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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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auf das unzweideutigste zu erkennen. Wie das Comitö um seine Gäste sich
bemühte, kann der ewe Umstand beweisen, daß es an dem ersten Tage der
Versammlung und den zunächst vorhergehenden bei allen ankommenden Zügen
auf den Lahnhöfen vertreten war. was in Wien etwas Anderes heißen writ
als in einer deutschem Mittelstadt. Ließen auch bei der Schwierigkeit des
Terrains, den grade in Wien so mannigfach sieh durchkreuzenden Rücksichten,
d'e zu nehmen waren, den die Geschäftsführung auf das äußerste erschweren¬
den weiten Dimensionen des Ortes einzelne Versäumnisse sich nicht vermelden.
s° hat es doch den Dank aller uicht ganz unbilligen Mitglieder der Versamm¬
lung in reichem Maße sich erworben; auch wurde der Festcharakter des Gau-
l°u würdig gewahrt und den Fremden eine Reihe edler Genüsse geboten.

Daß unter diesen eine Fahrt nach dem Semmering nicht fehlte, war na¬
türlich; denn Oestreich läßt nicht gern eine Gelegenheit vorübergehen, auf d>e
^waldige Eisenstraße 'hinzuweisen, mit deren Anlage es bis jetzt in Europa
unerreicht dasteht. Auch handelte es sich nicht blos um eine Befriedigung
d^ östreichischen Stolzes, sondern zugleich um eine Gelegenheit. Auge und
'Wz an dein Anblick großartiger Naturschönheiten zu erlaben, die als Erho¬
lung von dem betäubenden großstädtischen Treiben um so willkommener war.
Am Morgen des zweiten Versammlungstages, eines Sonntages, traf man
aus dem Südbahnhofe zur festgesetzten Zeit zusammen und vertheilte sich in
die bereitstehenden Waggons, welche bald, da ein Zug für die große Zahl acht
hinreichte, in zwei Züge geordnet sich in Bewegung setzten. Erbarmungslos
duschten die ^üge an denStationen vorüber, von denen mancher sehnsüchtige
^kick ihnen folgte, bis nach zweistündiger Fahrt Halt gemacht wurde. Gesang
"'tönte zur großen Überraschung der Gäste, denn keiner hatte in der Eile des
Ansteigens aus dem wiener Bahnhof bemerkt, daß der erste Waggon den wie-
U" Männergcsangverein aufgenommen hatte, dessen geübte Stimmen jetzt durch
bntre Lieder die Pause verschönte,!. Gleichzeitig wurden auch Zunge und Magen
d" Luftfahrer dnrch köstliche Früchte erquickt, die in reicher Auswahl an den Wag¬
ens herumgereicht wurden. Nicht lange, so bliesen die gigantischen Locomotiven
^eder stöhnend ihre Dampfwolken aus und traten ihren mühsamen Weg i"
das Gebirge an. Der Himmel, der bis dahin trübe darein geschaut und
ängstlichen Gemüthern Besorgnisse eingeflößt hatte, wurde heiterer und ge¬
riete zuletzt den freiesten Umblick in die herrliche Gegend. Die Schienen
Rührten merklich aufwärts; den kleinen Hügeln folgten hohe Berge; hier las"'"u in lieblich grünende Thäler, dort in steile Felsschluchten; dann wandte
s'es die Straße wieder, nach der entgegengesetzten Seite den Blick in die jüngstv^-i,.^
^cssjene Ebene gewährend. Immer höher und höher stieg sie, in rascher
EhrenbFol
- ^ bald dnrch nächtlich dunkle Tunnel bald über riescnhohe Viaducte
von denen aus vor den, entzückten Auge die großartigste Nunosicht


auf das unzweideutigste zu erkennen. Wie das Comitö um seine Gäste sich
bemühte, kann der ewe Umstand beweisen, daß es an dem ersten Tage der
Versammlung und den zunächst vorhergehenden bei allen ankommenden Zügen
auf den Lahnhöfen vertreten war. was in Wien etwas Anderes heißen writ
als in einer deutschem Mittelstadt. Ließen auch bei der Schwierigkeit des
Terrains, den grade in Wien so mannigfach sieh durchkreuzenden Rücksichten,
d'e zu nehmen waren, den die Geschäftsführung auf das äußerste erschweren¬
den weiten Dimensionen des Ortes einzelne Versäumnisse sich nicht vermelden.
s° hat es doch den Dank aller uicht ganz unbilligen Mitglieder der Versamm¬
lung in reichem Maße sich erworben; auch wurde der Festcharakter des Gau-
l°u würdig gewahrt und den Fremden eine Reihe edler Genüsse geboten.

