckers und Buchhändlers Hän¬
den kamen, nur von wohlgefüllten Börsen erworben werden konnten, kann
man hier für fünf oder zehn Sous haben. Für wenige Franken, glaube ich,
könntest Du manches Mal auf den pariser Bollwerken die Literatur eines gan¬
zen Volkes, die Gelehrsamkeit einer ganzen Aera zu kaufen bekommen. Du
... .Lotte ""l"<1j"ni">


Uebersetzungen des Homer, Aristophanes. Aeschylus, Euripides, Sophokles,
Herodot, Thucydides, Z'enophon, Plato u. s. w. Die Sammlung enthält
auch die berühmtesten lateinischen Schriftsteller, und einige erlesene Werke der
deutschen, italienischen und englischen Literatur. Der Liebhaber leichter Lite¬
ratur wird also zu Jaccottet und Levy gehen; wer sich mit ernsthafter'Lec-
ture beschäftigt, zu Charpentier.

Die billigen Ausgaben der Herren Firmin Didot Co. stehen mit der ob-
genannten Sammlung auf gleicher Stufe. Für drei Franken bekommt man
ein tüchtiges Buch von fünf oder sechshundert enggedruckten Seiten, vielleicht
ein bischen zu eng und in etwas zu kleinen, aber sehr klaren Typen gesetzt.
Die Herren Didot widmen ihre billige Sammlung fast gänzlich classischen
Autoren. Sie enthält die Werke von Moliüre, Beaumarchais, Chateau¬
briand, Bernardin de Senne-Pierre, Buffon, Diderot, F<in6lon, Regnard, Pas-
quier, Pascal, Montesquieu, Madame de Staöl, Voltaire :c., nebst mehren
jener Schriftsteller, die ich oben unter der Sammlung Charpentier ausgeführt
habe. Viele der Dreifrankenbände von Didot sind in den Läden für die
Hälfte zu haben, hingegen sind manche von Charpentier schon ganz aus dem
Handel.

Mein Capitel über die billige Literatur von Paris würde, ohne einige
Worte über den Handel mit alten Büchern, unvollständig bleiben. Es ist
dies ein Handel, in Betreff dessen die französische Hauptstadt schon lange be¬
rühmt ist. Die Büchertrödler oder Bouquinisten. wie sie hier» genannt werden,
schlagen ihr Lager an den Bollwerken auf, welche beide Seiten der Seine
während ihres Laufes durch die Stadt stundenweit eindämmen. Die Brust¬
wehr, welche den Bürgersteig gegen den Fluß zu schützt, dient ihnen als Laden¬
tisch. Auf diesen stellen sie die offnen Kisten, oft zwanzig, dreißig nebenein¬
ander, in denen ihre Waaren enthalten sind. An jeder Kiste ist gewöhnlich ein
Zettel befestigt, der Stück für Stück den Preis ihres Inhalts angibt. Zwischen
gut und schlecht, zwischen vollständigen und unvollständigen Büchern wird
kein Unterschied mehr gemacht — was darin ist, ist zu einem und demselben
Preise zu haben. So müssen sich denn Bücher zuletzt derselben Behandlung
unterziehen, wie wir sie an Eiern, und Aepfeln gewöhnt sind.

Dabei drängt sich mir die Bemerkung aus, welch eigenthümlichen Contrast
dieses demüthige Verfahren zu dem berechtigten Stolze so manchen Schrift¬
stellers bildet, dessen Werke davon betroffen werden. Werke, die einst berühmt
waren, — Werke, die als sie zuerst aus des Druckers und Buchhändlers Hän¬
den kamen, nur von wohlgefüllten Börsen erworben werden konnten, kann
man hier für fünf oder zehn Sous haben. Für wenige Franken, glaube ich,
könntest Du manches Mal auf den pariser Bollwerken die Literatur eines gan¬
zen Volkes, die Gelehrsamkeit einer ganzen Aera zu kaufen bekommen. Du
... .Lotte «»l»<1j»ni«>


