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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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.... Der König lachte laut, und ich beherzt und frei
Wie eine Römerin, ich zog der Stirne Falten
Sanft auseinander, lachte so
Wie einer, den ein Bret hat in dem Meer erhalten
Und jetzt die Sonne sieht, und ihren Strahlen froh
Entgegenblickt, und vor Entzücken
Das Lächeln auf der Lippe trägt. . . .
Des Vaterlandes Vater sprach
Zuletzt, er würde mir das Leben sorglos machen,
Und alle Musen sprachcns nach.

Leider hielt der König sein Versprechen nicht, so unablässig sie ihn daran
erinnerte; einmal schickte er ihr zwei Thaler, die sie mit dem bekannten Spruch:
"Zwei Thaler gibt kein großer König n. s. w." zurücksandte; im Januar
schickte er ihr drei; sie quittirte mit folgendem Gedicht:


Seine Majestät befahlen,
Mir anstatt ein Haus zu baun,
Doch drei Thaler auszuzahlen.
Der Monarchbcfchl ward traun
Prompt und freundlich ausgerichtet,
Und zum Dank bin ich verpflichtet.
Aber für drei Thaler kann
In Berlin kein Hobclmann
Mir mein letztes Haus erbauen,
Sonst bestellt' ich ohne Grauen
Heute mir ein solches Haus,
Wo einst Würmer Tafel halten
Und sich ärgern übern Schmaus
Bei des abgcgrämtcn alten
Magern Weibes Ueberrest,
Das der König darben läßt.

Als dcrKönig starb, richtete sie an seinen Nachfolger eine poetische Schuldforde-
umg. Sie wurde in das Haus des Oberhofdruckers Decker beschieden. die Flügel¬
thüren sprangen auf, und mitten in einer glänzenden Gesellschaft "trat ein
stattlicher Herr im schwarzsammtnen Kleide, woran ein Kreuz flimmerte, ihr
^tgegen und rief ihr zu:


Freu dich, Deutschlands Dichterin,
Freu dich hoch in deinem Sinn!
Der König hat befohlen mir,
Ein neues Haus zu bauen dir.

Es war -- der Staatsminister v. Wöllner!" -- Die Dichterin genoß
lange ihres neuen Hauses, sie starb 12. Oct. 1.79l, und wir finden es
""r schicklich, daß mit ihrem Tode, wie ihre Enkelin berichtet, mehrere Wunder-


.... Der König lachte laut, und ich beherzt und frei
Wie eine Römerin, ich zog der Stirne Falten
Sanft auseinander, lachte so
Wie einer, den ein Bret hat in dem Meer erhalten
Und jetzt die Sonne sieht, und ihren Strahlen froh
Entgegenblickt, und vor Entzücken
Das Lächeln auf der Lippe trägt. . . .
Des Vaterlandes Vater sprach
Zuletzt, er würde mir das Leben sorglos machen,
Und alle Musen sprachcns nach.

Leider hielt der König sein Versprechen nicht, so unablässig sie ihn daran
erinnerte; einmal schickte er ihr zwei Thaler, die sie mit dem bekannten Spruch:
"Zwei Thaler gibt kein großer König n. s. w." zurücksandte; im Januar
schickte er ihr drei; sie quittirte mit folgendem Gedicht:


Seine Majestät befahlen,
Mir anstatt ein Haus zu baun,
Doch drei Thaler auszuzahlen.
Der Monarchbcfchl ward traun
Prompt und freundlich ausgerichtet,
Und zum Dank bin ich verpflichtet.
Aber für drei Thaler kann
In Berlin kein Hobclmann
Mir mein letztes Haus erbauen,
Sonst bestellt' ich ohne Grauen
Heute mir ein solches Haus,
Wo einst Würmer Tafel halten
Und sich ärgern übern Schmaus
Bei des abgcgrämtcn alten
Magern Weibes Ueberrest,
Das der König darben läßt.

Als dcrKönig starb, richtete sie an seinen Nachfolger eine poetische Schuldforde-
umg. Sie wurde in das Haus des Oberhofdruckers Decker beschieden. die Flügel¬
thüren sprangen auf, und mitten in einer glänzenden Gesellschaft „trat ein
stattlicher Herr im schwarzsammtnen Kleide, woran ein Kreuz flimmerte, ihr
^tgegen und rief ihr zu:


Freu dich, Deutschlands Dichterin,
Freu dich hoch in deinem Sinn!
Der König hat befohlen mir,
Ein neues Haus zu bauen dir.

Es war — der Staatsminister v. Wöllner!" — Die Dichterin genoß
lange ihres neuen Hauses, sie starb 12. Oct. 1.79l, und wir finden es
""r schicklich, daß mit ihrem Tode, wie ihre Enkelin berichtet, mehrere Wunder-


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[0175] .... Der König lachte laut, und ich beherzt und frei Wie eine Römerin, ich zog der Stirne Falten Sanft auseinander, lachte so Wie einer, den ein Bret hat in dem Meer erhalten Und jetzt die Sonne sieht, und ihren Strahlen froh Entgegenblickt, und vor Entzücken Das Lächeln auf der Lippe trägt. . . . Des Vaterlandes Vater sprach Zuletzt, er würde mir das Leben sorglos machen, Und alle Musen sprachcns nach. Leider hielt der König sein Versprechen nicht, so unablässig sie ihn daran erinnerte; einmal schickte er ihr zwei Thaler, die sie mit dem bekannten Spruch: "Zwei Thaler gibt kein großer König n. s. w." zurücksandte; im Januar schickte er ihr drei; sie quittirte mit folgendem Gedicht: Seine Majestät befahlen, Mir anstatt ein Haus zu baun, Doch drei Thaler auszuzahlen. Der Monarchbcfchl ward traun Prompt und freundlich ausgerichtet, Und zum Dank bin ich verpflichtet. Aber für drei Thaler kann In Berlin kein Hobclmann Mir mein letztes Haus erbauen, Sonst bestellt' ich ohne Grauen Heute mir ein solches Haus, Wo einst Würmer Tafel halten Und sich ärgern übern Schmaus Bei des abgcgrämtcn alten Magern Weibes Ueberrest, Das der König darben läßt. Als dcrKönig starb, richtete sie an seinen Nachfolger eine poetische Schuldforde- umg. Sie wurde in das Haus des Oberhofdruckers Decker beschieden. die Flügel¬ thüren sprangen auf, und mitten in einer glänzenden Gesellschaft „trat ein stattlicher Herr im schwarzsammtnen Kleide, woran ein Kreuz flimmerte, ihr ^tgegen und rief ihr zu: Freu dich, Deutschlands Dichterin, Freu dich hoch in deinem Sinn! Der König hat befohlen mir, Ein neues Haus zu bauen dir. Es war — der Staatsminister v. Wöllner!" — Die Dichterin genoß lange ihres neuen Hauses, sie starb 12. Oct. 1.79l, und wir finden es ""r schicklich, daß mit ihrem Tode, wie ihre Enkelin berichtet, mehrere Wunder-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/175>, abgerufen am 20.09.2024.