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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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In die Galerie zurückgekehrt, gelangten wir endlich durch eine schmale
niedrige Thür in die Königsgruft. Dieselbe ist beträchtlich länger als die geschil¬
derte, ebenfalls mit Granitblöcken ausgesetzt undebenfalls voll Fledermausgeruch.
Man befindet sich in ihr fast 140 Fuß über der Basis der Pyramide. Das
Gemach enthält nur den einfachen, sehr zerkratzten Sarkophag des Königs
Cheops, aus dem sich selbstverständlich wieder eine Unzahl von Schülern Kise-
lncks verewigt haben.

Den König selbst ließ schon das neunte Jahrhundert unsrer Zeitrechnung
auferstehn. Der Khalif Mamun hatte gehört, daß in der Pyramide ein gro¬
ßer ScrM verborgen sei, und ließ nachgraben. Mit unsäglicher Mühe arde

te man sich, da der alte Gang zur Königskammer damals noch durch den
Mantel von polirten Platten verborgen war, welchen der Bau einst trug,
von einer andern Seite hinein, stieß endlich auf eine hohle Stelle, brach durch
Und kam in den Stollen, die Galerie und die Grabkammer, wo der Sarko¬
phag stand. Was man hier gefunden, ist zweifelhaft. Nach Abd El Holm
^ar darin eine Statue, die einem Menschen glich, und in der Statue (dem
hölzernen Mumienkasten) ein Leichnam mit einer goldnen Brustplatte, auf
welcher unbekannte Zeichen (Hieroglyphen) standen. Andere lassen die Brust¬
platte mit Juwelen besetzt gewesen sein. Noch andere erwähnen einer kost¬
baren Smaragdurne von ausgezeichnet schöner Arbeit. Prosaischer, aber
T^aubwürdiger klingt ein andrer Bericht, nach welchem der Schatzgräber Ma¬
mun, das Vorbild aller der Tausende von Resurrection-Mer, welche sich jetzt
^n Nil entlang von Gräberraub nähren, in dem Sarge gar nichts fand,
da man schon früher in die Pyramide eingebrochen und alles Werthvolle ge-
^übt hatte, und nach dem Khalif Mamun. um das Volk zu beschwichtigen,
Elches über seine Habgier, oder vielleicht richtiger über die Kosten murrte,
die es verursacht, die taube Nuß zu öffnen, heimlich eine Summe Geldes
die Pyramide schaffen und dann als werthvollen Fund wieder heraus¬
fordern ließ.

Aehnliche Täuschungen erlebten die, welche sich als erste Entdecker der
^önigsgräber bei Theben betrachteten, und ein noch näheres Beispiel bietet
d^ zweite Pyramide. Lord Münster fand in dieser die Knochen eines Ochsen,
er sorgfältig verpacken und nach England schaffen ließ. Es waren die
heiligen Neste eines Apis, wie man annahm, und vielleicht werden sie noch
^ in irgend einem Museum mit ehrfurchtvvller Bewunderung vor ihren
herlaufend Jahren gelegentlich angestaunt. Niemand aber hat bewiesen,
sie wirklich von einem jener göttlichen Stiere sind. Für den Glauben
^ das, wie unsre Reliquienschreine zeigen, gleichgiltig. verehrt der doch mit
^"brunst Sprossen der Leiter, die Jakob im Traume sah. Die Archäologie
" nimmt es genauer, wenn auch in ägyptischen Angelegenheiten noch man-


In die Galerie zurückgekehrt, gelangten wir endlich durch eine schmale
niedrige Thür in die Königsgruft. Dieselbe ist beträchtlich länger als die geschil¬
derte, ebenfalls mit Granitblöcken ausgesetzt undebenfalls voll Fledermausgeruch.
Man befindet sich in ihr fast 140 Fuß über der Basis der Pyramide. Das
Gemach enthält nur den einfachen, sehr zerkratzten Sarkophag des Königs
Cheops, aus dem sich selbstverständlich wieder eine Unzahl von Schülern Kise-
lncks verewigt haben.

Den König selbst ließ schon das neunte Jahrhundert unsrer Zeitrechnung
auferstehn. Der Khalif Mamun hatte gehört, daß in der Pyramide ein gro¬
ßer ScrM verborgen sei, und ließ nachgraben. Mit unsäglicher Mühe arde

te man sich, da der alte Gang zur Königskammer damals noch durch den
Mantel von polirten Platten verborgen war, welchen der Bau einst trug,
von einer andern Seite hinein, stieß endlich auf eine hohle Stelle, brach durch
Und kam in den Stollen, die Galerie und die Grabkammer, wo der Sarko¬
phag stand. Was man hier gefunden, ist zweifelhaft. Nach Abd El Holm
^ar darin eine Statue, die einem Menschen glich, und in der Statue (dem
hölzernen Mumienkasten) ein Leichnam mit einer goldnen Brustplatte, auf
welcher unbekannte Zeichen (Hieroglyphen) standen. Andere lassen die Brust¬
platte mit Juwelen besetzt gewesen sein. Noch andere erwähnen einer kost¬
baren Smaragdurne von ausgezeichnet schöner Arbeit. Prosaischer, aber
T^aubwürdiger klingt ein andrer Bericht, nach welchem der Schatzgräber Ma¬
mun, das Vorbild aller der Tausende von Resurrection-Mer, welche sich jetzt
^n Nil entlang von Gräberraub nähren, in dem Sarge gar nichts fand,
da man schon früher in die Pyramide eingebrochen und alles Werthvolle ge-
^übt hatte, und nach dem Khalif Mamun. um das Volk zu beschwichtigen,
Elches über seine Habgier, oder vielleicht richtiger über die Kosten murrte,
die es verursacht, die taube Nuß zu öffnen, heimlich eine Summe Geldes
die Pyramide schaffen und dann als werthvollen Fund wieder heraus¬
fordern ließ.

