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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Versammlung laut geworden sind. In den Debatten der pädagogischen Sec-
tion wurden durch die geschickten Anordnungen des Präsidiums solche Erör¬
terungen vermieden, welche den Gegensatz zwischen philologischer und klerikaler
Pädagogik in principieller Schärfe zum Ausdruck hätten bringen müssen; das!
es aber um einem direct gegen die Versammlung als solche gerichteten Ver¬
such nicht gefehlt hat, hat man nachträglich erst erfahren. An den im Octobtt
und November vielfach verbreiteten Gerüchten über ein kaiserliches Verbot zu-
künftiger Gelehrtencongresse hat sich als der wahre Kern ergeben, daß der
Reichsrath, jene dem östreichischen Staatöorganiömlls eigenthümliche Zwischen¬
behörde zwischen Ministerium und Krone. über den Antrag des Uuterrichts-
ministcrs, für die Zwecke der Phiiologcnversamnilung siebentausend Gulden
aus Staatsmitteln zu bewilligen, ein ablehnendes Gutachten abgegeben hatte
und dieses dem Minister mitgetheilt worden war.^) Kein Unbefangener wird
glauben, das Gutachten verdanke blos der ängstlichen Sorge für die östrei¬
chischen Finanzen und dein Gedanken an die^bei früheren ähnlichen Gelegen¬
heiten vorgekommene Verschwendung seinen Ursprung. Auch war die Frag?
des Staatszuschusses in dem besonderen Falle keineswegs eine untergeordnete.
Für die Zukunft ist es ohne Zweifel sehr wünschenswert^ -- wir wenigstens
bekennen uns auf das entschiedenste zu dieser Ansicht --, daß die Gelehrte"'
congresse den Staaten, auf deren Gebiete sie zusammenkommen, keine kostspn''
ligen Allsgaben mehr verursachen; allein ebenso sehr wäre es zu bebauet
gewesen, wenn grade hier der Reichsrath mit seinem ablehnenden Vorschlag
durchgedrungen wäre. Die östreichische Regierung hatte die deutschen Philo¬
logen nach Wien eingeladen, um offen vor aller Welt ihr Interesse an de>
Sache der Wissenschaft und des höheren Unterrichts zu bekunden, und wär"-'
in eine eigenthümliche Stellung gerathen, hätte sie zuerst sie nicht als ih>c
Gäste empfangen und behandelt. Eine solche Niederlage ist dem Grase"
Thun erspart worden: die geforderte Summe, zu welcher die Stadt
noch eintausend Gulden hinzufügte, wurde an höchster Stelle zugestanden,
die Philologenversammlung blieb, wie beabsichtigt, eine Demonstration
Sinne der von ihm in das Leben gerufenen und beschützten Bestrebungen.

Durch letzteren Umstand erhielt sie ihr unterscheidendes Gepräge, inde"'
unwillkürlich ihre festliche Seite als die Hauptsache hervortrat, die Verbum^
lungen verhältnißmäßig zur Nebensache wurden. Eine. Anzahl der trefflich^
Männer, welche mit der Bestimmung die philologischen Studien zu heb^'
durch den gegenwärtigen Unterrichtsminister nach Oestreich berufen waren, d">'
unter der um das dortige Schulwesen hochverdiente Bonitz, war in de>"
Conn"; thätig und gab ihre Freude über den fremden Besuch in jeder Wen



Ohne Zweifel enthalt die wiener Correspondenz der Kölnischen Zeitung vom 23.
den genauen Snchvcrhalt,

Versammlung laut geworden sind. In den Debatten der pädagogischen Sec-
tion wurden durch die geschickten Anordnungen des Präsidiums solche Erör¬
terungen vermieden, welche den Gegensatz zwischen philologischer und klerikaler
Pädagogik in principieller Schärfe zum Ausdruck hätten bringen müssen; das!
es aber um einem direct gegen die Versammlung als solche gerichteten Ver¬
such nicht gefehlt hat, hat man nachträglich erst erfahren. An den im Octobtt
und November vielfach verbreiteten Gerüchten über ein kaiserliches Verbot zu-
künftiger Gelehrtencongresse hat sich als der wahre Kern ergeben, daß der
Reichsrath, jene dem östreichischen Staatöorganiömlls eigenthümliche Zwischen¬
behörde zwischen Ministerium und Krone. über den Antrag des Uuterrichts-
ministcrs, für die Zwecke der Phiiologcnversamnilung siebentausend Gulden
aus Staatsmitteln zu bewilligen, ein ablehnendes Gutachten abgegeben hatte
und dieses dem Minister mitgetheilt worden war.^) Kein Unbefangener wird
glauben, das Gutachten verdanke blos der ängstlichen Sorge für die östrei¬
chischen Finanzen und dein Gedanken an die^bei früheren ähnlichen Gelegen¬
heiten vorgekommene Verschwendung seinen Ursprung. Auch war die Frag?
des Staatszuschusses in dem besonderen Falle keineswegs eine untergeordnete.
Für die Zukunft ist es ohne Zweifel sehr wünschenswert^ — wir wenigstens
bekennen uns auf das entschiedenste zu dieser Ansicht —, daß die Gelehrte»'
congresse den Staaten, auf deren Gebiete sie zusammenkommen, keine kostspn''
ligen Allsgaben mehr verursachen; allein ebenso sehr wäre es zu bebauet
gewesen, wenn grade hier der Reichsrath mit seinem ablehnenden Vorschlag
durchgedrungen wäre. Die östreichische Regierung hatte die deutschen Philo¬
logen nach Wien eingeladen, um offen vor aller Welt ihr Interesse an de>
Sache der Wissenschaft und des höheren Unterrichts zu bekunden, und wär«-'
in eine eigenthümliche Stellung gerathen, hätte sie zuerst sie nicht als ih>c
Gäste empfangen und behandelt. Eine solche Niederlage ist dem Grase»
Thun erspart worden: die geforderte Summe, zu welcher die Stadt
noch eintausend Gulden hinzufügte, wurde an höchster Stelle zugestanden,
die Philologenversammlung blieb, wie beabsichtigt, eine Demonstration
Sinne der von ihm in das Leben gerufenen und beschützten Bestrebungen.

