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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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die 22 Säulen, welche in S. Maria in Trastevere das Mittelschiff tragen,
theils aus rothem, theils aus grauem Granit, von ganz verschiedener Dicke,
mit ganz ungleichen zum Theil korinthischen, zum Theil ionischen Kapitalen und
mit ganz ungleichen Basen. Am buntesten sieht es in dieser Hinsicht in der auch
sonst sehr interessanten Kirche S. Lorenzo fuori le aura aus. Hier ist eine
kleinere sehr alte Kirche durch ein vorgebautes größeres Schiff in eine größere
Kirche umgewandelt, in der Weise, daß die ältere Kirche jetzt den Chor der
größeren bildet.' Beide Theile dieses sonderbaren Baues aber sind aus bunt
zusammengewürfelten antiken Architcktnrstückcn gebaut. Die Hintere kleinere
und ältere Kirche wird von einer doppelten Säulenreihe, eine über der andern,
auf drei Seiten umgeben. Die obere Kirche bildete ohne Zweifel ursprünglich
eine Emporkirche, wie wir sie noch jetzt in S. Agnese sehen. Die Säulen
der unteren Reihe stehen bis weit über die Hälfte in dem erhöhten Fußboden
und sind erst in diesem Jahrhundert wieder bis an ihre Basen ausgegraben!
sie sind sämmtlich schöne cannelirte Säulen von Paonazzetto (phrygischer
nor); die ihnen aufgesetzten Kapitäle aber gehören ursprünglich nicht zu ihnen
und sind aus verschiedenen Zeiten und von verschiedenem Werthe der Arbeit,
zum Theil von korinthischer, zum Theil von ionischer Ordnung; die viel klei¬
neren Säulen der obern Reihe sind von weißem Marmor und theils
gerade, theils gewunden carmelirt; zwei von ihnen aber sind von grünem
Serpentin. Das reich verzierte Gebälk zwischen diesen beiden Säulenreihen
ist gleichfalls aus verschiedenen, meistens sehr schön gearbeiteten, aber gM
unznsammengehörigen antiken Architekturstücken zusammengesetzt. Auf ähnliche
Weise wird das vordere größere Schiff der Kirche von 22 antiken Säulen,
theils von Granit, theils von Cipollin (karystischer Marmor) getragen, die
auch sämmtlich von ungleicher Stärke und Arbeit sind. Aus dieser BesäN'^"
dung kann man sich ein annäherndes Bild davon machen, von wie vielen
antiken Gebäuden man diese Baustücke genommen haben mag. Ich
nicht mit der Aufzählung andrer Kirchen ermüden. Nur das will ich noch
erwähnen, daß von den mehr als 300 Kirchen des gegenwärtigen Rom fast
alle diejenigen, deren Anlage in Yie frühern Zeiten des Mittelalters hinauf'
reicht, von antiken Architekturstücken angefüllt sind. Außerdem baute man
noch einen Porticus von der alten Peterskirche bis zur Engelsbrücke, und
einen andern sogar von S. Paul bis zum Thor, gleichfalls natürlich aus a"'
eilen Säulen. Man mag daraus schließen, wie außerordentlich groß die Z"y
der also verwandten Säulen gewesen sein muß. Waren nun die Säulen
von dem antiken Gebäude weggenommen, so stürzte dasselbe natürlich
oder spät zusammen; und die noch übrigen Baumaterialien eines solclM
herrenlos untergehenden Gebäudes griff dann jeder an und benutzte sie.
er konnte und mochte. Aus diese Weise haben die alten Christen Jahrhu"'


die 22 Säulen, welche in S. Maria in Trastevere das Mittelschiff tragen,
theils aus rothem, theils aus grauem Granit, von ganz verschiedener Dicke,
mit ganz ungleichen zum Theil korinthischen, zum Theil ionischen Kapitalen und
mit ganz ungleichen Basen. Am buntesten sieht es in dieser Hinsicht in der auch
sonst sehr interessanten Kirche S. Lorenzo fuori le aura aus. Hier ist eine
kleinere sehr alte Kirche durch ein vorgebautes größeres Schiff in eine größere
Kirche umgewandelt, in der Weise, daß die ältere Kirche jetzt den Chor der
größeren bildet.' Beide Theile dieses sonderbaren Baues aber sind aus bunt
zusammengewürfelten antiken Architcktnrstückcn gebaut. Die Hintere kleinere
und ältere Kirche wird von einer doppelten Säulenreihe, eine über der andern,
auf drei Seiten umgeben. Die obere Kirche bildete ohne Zweifel ursprünglich
eine Emporkirche, wie wir sie noch jetzt in S. Agnese sehen. Die Säulen
der unteren Reihe stehen bis weit über die Hälfte in dem erhöhten Fußboden
und sind erst in diesem Jahrhundert wieder bis an ihre Basen ausgegraben!