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187356"/>
          <p xml:id="ID_1134" prev="#ID_1133"> Uebersetzungen des Homer, Aristophanes. Aeschylus, Euripides, Sophokles,<lb/>
Herodot, Thucydides, Z'enophon, Plato u. s. w. Die Sammlung enthält<lb/>
auch die berühmtesten lateinischen Schriftsteller, und einige erlesene Werke der<lb/>
deutschen, italienischen und englischen Literatur. Der Liebhaber leichter Lite¬<lb/>
ratur wird also zu Jaccottet und Levy gehen; wer sich mit ernsthafter'Lec-<lb/>
ture beschäftigt, zu Charpentier.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1135"> Die billigen Ausgaben der Herren Firmin Didot Co. stehen mit der ob-<lb/>
genannten Sammlung auf gleicher Stufe. Für drei Franken bekommt man<lb/>
ein tüchtiges Buch von fünf oder sechshundert enggedruckten Seiten, vielleicht<lb/>
ein bischen zu eng und in etwas zu kleinen, aber sehr klaren Typen gesetzt.<lb/>
Die Herren Didot widmen ihre billige Sammlung fast gänzlich classischen<lb/>
Autoren. Sie enthält die Werke von Moliüre, Beaumarchais, Chateau¬<lb/>
briand, Bernardin de Senne-Pierre, Buffon, Diderot, F&lt;in6lon, Regnard, Pas-<lb/>
quier, Pascal, Montesquieu, Madame de Staöl, Voltaire :c., nebst mehren<lb/>
jener Schriftsteller, die ich oben unter der Sammlung Charpentier ausgeführt<lb/>
habe. Viele der Dreifrankenbände von Didot sind in den Läden für die<lb/>
Hälfte zu haben, hingegen sind manche von Charpentier schon ganz aus dem<lb/>
Handel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1136"> Mein Capitel über die billige Literatur von Paris würde, ohne einige<lb/>
Worte über den Handel mit alten Büchern, unvollständig bleiben. Es ist<lb/>
dies ein Handel, in Betreff dessen die französische Hauptstadt schon lange be¬<lb/>
rühmt ist. Die Büchertrödler oder Bouquinisten. wie sie hier» genannt werden,<lb/>
schlagen ihr Lager an den Bollwerken auf, welche beide Seiten der Seine<lb/>
während ihres Laufes durch die Stadt stundenweit eindämmen. Die Brust¬<lb/>
wehr, welche den Bürgersteig gegen den Fluß zu schützt, dient ihnen als Laden¬<lb/>
tisch. Auf diesen stellen sie die offnen Kisten, oft zwanzig, dreißig nebenein¬<lb/>
ander, in denen ihre Waaren enthalten sind. An jeder Kiste ist gewöhnlich ein<lb/>
Zettel befestigt, der Stück für Stück den Preis ihres Inhalts angibt. Zwischen<lb/>
gut und schlecht, zwischen vollständigen und unvollständigen Büchern wird<lb/>
kein Unterschied mehr gemacht &#x2014; was darin ist, ist zu einem und demselben<lb/>
Preise zu haben. So müssen sich denn Bücher zuletzt derselben Behandlung<lb/>
unterziehen, wie wir sie an Eiern, und Aepfeln gewöhnt sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1137" next="#ID_1138"> Dabei drängt sich mir die Bemerkung aus, welch eigenthümlichen Contrast<lb/>
dieses demüthige Verfahren zu dem berechtigten Stolze so manchen Schrift¬<lb/>
stellers bildet, dessen Werke davon betroffen werden. Werke, die einst berühmt<lb/>
waren, &#x2014; Werke, die als sie zuerst aus des Druckers und Buchhändlers Hän¬<lb/>
den kamen, nur von wohlgefüllten Börsen erworben werden konnten, kann<lb/>
man hier für fünf oder zehn Sous haben. Für wenige Franken, glaube ich,<lb/>
