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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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zeichen verknüpft waren. -- Aus ihren letzten Jahren sind indeß noch einige
weniger erfreuliche Züge nachzuholen.

Ihres ältesten Sohnes, Christian Hirsekorn, hatte sich ein unbekannter
Wohlthäter angenommen. Unglücklicherweise hatte Christian, im Briefschreiben
wenig geübt, seiner Mutter einen Brief geschrieben, der ihr nicht gefiel; und
sie schrieb dem unbekannten Wohlthäter: "sie hätte ein Billet von ihrem Sohn
empfangen, wo weder Stil noch Gedanke darin wäre, und sie könnte sich nicht
entschließen, einen Menschen von 16 Jahren, der noch kein Billet an seine
Mutter schreiben könnte, auf fremde Kosten studiren zu lassen" --! Infolge
dessen ward der Sohn ihr zurückgeschickt, und "keines Menschen Güte hat sich
serner um ihn bekümmert" --! Es war derselbe Sohn, dessen Kleider sie
ungeflickt ließ, weil ihr Genius sie trieb, Predigten zu versisicircn!

Caroline, ihre Tochter aus zweiter Ehe, geb. 1754. scheint in der Pen¬
sion schlecht gehalten zu sein: "nie wurde die kleine Karsch an Festtagen nach
Hause geladen!" Ihre Mutter mußte dichten! 176g ließ die Karschin sich
bereden, "sie ihrem Oheim (Dürrbach) zu verloben . . die Kleine brachte mit
blutendem Herzen das Opfer, das ihr tyrannisch abverlangt wurde." "Nach
einer neunjährigen Ehe (1778) gelang es ihr, die Kette von sich zu wälzen,
unter der sie hilflos geschmachtet hatte." 1782 heirathete sie einen Herrn
v. Klencke, der sterben wollte, wenn sie ihn nicht erhörte; die Tochter Helmina
(Wilhelmine) wurde 26. Januar 178J geboren; gleich darauf wurde auch
diese Ehe gelöst. "Ich ziehe, erzählt Haiama, einen Schleier über diese Be¬
gebenheit, die mich im Mutterschoß zur Waise machte -- doch nicht ver¬
schweigen will ich hier ein Lied der Karschin an den Schwiegersohn," (doch
wol im Namen ihrer Tochter?) "den sie mit solcher Muttertreue geliebt."


Wiederkehren willst du nun?
Denkst der Tochter zu genießen
Und in meinem Arm zu ruhn,
Wenn du erst zu meinen Füßen
Hundertmal gesunken wärst, und dich
Einem Wurme gleich gekrümmet,
Bis du endlich mich
Hättest umgestimmet?
O du Falscher! schäme dich,
Kannst du neue Schwüre finden,
Meinen Abscheu icht zu überwinden
Der so unauslöschlich ist? u. s. w.

Die Heftigkeit der alten Dichterin scheint viel dazu beigetragen zu haben,
das Verhältniß zwischen den beiden Eheleuten zu verwirren; als wenigstes
später Helmine mit ihrem Vater wieder anzuknüpfen suchte, erwies er sich
liebenswürdig genug.


zeichen verknüpft waren. — Aus ihren letzten Jahren sind indeß noch einige
weniger erfreuliche Züge nachzuholen.

Ihres ältesten Sohnes, Christian Hirsekorn, hatte sich ein unbekannter
Wohlthäter angenommen. Unglücklicherweise hatte Christian, im Briefschreiben
wenig geübt, seiner Mutter einen Brief geschrieben, der ihr nicht gefiel; und
sie schrieb dem unbekannten Wohlthäter: „sie hätte ein Billet von ihrem Sohn
empfangen, wo weder Stil noch Gedanke darin wäre, und sie könnte sich nicht
entschließen, einen Menschen von 16 Jahren, der noch kein Billet an seine
Mutter schreiben könnte, auf fremde Kosten studiren zu lassen" —! Infolge
dessen ward der Sohn ihr zurückgeschickt, und „keines Menschen Güte hat sich
serner um ihn bekümmert" —! Es war derselbe Sohn, dessen Kleider sie
ungeflickt ließ, weil ihr Genius sie trieb, Predigten zu versisicircn!

Caroline, ihre Tochter aus zweiter Ehe, geb. 1754. scheint in der Pen¬
sion schlecht gehalten zu sein: „nie wurde die kleine Karsch an Festtagen nach
Hause geladen!" Ihre Mutter mußte dichten! 176g ließ die Karschin sich
bereden, „sie ihrem Oheim (Dürrbach) zu verloben . . die Kleine brachte mit
blutendem Herzen das Opfer, das ihr tyrannisch abverlangt wurde." „Nach
einer neunjährigen Ehe (1778) gelang es ihr, die Kette von sich zu wälzen,
unter der sie hilflos geschmachtet hatte." 1782 heirathete sie einen Herrn
v. Klencke, der sterben wollte, wenn sie ihn nicht erhörte; die Tochter Helmina
(Wilhelmine) wurde 26. Januar 178J geboren; gleich darauf wurde auch
diese Ehe gelöst. „Ich ziehe, erzählt Haiama, einen Schleier über diese Be¬
gebenheit, die mich im Mutterschoß zur Waise machte — doch nicht ver¬
schweigen will ich hier ein Lied der Karschin an den Schwiegersohn," (doch
wol im Namen ihrer Tochter?) „den sie mit solcher Muttertreue geliebt."


Wiederkehren willst du nun?
Denkst der Tochter zu genießen
Und in meinem Arm zu ruhn,
Wenn du erst zu meinen Füßen
Hundertmal gesunken wärst, und dich
Einem Wurme gleich gekrümmet,
Bis du endlich mich
Hättest umgestimmet?
O du Falscher! schäme dich,
Kannst du neue Schwüre finden,
Meinen Abscheu icht zu überwinden
Der so unauslöschlich ist? u. s. w.

Die Heftigkeit der alten Dichterin scheint viel dazu beigetragen zu haben,
das Verhältniß zwischen den beiden Eheleuten zu verwirren; als wenigstes
später Helmine mit ihrem Vater wieder anzuknüpfen suchte, erwies er sich
liebenswürdig genug.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/176>, abgerufen am 24.07.2024.