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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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eher Schwindel und manche Selbsttäuschung mit unterläuft. Die Wissenschaft
hat sich bei jenen Ochsengebeinen zu fragen, ob sie nicht, auch einem modernen
profanen, prosaischen Gliede der Familie Rindvieh angehört haben konnten,
welches, in einem der benachbarten Kleefelder gefallen, von Schakalen und
Hyänen fortgctragenund respcctwidrigin demKönigssarkophag, in dem dieBcstieu
Quartier gemacht, geborgen wurde. Die beiden andern Pyramiden zu be¬
steigen oder gar in ihr Inneres einzudringen, hatten wir weder Zeit noch
Neigung. Sie sind, von der geringern Größe abgesehen, der Cheopspyramide
fast ganz ähnlich. Die zweitgrößte ist gegenwärtig einige zwanzig Fuß höher
als die des Cheops, da ihr nicht wie dieser die Spitze genommen worden ist.
Sie hat, wie bereits bemerkt, vom Gipfel herab noch ein beträchtliches Stück
ihres glatten Plattenmantels, und ist deshalb nur mit Mühe bis zur obersten
Stcinlage zu erklimmen. Auch in das Innere zu dringen ist nicht jeder¬
manns Sache, da der Gang zum Kern so niedrig ist, daß man nur kriechend
emporkommt.

Die dritte Pyramide ist nicht ganz halb so hoch, als die erste. Um sie
zu bauen, hat man den nach Nordosten abfallenden Felsboden mit riesigen
Quadern zur Terrasse umgestalten müssen. Der Sarkophag, der von Oberst
Vyse, welcher 1837 hier Forschungen anstellte, in der Königskammer gesunden
wurde, war von braunem Basalt und kunstreich gearbeitet. Neben ihm lag
die Mumie des Königs Mykerinos in Stücke gerissen. Sie ist jetzt im briti¬
schen Museum, der Sarg aber mußte, um das in Noth gerathene Schiff, das
ihn nach England bringen sollte, zu erleichtern, über Bord geworfen werden,
und dient jetzt vielleicht einem Mittclmecrpolypen. einem stachligen Rochen
oder Klippensisch zur Wohnung.

Ueber die Bestimmung der Pyramiden herrscht jetzt wol kein Zweifel
mehr. Während man sie früher für Sonnenuhren, für Göttertempel, für
Wasserschöpsmaschinen hielt, während die hebräische Volkssage in ihnen die
Kornspeicher Josephs, die arabische Schatzhäuser des Geisterkönigs Saloi"0
oder Sulciman erblickt, weiß man jetzt, daß diese künstlichen Berge von Kb<
nigen aufgethürmt wurden, welche damit ihre Mumie und in dieser, dem
Glauben der Zeit gemäß, die Existenz ihres Ich zu sichern beabsichtigten-
Was sonst über Cheops, Chephren und Mykerinos (Neuere schreiben sie Chus",
Chafra und Mencheren). über die Zeit des Baues der einzelnen Pyramide'''
über die Kosten des Arbeiterhcercs, welches sie ausschichtete, berichtet wird, ist
Sage und Fabel. Man weiß mit ziemlicher Bestimmtheit nur das Eine, daß
die Pyramiden um mehr als fünfzehn Jahrhunderte älter als alle beglaubigte
Geschichte sind, und daß also der General Bonaparte einmal nicht übertrieb,
als er seinen Soldaten vor jener Mameluckenschlacht zurief, daß von de'
Spitze dieser Pyramiden vier Jahrtausende aus sie herabschauten.


eher Schwindel und manche Selbsttäuschung mit unterläuft. Die Wissenschaft
hat sich bei jenen Ochsengebeinen zu fragen, ob sie nicht, auch einem modernen
profanen, prosaischen Gliede der Familie Rindvieh angehört haben konnten,
welches, in einem der benachbarten Kleefelder gefallen, von Schakalen und
Hyänen fortgctragenund respcctwidrigin demKönigssarkophag, in dem dieBcstieu
Quartier gemacht, geborgen wurde. Die beiden andern Pyramiden zu be¬
steigen oder gar in ihr Inneres einzudringen, hatten wir weder Zeit noch
Neigung. Sie sind, von der geringern Größe abgesehen, der Cheopspyramide
fast ganz ähnlich. Die zweitgrößte ist gegenwärtig einige zwanzig Fuß höher
als die des Cheops, da ihr nicht wie dieser die Spitze genommen worden ist.
Sie hat, wie bereits bemerkt, vom Gipfel herab noch ein beträchtliches Stück
ihres glatten Plattenmantels, und ist deshalb nur mit Mühe bis zur obersten
Stcinlage zu erklimmen. Auch in das Innere zu dringen ist nicht jeder¬
manns Sache, da der Gang zum Kern so niedrig ist, daß man nur kriechend
emporkommt.

Die dritte Pyramide ist nicht ganz halb so hoch, als die erste. Um sie
zu bauen, hat man den nach Nordosten abfallenden Felsboden mit riesigen
Quadern zur Terrasse umgestalten müssen. Der Sarkophag, der von Oberst
Vyse, welcher 1837 hier Forschungen anstellte, in der Königskammer gesunden
wurde, war von braunem Basalt und kunstreich gearbeitet. Neben ihm lag
die Mumie des Königs Mykerinos in Stücke gerissen. Sie ist jetzt im briti¬
schen Museum, der Sarg aber mußte, um das in Noth gerathene Schiff, das
ihn nach England bringen sollte, zu erleichtern, über Bord geworfen werden,
und dient jetzt vielleicht einem Mittclmecrpolypen. einem stachligen Rochen
oder Klippensisch zur Wohnung.