könntest Du manches Mal auf den pariser Bollwerken die Literatur eines gan¬<lb/>
zen Volkes, die Gelehrsamkeit einer ganzen Aera zu kaufen bekommen. Du<lb/>
... .Lotte «»l»&lt;1j»ni«&gt;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0404] Uebersetzungen des Homer, Aristophanes. Aeschylus, Euripides, Sophokles, Herodot, Thucydides, Z'enophon, Plato u. s. w. Die Sammlung enthält auch die berühmtesten lateinischen Schriftsteller, und einige erlesene Werke der deutschen, italienischen und englischen Literatur. Der Liebhaber leichter Lite¬ ratur wird also zu Jaccottet und Levy gehen; wer sich mit ernsthafter'Lec- ture beschäftigt, zu Charpentier. Die billigen Ausgaben der Herren Firmin Didot Co. stehen mit der ob- genannten Sammlung auf gleicher Stufe. Für drei Franken bekommt man ein tüchtiges Buch von fünf oder sechshundert enggedruckten Seiten, vielleicht ein bischen zu eng und in etwas zu kleinen, aber sehr klaren Typen gesetzt. Die Herren Didot widmen ihre billige Sammlung fast gänzlich classischen Autoren. Sie enthält die Werke von Moliüre, Beaumarchais, Chateau¬ briand, Bernardin de Senne-Pierre, Buffon, Diderot, F<in6lon, Regnard, Pas- quier, Pascal, Montesquieu, Madame de Staöl, Voltaire :c., nebst mehren jener Schriftsteller, die ich oben unter der Sammlung Charpentier ausgeführt habe. Viele der Dreifrankenbände von Didot sind in den Läden für die Hälfte zu haben, hingegen sind manche von Charpentier schon ganz aus dem Handel. Mein Capitel über die billige Literatur von Paris würde, ohne einige Worte über den Handel mit alten Büchern, unvollständig bleiben. Es ist dies ein Handel, in Betreff dessen die französische Hauptstadt schon lange be¬ rühmt ist. Die Büchertrödler oder Bouquinisten. wie sie hier» genannt werden, schlagen ihr Lager an den Bollwerken auf, welche beide Seiten der Seine während ihres Laufes durch die Stadt stundenweit eindämmen. Die Brust¬ wehr, welche den Bürgersteig gegen den Fluß zu schützt, dient ihnen als Laden¬ tisch. Auf diesen stellen sie die offnen Kisten, oft zwanzig, dreißig nebenein¬ ander, in denen ihre Waaren enthalten sind. An jeder Kiste ist gewöhnlich ein Zettel befestigt, der Stück für Stück den Preis ihres Inhalts angibt. Zwischen gut und schlecht, zwischen vollständigen und unvollständigen Büchern wird kein Unterschied mehr gemacht — was darin ist, ist zu einem und demselben Preise zu haben. So müssen sich denn Bücher zuletzt derselben Behandlung unterziehen, wie wir sie an Eiern, und Aepfeln gewöhnt sind. Dabei drängt sich mir die Bemerkung aus, welch eigenthümlichen Contrast dieses demüthige Verfahren zu dem berechtigten Stolze so manchen Schrift¬ stellers bildet, dessen Werke davon betroffen werden. Werke, die einst berühmt waren, — Werke, die als sie zuerst aus des Druckers und Buchhändlers Hän¬ den kamen, nur von wohlgefüllten Börsen erworben werden konnten, kann man hier für fünf oder zehn Sous haben. Für wenige Franken, glaube ich, könntest Du manches Mal auf den pariser Bollwerken die Literatur eines gan¬ zen Volkes, die Gelehrsamkeit einer ganzen Aera zu kaufen bekommen. Du ... .Lotte «»l»<1j»ni«>

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/404
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/404>, abgerufen am 24.07.2024.