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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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derte lang still und unbemerkt an der Zerstörung des alten Roms gearbeitet;
und gewiß viel nachhaltiger und wirksamer die antiken Gebäude vernichtet,
als es die (Rothen und Nandalen in einer Plünderung von wenigen Tagen
haben thun können. --

Die Zeit, welche wir bisher betrachtet haben, und welche wir etwa von
Konstantin bis aus Karl den Großen und dessen Kaiserkrönung in der Peters-
en'che rechnen können, dürfen wir ansehen als den Uebergang des antiken
Roms in das des Mittelalters. Das wahre Mittelalter der Stadt dürfen
Wir rechnen von Karl dem Großen bis auf das Ende des großen Schisma
oder bis zur Wiederkehr der Papste aus Avignon im Jahr 1417. Dieser
Zeitraum hat nicht minder zerstörend gewirkt, als der eben besprochene. Trotz
aller Zerstörungen der vorangegangenen Zeit war doch noch vieles vorhanden,
was jetzt entweder spurlos verschwunden, oder doch nur trümmerhaft erhalten
ist. und Karl der Große wird Rom noch in einem viel glänzenderen Zustand
Stehen haben, als es uns jetzt vergönnt ist. Das Colosseum muß damals
"och wenig gelitten gehabt haben; die Kaiserpaläste auf dem Palatin, wo jetzt Kohl
wächst, müssen damals noch in einem so weit bewohnbaren Zustand gewesen
sem. daß Karl der Große dort Hof halten konnte; und in den Beschreibungen
s"ner Krönung werden noch manche Gebäude erwähnt, die jetzt spurlos ver"
schwunden sind. Aus dieser Zeit, aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts
stammt eine unsrer wichtigsten Quellen zur Kenntniß des alten Roms, man-
i'es der sogenannte Anonymus von Einsiedeln. Hierunter versteht man zwei
Kloster Einsiedeln erhaltene Handschriften, in welchen ein Unbekannter, der
Wahrscheinlich im Anfang des 9. Jahrhunderts Rom besuchte, topographische
^tizen doppelter Art zusammengestellt hat. Die eine ist eine Sammlung von
Inschriften von öffentlichen Bauwerken und Denkmalen, auch von christlichen,
"ber vorzugsweise von altrömischen, in topographischer Ordnung zusammen¬
heilt. Die andere Handschrift ist eine Beschreibung verschiedener Wege
durch die Stadt. Der Verfasser gibt jederzeit den Punkt an, von dem er
ausgeht, und das Ziel seiner Wege und nennt nun die ans demselben zur
Rechten und Linken am Wege liegenden bedeutenderen Gebäude, namentlich die
"Aelter Bauwerke. Wir sehen daraus, daß er noch viele jetzt verschwundene
Denkmale gesehen haben muß. und manche schwierige topographische Frage
^ um- durch die Angabe des Anonymus von Einsiedeln mit Sicherheit zu ent¬
scheiden. Namentlich ist die richtige Benennung mancher am Forum liegenden
Gebäude erst durch seine Angaben festgestellt; so der Ruinen der acht Säulen
^emvel des Saturn), der drei Säulen (Tempel des Bespasian). und der daneben-
^gente jetzt verschwundene Tempel der Concordia. dessen Inschrift er noch abge¬
schrieben hat. Ueberhaupt muß damals das Forum noch eine ganz andere Gestalt
^ jetzt gehabt haben. Denn während es in spätern Jahrhunderten bis zu


derte lang still und unbemerkt an der Zerstörung des alten Roms gearbeitet;
und gewiß viel nachhaltiger und wirksamer die antiken Gebäude vernichtet,
als es die (Rothen und Nandalen in einer Plünderung von wenigen Tagen
haben thun können. —

Die Zeit, welche wir bisher betrachtet haben, und welche wir etwa von
Konstantin bis aus Karl den Großen und dessen Kaiserkrönung in der Peters-
en'che rechnen können, dürfen wir ansehen als den Uebergang des antiken
Roms in das des Mittelalters. Das wahre Mittelalter der Stadt dürfen
Wir rechnen von Karl dem Großen bis auf das Ende des großen Schisma
oder bis zur Wiederkehr der Papste aus Avignon im Jahr 1417. Dieser
Zeitraum hat nicht minder zerstörend gewirkt, als der eben besprochene. Trotz
aller Zerstörungen der vorangegangenen Zeit war doch noch vieles vorhanden,
was jetzt entweder spurlos verschwunden, oder doch nur trümmerhaft erhalten
ist. und Karl der Große wird Rom noch in einem viel glänzenderen Zustand
Stehen haben, als es uns jetzt vergönnt ist. Das Colosseum muß damals
"och wenig gelitten gehabt haben; die Kaiserpaläste auf dem Palatin, wo jetzt Kohl
wächst, müssen damals noch in einem so weit bewohnbaren Zustand gewesen
sem. daß Karl der Große dort Hof halten konnte; und in den Beschreibungen
s"ner Krönung werden noch manche Gebäude erwähnt, die jetzt spurlos ver»
schwunden sind. Aus dieser Zeit, aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts
stammt eine unsrer wichtigsten Quellen zur Kenntniß des alten Roms, man-
i'es der sogenannte Anonymus von Einsiedeln. Hierunter versteht man zwei
Kloster Einsiedeln erhaltene Handschriften, in welchen ein Unbekannter, der
Wahrscheinlich im Anfang des 9. Jahrhunderts Rom besuchte, topographische
^tizen doppelter Art zusammengestellt hat. Die eine ist eine Sammlung von
Inschriften von öffentlichen Bauwerken und Denkmalen, auch von christlichen,
"ber vorzugsweise von altrömischen, in topographischer Ordnung zusammen¬
heilt. Die andere Handschrift ist eine Beschreibung verschiedener Wege
durch die Stadt. Der Verfasser gibt jederzeit den Punkt an, von dem er
ausgeht, und das Ziel seiner Wege und nennt nun die ans demselben zur
Rechten und Linken am Wege liegenden bedeutenderen Gebäude, namentlich die
"Aelter Bauwerke. Wir sehen daraus, daß er noch viele jetzt verschwundene
Denkmale gesehen haben muß. und manche schwierige topographische Frage
^ um- durch die Angabe des Anonymus von Einsiedeln mit Sicherheit zu ent¬
scheiden. Namentlich ist die richtige Benennung mancher am Forum liegenden
Gebäude erst durch seine Angaben festgestellt; so der Ruinen der acht Säulen
^emvel des Saturn), der drei Säulen (Tempel des Bespasian). und der daneben-
^gente jetzt verschwundene Tempel der Concordia. dessen Inschrift er noch abge¬
schrieben hat. Ueberhaupt muß damals das Forum noch eine ganz andere Gestalt
^ jetzt gehabt haben. Denn während es in spätern Jahrhunderten bis zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/231>, abgerufen am 02.07.2024.