Ueber die Bestimmung der Pyramiden herrscht jetzt wol kein Zweifel
mehr. Während man sie früher für Sonnenuhren, für Göttertempel, für
Wasserschöpsmaschinen hielt, während die hebräische Volkssage in ihnen die
Kornspeicher Josephs, die arabische Schatzhäuser des Geisterkönigs Saloi"0
oder Sulciman erblickt, weiß man jetzt, daß diese künstlichen Berge von Kb<
nigen aufgethürmt wurden, welche damit ihre Mumie und in dieser, dem
Glauben der Zeit gemäß, die Existenz ihres Ich zu sichern beabsichtigten-
Was sonst über Cheops, Chephren und Mykerinos (Neuere schreiben sie Chus»,
Chafra und Mencheren). über die Zeit des Baues der einzelnen Pyramide'''
über die Kosten des Arbeiterhcercs, welches sie ausschichtete, berichtet wird, ist
Sage und Fabel. Man weiß mit ziemlicher Bestimmtheit nur das Eine, daß
die Pyramiden um mehr als fünfzehn Jahrhunderte älter als alle beglaubigte
Geschichte sind, und daß also der General Bonaparte einmal nicht übertrieb,
als er seinen Soldaten vor jener Mameluckenschlacht zurief, daß von de'
Spitze dieser Pyramiden vier Jahrtausende aus sie herabschauten.


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[0122] eher Schwindel und manche Selbsttäuschung mit unterläuft. Die Wissenschaft hat sich bei jenen Ochsengebeinen zu fragen, ob sie nicht, auch einem modernen profanen, prosaischen Gliede der Familie Rindvieh angehört haben konnten, welches, in einem der benachbarten Kleefelder gefallen, von Schakalen und Hyänen fortgctragenund respcctwidrigin demKönigssarkophag, in dem dieBcstieu Quartier gemacht, geborgen wurde. Die beiden andern Pyramiden zu be¬ steigen oder gar in ihr Inneres einzudringen, hatten wir weder Zeit noch Neigung. Sie sind, von der geringern Größe abgesehen, der Cheopspyramide fast ganz ähnlich. Die zweitgrößte ist gegenwärtig einige zwanzig Fuß höher als die des Cheops, da ihr nicht wie dieser die Spitze genommen worden ist. Sie hat, wie bereits bemerkt, vom Gipfel herab noch ein beträchtliches Stück ihres glatten Plattenmantels, und ist deshalb nur mit Mühe bis zur obersten Stcinlage zu erklimmen. Auch in das Innere zu dringen ist nicht jeder¬ manns Sache, da der Gang zum Kern so niedrig ist, daß man nur kriechend emporkommt. Die dritte Pyramide ist nicht ganz halb so hoch, als die erste. Um sie zu bauen, hat man den nach Nordosten abfallenden Felsboden mit riesigen Quadern zur Terrasse umgestalten müssen. Der Sarkophag, der von Oberst Vyse, welcher 1837 hier Forschungen anstellte, in der Königskammer gesunden wurde, war von braunem Basalt und kunstreich gearbeitet. Neben ihm lag die Mumie des Königs Mykerinos in Stücke gerissen. Sie ist jetzt im briti¬ schen Museum, der Sarg aber mußte, um das in Noth gerathene Schiff, das ihn nach England bringen sollte, zu erleichtern, über Bord geworfen werden, und dient jetzt vielleicht einem Mittclmecrpolypen. einem stachligen Rochen oder Klippensisch zur Wohnung. Ueber die Bestimmung der Pyramiden herrscht jetzt wol kein Zweifel mehr. Während man sie früher für Sonnenuhren, für Göttertempel, für Wasserschöpsmaschinen hielt, während die hebräische Volkssage in ihnen die Kornspeicher Josephs, die arabische Schatzhäuser des Geisterkönigs Saloi"0 oder Sulciman erblickt, weiß man jetzt, daß diese künstlichen Berge von Kb< nigen aufgethürmt wurden, welche damit ihre Mumie und in dieser, dem Glauben der Zeit gemäß, die Existenz ihres Ich zu sichern beabsichtigten- Was sonst über Cheops, Chephren und Mykerinos (Neuere schreiben sie Chus», Chafra und Mencheren). über die Zeit des Baues der einzelnen Pyramide''' über die Kosten des Arbeiterhcercs, welches sie ausschichtete, berichtet wird, ist Sage und Fabel. Man weiß mit ziemlicher Bestimmtheit nur das Eine, daß die Pyramiden um mehr als fünfzehn Jahrhunderte älter als alle beglaubigte Geschichte sind, und daß also der General Bonaparte einmal nicht übertrieb, als er seinen Soldaten vor jener Mameluckenschlacht zurief, daß von de' Spitze dieser Pyramiden vier Jahrtausende aus sie herabschauten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/122>, abgerufen am 24.07.2024.