Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.So hat die Königsberger Sonntagspost mehrfach die Sache aufgefaßt. Nun versetze man sich aber in eine Dorfgemeinde, und male sich aus, Die neuen Prediger mögen noch so sehr bemüht sein, sich nur als Vertreter In No. 51. stellt die Köniqsberger Sonntagspost ihr Ideal des neuen ..So bunt es übrigens auch bei dieser Auferstehung aussehen wird, wir So hat die Königsberger Sonntagspost mehrfach die Sache aufgefaßt. Nun versetze man sich aber in eine Dorfgemeinde, und male sich aus, Die neuen Prediger mögen noch so sehr bemüht sein, sich nur als Vertreter In No. 51. stellt die Köniqsberger Sonntagspost ihr Ideal des neuen ..So bunt es übrigens auch bei dieser Auferstehung aussehen wird, wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186976"/> <p xml:id="ID_61"> So hat die Königsberger Sonntagspost mehrfach die Sache aufgefaßt.<lb/> Der Prediger tritt der Gemeinde nicht kraft irgend welcher Autorität gegen¬<lb/> über, um sie zu belehren und zu erbauen, sondern unter seinem Vorsitz und<lb/> unter seiner Leitung setzt sich die Gemeinde zusammen, um durch Nachdenken<lb/> und Unterredung ein einheitliches Gemeindebewußtsein hervorzubringen. Es<lb/> ist nicht ein Wissender, der die Kirche trägt, sondern eine Reihe von<lb/> Strebenden, die gemeinschaftlich den Herrn suchen. In einem Kreise, wo die<lb/> Studirten überwiegen, und wo die leitende Persönlichkeit bedeutend genug ist.<lb/> um keine ernsthafte Disputirsucht aufkommen zu lassen, ist ein solches Ver¬<lb/> fahren auch unverfänglich: denn wenn die Suchenden den Herrn nicht senden.<lb/> so ist damit auch nichts verloren.</p><lb/> <p xml:id="ID_62"> Nun versetze man sich aber in eine Dorfgemeinde, und male sich aus,<lb/> daß der Herr Candidat die Bauern versammelt, um durch gemeinschaftliches<lb/> Nachdenken und Unterreden den Herrn zu suchen! sollte es ihm in der That ge¬<lb/> lingen, den Bauern begreiflich zu machen, daß sie der Träger der Kirche sind<lb/> und nicht er, — was ihm zu Anfang schwer werden wird. — so furchten<lb/> wir. das Endresultat werde mit zerbrochenen Schemelbeinen in irgend einer<lb/> Verbindung stehn. Wer sich einmal unbefangen unsre Bauern angesehn hat.<lb/> wird sich davon überzeugen, daß ihnen gegenüber die Kirche noch immer eure<lb/> sehr erhebliche Mission hat. daß sie ihnen gegenüber die Moral und Civili¬<lb/> sation vertritt, und daß sie das nur insofern vermag, als sie ihnen Mit der<lb/> Autorität einer hohem Macht ausgerüstet erscheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_63"> Die neuen Prediger mögen noch so sehr bemüht sein, sich nur als Vertreter<lb/> ihrer Gemeinde darzustellen, sie können doch ihre Erziehung, die sie dem Gym¬<lb/> nasium, der Universität und der Kirche verdanken, nicht verleugnen. Was<lb/> soll aber erst geschehn, wenn diese Erziehung aufhört! wenn es jedem Haufen<lb/> verstattet ist. sich ein beliebiges Individuum, das ihm convenire. zum Predi¬<lb/> ger zu setzen! Und darauf wird in der That hingearbeitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_64"> In No. 51. stellt die Köniqsberger Sonntagspost ihr Ideal des neuen<lb/> kirchlichen Lebens fest. Sie geht von der Nothwendigkeit aus. in Preußen<lb/> die evangelische Kirche frei zu geben d. h. alle directe und indirecte Be¬<lb/> theiligung des Staats aufhören zu lassen. „Wir machen keinen Anspruch<lb/> auf den Ruhm eines Propheten, aber dazu ist. wie uns dünkt, auch kein<lb/> Prophet nöthig, sondern dazu bedarf es nur eiuer unbefangenen Betrachtung<lb/> dessen, was im Volke lebt, um vorauszusagen, daß, so wie der Staat dem<lb/> bestehenden Kirchenregiment seinen Arm entzieht, die zwangsweise zusammen¬<lb/> gehaltene Einheit der evangelischen Kirche Preußens ohne weiteres auseinander¬<lb/> fällt, und wir fürs Erste nichts weiter haben als eitel freie protestantische<lb/> Gemeinden."</p><lb/> <p xml:id="ID_65" next="#ID_66"> ..So bunt es übrigens auch bei dieser Auferstehung aussehen wird, wir</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
So hat die Königsberger Sonntagspost mehrfach die Sache aufgefaßt.