sie sind sämmtlich schöne cannelirte Säulen von Paonazzetto (phrygischer
nor); die ihnen aufgesetzten Kapitäle aber gehören ursprünglich nicht zu ihnen
und sind aus verschiedenen Zeiten und von verschiedenem Werthe der Arbeit,
zum Theil von korinthischer, zum Theil von ionischer Ordnung; die viel klei¬
neren Säulen der obern Reihe sind von weißem Marmor und theils
gerade, theils gewunden carmelirt; zwei von ihnen aber sind von grünem
Serpentin. Das reich verzierte Gebälk zwischen diesen beiden Säulenreihen
ist gleichfalls aus verschiedenen, meistens sehr schön gearbeiteten, aber gM
unznsammengehörigen antiken Architekturstücken zusammengesetzt. Auf ähnliche
Weise wird das vordere größere Schiff der Kirche von 22 antiken Säulen,
theils von Granit, theils von Cipollin (karystischer Marmor) getragen, die
auch sämmtlich von ungleicher Stärke und Arbeit sind. Aus dieser BesäN'^"
dung kann man sich ein annäherndes Bild davon machen, von wie vielen
antiken Gebäuden man diese Baustücke genommen haben mag. Ich
nicht mit der Aufzählung andrer Kirchen ermüden. Nur das will ich noch
erwähnen, daß von den mehr als 300 Kirchen des gegenwärtigen Rom fast
alle diejenigen, deren Anlage in Yie frühern Zeiten des Mittelalters hinauf'
reicht, von antiken Architekturstücken angefüllt sind. Außerdem baute man
noch einen Porticus von der alten Peterskirche bis zur Engelsbrücke, und
einen andern sogar von S. Paul bis zum Thor, gleichfalls natürlich aus a»'
eilen Säulen. Man mag daraus schließen, wie außerordentlich groß die Z"y
der also verwandten Säulen gewesen sein muß. Waren nun die Säulen
von dem antiken Gebäude weggenommen, so stürzte dasselbe natürlich
oder spät zusammen; und die noch übrigen Baumaterialien eines solclM
herrenlos untergehenden Gebäudes griff dann jeder an und benutzte sie.
er konnte und mochte. Aus diese Weise haben die alten Christen Jahrhu"'


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[0230] die 22 Säulen, welche in S. Maria in Trastevere das Mittelschiff tragen, theils aus rothem, theils aus grauem Granit, von ganz verschiedener Dicke, mit ganz ungleichen zum Theil korinthischen, zum Theil ionischen Kapitalen und mit ganz ungleichen Basen. Am buntesten sieht es in dieser Hinsicht in der auch sonst sehr interessanten Kirche S. Lorenzo fuori le aura aus. Hier ist eine kleinere sehr alte Kirche durch ein vorgebautes größeres Schiff in eine größere Kirche umgewandelt, in der Weise, daß die ältere Kirche jetzt den Chor der größeren bildet.' Beide Theile dieses sonderbaren Baues aber sind aus bunt zusammengewürfelten antiken Architcktnrstückcn gebaut. Die Hintere kleinere und ältere Kirche wird von einer doppelten Säulenreihe, eine über der andern, auf drei Seiten umgeben. Die obere Kirche bildete ohne Zweifel ursprünglich eine Emporkirche, wie wir sie noch jetzt in S. Agnese sehen. Die Säulen der unteren Reihe stehen bis weit über die Hälfte in dem erhöhten Fußboden und sind erst in diesem Jahrhundert wieder bis an ihre Basen ausgegraben! sie sind sämmtlich schöne cannelirte Säulen von Paonazzetto (phrygischer nor); die ihnen aufgesetzten Kapitäle aber gehören ursprünglich nicht zu ihnen und sind aus verschiedenen Zeiten und von verschiedenem Werthe der Arbeit, zum Theil von korinthischer, zum Theil von ionischer Ordnung; die viel klei¬ neren Säulen der obern Reihe sind von weißem Marmor und theils gerade, theils gewunden carmelirt; zwei von ihnen aber sind von grünem Serpentin. Das reich verzierte Gebälk zwischen diesen beiden Säulenreihen ist gleichfalls aus verschiedenen, meistens sehr schön gearbeiteten, aber gM unznsammengehörigen antiken Architekturstücken zusammengesetzt. Auf ähnliche Weise wird das vordere größere Schiff der Kirche von 22 antiken Säulen, theils von Granit, theils von Cipollin (karystischer Marmor) getragen, die auch sämmtlich von ungleicher Stärke und Arbeit sind. Aus dieser BesäN'^" dung kann man sich ein annäherndes Bild davon machen, von wie vielen antiken Gebäuden man diese Baustücke genommen haben mag. Ich nicht mit der Aufzählung andrer Kirchen ermüden. Nur das will ich noch erwähnen, daß von den mehr als 300 Kirchen des gegenwärtigen Rom fast alle diejenigen, deren Anlage in Yie frühern Zeiten des Mittelalters hinauf' reicht, von antiken Architekturstücken angefüllt sind. Außerdem baute man noch einen Porticus von der alten Peterskirche bis zur Engelsbrücke, und einen andern sogar von S. Paul bis zum Thor, gleichfalls natürlich aus a»' eilen Säulen. Man mag daraus schließen, wie außerordentlich groß die Z"y der also verwandten Säulen gewesen sein muß. Waren nun die Säulen von dem antiken Gebäude weggenommen, so stürzte dasselbe natürlich oder spät zusammen; und die noch übrigen Baumaterialien eines solclM herrenlos untergehenden Gebäudes griff dann jeder an und benutzte sie. er konnte und mochte. Aus diese Weise haben die alten Christen Jahrhu"'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/230>, abgerufen am 04.07.2024.