Daß unter diesen eine Fahrt nach dem Semmering nicht fehlte, war na¬
türlich; denn Oestreich läßt nicht gern eine Gelegenheit vorübergehen, auf d>e
^waldige Eisenstraße 'hinzuweisen, mit deren Anlage es bis jetzt in Europa
unerreicht dasteht. Auch handelte es sich nicht blos um eine Befriedigung
d^ östreichischen Stolzes, sondern zugleich um eine Gelegenheit. Auge und
'Wz an dein Anblick großartiger Naturschönheiten zu erlaben, die als Erho¬
lung von dem betäubenden großstädtischen Treiben um so willkommener war.
Am Morgen des zweiten Versammlungstages, eines Sonntages, traf man
aus dem Südbahnhofe zur festgesetzten Zeit zusammen und vertheilte sich in
die bereitstehenden Waggons, welche bald, da ein Zug für die große Zahl acht
hinreichte, in zwei Züge geordnet sich in Bewegung setzten. Erbarmungslos
duschten die ^üge an denStationen vorüber, von denen mancher sehnsüchtige
^kick ihnen folgte, bis nach zweistündiger Fahrt Halt gemacht wurde. Gesang
"'tönte zur großen Überraschung der Gäste, denn keiner hatte in der Eile des
Ansteigens aus dem wiener Bahnhof bemerkt, daß der erste Waggon den wie-
U" Männergcsangverein aufgenommen hatte, dessen geübte Stimmen jetzt durch
bntre Lieder die Pause verschönte,!. Gleichzeitig wurden auch Zunge und Magen
d" Luftfahrer dnrch köstliche Früchte erquickt, die in reicher Auswahl an den Wag¬
ens herumgereicht wurden. Nicht lange, so bliesen die gigantischen Locomotiven
^eder stöhnend ihre Dampfwolken aus und traten ihren mühsamen Weg i»
das Gebirge an. Der Himmel, der bis dahin trübe darein geschaut und
ängstlichen Gemüthern Besorgnisse eingeflößt hatte, wurde heiterer und ge¬
riete zuletzt den freiesten Umblick in die herrliche Gegend. Die Schienen
Rührten merklich aufwärts; den kleinen Hügeln folgten hohe Berge; hier las"'«u in lieblich grünende Thäler, dort in steile Felsschluchten; dann wandte
s'es die Straße wieder, nach der entgegengesetzten Seite den Blick in die jüngstv^-i,.^
^cssjene Ebene gewährend. Immer höher und höher stieg sie, in rascher
EhrenbFol
- ^ bald dnrch nächtlich dunkle Tunnel bald über riescnhohe Viaducte
von denen aus vor den, entzückten Auge die großartigste Nunosicht


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[0193] auf das unzweideutigste zu erkennen. Wie das Comitö um seine Gäste sich bemühte, kann der ewe Umstand beweisen, daß es an dem ersten Tage der Versammlung und den zunächst vorhergehenden bei allen ankommenden Zügen auf den Lahnhöfen vertreten war. was in Wien etwas Anderes heißen writ als in einer deutschem Mittelstadt. Ließen auch bei der Schwierigkeit des Terrains, den grade in Wien so mannigfach sieh durchkreuzenden Rücksichten, d'e zu nehmen waren, den die Geschäftsführung auf das äußerste erschweren¬ den weiten Dimensionen des Ortes einzelne Versäumnisse sich nicht vermelden. s° hat es doch den Dank aller uicht ganz unbilligen Mitglieder der Versamm¬ lung in reichem Maße sich erworben; auch wurde der Festcharakter des Gau- l°u würdig gewahrt und den Fremden eine Reihe edler Genüsse geboten. Daß unter diesen eine Fahrt nach dem Semmering nicht fehlte, war na¬ türlich; denn Oestreich läßt nicht gern eine Gelegenheit vorübergehen, auf d>e ^waldige Eisenstraße 'hinzuweisen, mit deren Anlage es bis jetzt in Europa unerreicht dasteht. Auch handelte es sich nicht blos um eine Befriedigung d^ östreichischen Stolzes, sondern zugleich um eine Gelegenheit. Auge und 'Wz an dein Anblick großartiger Naturschönheiten zu erlaben, die als Erho¬ lung von dem betäubenden großstädtischen Treiben um so willkommener war. Am Morgen des zweiten Versammlungstages, eines Sonntages, traf man aus dem Südbahnhofe zur festgesetzten Zeit zusammen und vertheilte sich in die bereitstehenden Waggons, welche bald, da ein Zug für die große Zahl acht hinreichte, in zwei Züge geordnet sich in Bewegung setzten. Erbarmungslos duschten die ^üge an denStationen vorüber, von denen mancher sehnsüchtige ^kick ihnen folgte, bis nach zweistündiger Fahrt Halt gemacht wurde. Gesang "'tönte zur großen Überraschung der Gäste, denn keiner hatte in der Eile des Ansteigens aus dem wiener Bahnhof bemerkt, daß der erste Waggon den wie- U" Männergcsangverein aufgenommen hatte, dessen geübte Stimmen jetzt durch bntre Lieder die Pause verschönte,!. Gleichzeitig wurden auch Zunge und Magen d" Luftfahrer dnrch köstliche Früchte erquickt, die in reicher Auswahl an den Wag¬ ens herumgereicht wurden. Nicht lange, so bliesen die gigantischen Locomotiven ^eder stöhnend ihre Dampfwolken aus und traten ihren mühsamen Weg i» das Gebirge an. Der Himmel, der bis dahin trübe darein geschaut und ängstlichen Gemüthern Besorgnisse eingeflößt hatte, wurde heiterer und ge¬ riete zuletzt den freiesten Umblick in die herrliche Gegend. Die Schienen Rührten merklich aufwärts; den kleinen Hügeln folgten hohe Berge; hier las"'«u in lieblich grünende Thäler, dort in steile Felsschluchten; dann wandte s'es die Straße wieder, nach der entgegengesetzten Seite den Blick in die jüngstv^-i,.^ ^cssjene Ebene gewährend. Immer höher und höher stieg sie, in rascher EhrenbFol - ^ bald dnrch nächtlich dunkle Tunnel bald über riescnhohe Viaducte von denen aus vor den, entzückten Auge die großartigste Nunosicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/193>, abgerufen am 24.07.2024.