Durch letzteren Umstand erhielt sie ihr unterscheidendes Gepräge, inde»'
unwillkürlich ihre festliche Seite als die Hauptsache hervortrat, die Verbum^
lungen verhältnißmäßig zur Nebensache wurden. Eine. Anzahl der trefflich^
Männer, welche mit der Bestimmung die philologischen Studien zu heb^'
durch den gegenwärtigen Unterrichtsminister nach Oestreich berufen waren, d">'
unter der um das dortige Schulwesen hochverdiente Bonitz, war in de>"
Conn«; thätig und gab ihre Freude über den fremden Besuch in jeder Wen



Ohne Zweifel enthalt die wiener Correspondenz der Kölnischen Zeitung vom 23.
den genauen Snchvcrhalt,
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[0192] Versammlung laut geworden sind. In den Debatten der pädagogischen Sec- tion wurden durch die geschickten Anordnungen des Präsidiums solche Erör¬ terungen vermieden, welche den Gegensatz zwischen philologischer und klerikaler Pädagogik in principieller Schärfe zum Ausdruck hätten bringen müssen; das! es aber um einem direct gegen die Versammlung als solche gerichteten Ver¬ such nicht gefehlt hat, hat man nachträglich erst erfahren. An den im Octobtt und November vielfach verbreiteten Gerüchten über ein kaiserliches Verbot zu- künftiger Gelehrtencongresse hat sich als der wahre Kern ergeben, daß der Reichsrath, jene dem östreichischen Staatöorganiömlls eigenthümliche Zwischen¬ behörde zwischen Ministerium und Krone. über den Antrag des Uuterrichts- ministcrs, für die Zwecke der Phiiologcnversamnilung siebentausend Gulden aus Staatsmitteln zu bewilligen, ein ablehnendes Gutachten abgegeben hatte und dieses dem Minister mitgetheilt worden war.^) Kein Unbefangener wird glauben, das Gutachten verdanke blos der ängstlichen Sorge für die östrei¬ chischen Finanzen und dein Gedanken an die^bei früheren ähnlichen Gelegen¬ heiten vorgekommene Verschwendung seinen Ursprung. Auch war die Frag? des Staatszuschusses in dem besonderen Falle keineswegs eine untergeordnete. Für die Zukunft ist es ohne Zweifel sehr wünschenswert^ — wir wenigstens bekennen uns auf das entschiedenste zu dieser Ansicht —, daß die Gelehrte»' congresse den Staaten, auf deren Gebiete sie zusammenkommen, keine kostspn'' ligen Allsgaben mehr verursachen; allein ebenso sehr wäre es zu bebauet gewesen, wenn grade hier der Reichsrath mit seinem ablehnenden Vorschlag durchgedrungen wäre. Die östreichische Regierung hatte die deutschen Philo¬ logen nach Wien eingeladen, um offen vor aller Welt ihr Interesse an de> Sache der Wissenschaft und des höheren Unterrichts zu bekunden, und wär«-' in eine eigenthümliche Stellung gerathen, hätte sie zuerst sie nicht als ih>c Gäste empfangen und behandelt. Eine solche Niederlage ist dem Grase» Thun erspart worden: die geforderte Summe, zu welcher die Stadt noch eintausend Gulden hinzufügte, wurde an höchster Stelle zugestanden, die Philologenversammlung blieb, wie beabsichtigt, eine Demonstration Sinne der von ihm in das Leben gerufenen und beschützten Bestrebungen. Durch letzteren Umstand erhielt sie ihr unterscheidendes Gepräge, inde»' unwillkürlich ihre festliche Seite als die Hauptsache hervortrat, die Verbum^ lungen verhältnißmäßig zur Nebensache wurden. Eine. Anzahl der trefflich^ Männer, welche mit der Bestimmung die philologischen Studien zu heb^' durch den gegenwärtigen Unterrichtsminister nach Oestreich berufen waren, d">' unter der um das dortige Schulwesen hochverdiente Bonitz, war in de>" Conn«; thätig und gab ihre Freude über den fremden Besuch in jeder Wen Ohne Zweifel enthalt die wiener Correspondenz der Kölnischen Zeitung vom 23. den genauen Snchvcrhalt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/192>, abgerufen am 24.07.2024.