Der Prediger tritt der Gemeinde nicht kraft irgend welcher Autorität gegen¬
über, um sie zu belehren und zu erbauen, sondern unter seinem Vorsitz und
unter seiner Leitung setzt sich die Gemeinde zusammen, um durch Nachdenken
und Unterredung ein einheitliches Gemeindebewußtsein hervorzubringen. Es
ist nicht ein Wissender, der die Kirche trägt, sondern eine Reihe von
Strebenden, die gemeinschaftlich den Herrn suchen. In einem Kreise, wo die
Studirten überwiegen, und wo die leitende Persönlichkeit bedeutend genug ist.
um keine ernsthafte Disputirsucht aufkommen zu lassen, ist ein solches Ver¬
fahren auch unverfänglich: denn wenn die Suchenden den Herrn nicht senden.
so ist damit auch nichts verloren.
Nun versetze man sich aber in eine Dorfgemeinde, und male sich aus,
daß der Herr Candidat die Bauern versammelt, um durch gemeinschaftliches
Nachdenken und Unterreden den Herrn zu suchen! sollte es ihm in der That ge¬
lingen, den Bauern begreiflich zu machen, daß sie der Träger der Kirche sind
und nicht er, — was ihm zu Anfang schwer werden wird. — so furchten
wir. das Endresultat werde mit zerbrochenen Schemelbeinen in irgend einer
Verbindung stehn. Wer sich einmal unbefangen unsre Bauern angesehn hat.
wird sich davon überzeugen, daß ihnen gegenüber die Kirche noch immer eure
sehr erhebliche Mission hat. daß sie ihnen gegenüber die Moral und Civili¬
sation vertritt, und daß sie das nur insofern vermag, als sie ihnen Mit der
Autorität einer hohem Macht ausgerüstet erscheint.
Die neuen Prediger mögen noch so sehr bemüht sein, sich nur als Vertreter
ihrer Gemeinde darzustellen, sie können doch ihre Erziehung, die sie dem Gym¬
nasium, der Universität und der Kirche verdanken, nicht verleugnen. Was
soll aber erst geschehn, wenn diese Erziehung aufhört! wenn es jedem Haufen
verstattet ist. sich ein beliebiges Individuum, das ihm convenire. zum Predi¬
ger zu setzen! Und darauf wird in der That hingearbeitet.
In No. 51. stellt die Köniqsberger Sonntagspost ihr Ideal des neuen
kirchlichen Lebens fest. Sie geht von der Nothwendigkeit aus. in Preußen
die evangelische Kirche frei zu geben d. h. alle directe und indirecte Be¬
theiligung des Staats aufhören zu lassen. „Wir machen keinen Anspruch
auf den Ruhm eines Propheten, aber dazu ist. wie uns dünkt, auch kein
Prophet nöthig, sondern dazu bedarf es nur eiuer unbefangenen Betrachtung
dessen, was im Volke lebt, um vorauszusagen, daß, so wie der Staat dem
bestehenden Kirchenregiment seinen Arm entzieht, die zwangsweise zusammen¬
gehaltene Einheit der evangelischen Kirche Preußens ohne weiteres auseinander¬
fällt, und wir fürs Erste nichts weiter haben als eitel freie protestantische
Gemeinden."
..So bunt es übrigens auch bei dieser Auferstehung aussehen wird, wir
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