Aehnliche Täuschungen erlebten die, welche sich als erste Entdecker der
^önigsgräber bei Theben betrachteten, und ein noch näheres Beispiel bietet
d^ zweite Pyramide. Lord Münster fand in dieser die Knochen eines Ochsen,
er sorgfältig verpacken und nach England schaffen ließ. Es waren die
heiligen Neste eines Apis, wie man annahm, und vielleicht werden sie noch
^ in irgend einem Museum mit ehrfurchtvvller Bewunderung vor ihren
herlaufend Jahren gelegentlich angestaunt. Niemand aber hat bewiesen,
sie wirklich von einem jener göttlichen Stiere sind. Für den Glauben
^ das, wie unsre Reliquienschreine zeigen, gleichgiltig. verehrt der doch mit
^"brunst Sprossen der Leiter, die Jakob im Traume sah. Die Archäologie
" nimmt es genauer, wenn auch in ägyptischen Angelegenheiten noch man-


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[0121] In die Galerie zurückgekehrt, gelangten wir endlich durch eine schmale niedrige Thür in die Königsgruft. Dieselbe ist beträchtlich länger als die geschil¬ derte, ebenfalls mit Granitblöcken ausgesetzt undebenfalls voll Fledermausgeruch. Man befindet sich in ihr fast 140 Fuß über der Basis der Pyramide. Das Gemach enthält nur den einfachen, sehr zerkratzten Sarkophag des Königs Cheops, aus dem sich selbstverständlich wieder eine Unzahl von Schülern Kise- lncks verewigt haben. Den König selbst ließ schon das neunte Jahrhundert unsrer Zeitrechnung auferstehn. Der Khalif Mamun hatte gehört, daß in der Pyramide ein gro¬ ßer ScrM verborgen sei, und ließ nachgraben. Mit unsäglicher Mühe arde n¬ te man sich, da der alte Gang zur Königskammer damals noch durch den Mantel von polirten Platten verborgen war, welchen der Bau einst trug, von einer andern Seite hinein, stieß endlich auf eine hohle Stelle, brach durch Und kam in den Stollen, die Galerie und die Grabkammer, wo der Sarko¬ phag stand. Was man hier gefunden, ist zweifelhaft. Nach Abd El Holm ^ar darin eine Statue, die einem Menschen glich, und in der Statue (dem hölzernen Mumienkasten) ein Leichnam mit einer goldnen Brustplatte, auf welcher unbekannte Zeichen (Hieroglyphen) standen. Andere lassen die Brust¬ platte mit Juwelen besetzt gewesen sein. Noch andere erwähnen einer kost¬ baren Smaragdurne von ausgezeichnet schöner Arbeit. Prosaischer, aber T^aubwürdiger klingt ein andrer Bericht, nach welchem der Schatzgräber Ma¬ mun, das Vorbild aller der Tausende von Resurrection-Mer, welche sich jetzt ^n Nil entlang von Gräberraub nähren, in dem Sarge gar nichts fand, da man schon früher in die Pyramide eingebrochen und alles Werthvolle ge- ^übt hatte, und nach dem Khalif Mamun. um das Volk zu beschwichtigen, Elches über seine Habgier, oder vielleicht richtiger über die Kosten murrte, die es verursacht, die taube Nuß zu öffnen, heimlich eine Summe Geldes die Pyramide schaffen und dann als werthvollen Fund wieder heraus¬ fordern ließ. Aehnliche Täuschungen erlebten die, welche sich als erste Entdecker der ^önigsgräber bei Theben betrachteten, und ein noch näheres Beispiel bietet d^ zweite Pyramide. Lord Münster fand in dieser die Knochen eines Ochsen, er sorgfältig verpacken und nach England schaffen ließ. Es waren die heiligen Neste eines Apis, wie man annahm, und vielleicht werden sie noch ^ in irgend einem Museum mit ehrfurchtvvller Bewunderung vor ihren herlaufend Jahren gelegentlich angestaunt. Niemand aber hat bewiesen, sie wirklich von einem jener göttlichen Stiere sind. Für den Glauben ^ das, wie unsre Reliquienschreine zeigen, gleichgiltig. verehrt der doch mit ^"brunst Sprossen der Leiter, die Jakob im Traume sah. Die Archäologie " nimmt es genauer, wenn auch in ägyptischen Angelegenheiten noch man-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/121>, abgerufen am 24.07.2024.