Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Nichts ahnend von der Möglichkeit dieses Mißgriffs, der. wie man sehen
wird, eine gute Anzahl von Verlegenheiten im Gefolge hatte, ging ich mit
meinen Arabern weiter, überschritt den großen Kanal, bei welchem der erste
Palmenwald ein Ende nimmt und gelangte nicht weit von hier an eine Weg¬
scheide. Ringsum beschien der Mond Saatfelder. In einiger Entfernung
dunkelte der Palmenwald des zweiten Dorfes. Hier wollte ich warten. Ich
feste mich aus einen Erdhügel, hielt die Hand ans Ohr und horchte nach der
Gegend hin, aus der die Gefährten kommen mußten. Alles war still. Plötzlich
schlug fernes Hundegebell an mein Ohr. Es waren mehre Bestien, vielleicht die¬
selben, die uns angegriffen. Ein andrer Ton folgte -- das Yahaho eines Esels.
Eine Viertelstunde nachher Getrappel schneller Hufe -- es kam näher, und ich war
getäuscht. Es waren Fellahin. die vom Markte heimkehrten. Wieder verfloß
eine Viertelstunde in banger Erwartung. Die Nacht sing an kalt zu werden.
Nebel stiegen aus dem Boden. Thau siel auf das Gras am Wege. Meine
^aber hatten die Kaputzen ihrer Mäntel ni'er den Kops gezogen und hockten
schweigend neben mir. Der Esel, jedenfalls den Tag über tüchtig benutzt,
hing traurig den Kops, schnoperte ein wenig an dem Grase herum und
legte sich dann mit sammt dem Gepäck seiner ganzen Länge nach ans die Seite.

Ich rief ein Halloh in der Richtung, von wo die Freunde kommen mußten.
Keine Antwort. Ich veranlaßte meine schlaftrunkenen Begleiter, sich mit mir.
M einem zweiten zu vereinigen. Keine Antwort als ein schwaches Echo
Ich schoß den einen Lauf des Gewehres ab und horchte, ob das Zeichen er-
widert werde. Hundegebell erschallte von drei, vier verschiedenen Seiten, und
ein Schwarm Tauben brauste, aus den Wipfeln der Palmen aufgescheucht,
über uns hin, aber ein Schuß war nicht zu vernehmen. M'ßmuthig befahl
ich den Arabern, mit denen ich mich nur durch abgebrochene Worte und Ge¬
berden verständigen konnte, weirer zu gehen. Murrend gehorchten sie. und
'es folgte, nachdem ich den abgeschossenen Laus vorsichtig wieder geladen.
Eine Viertelstunde weiter ein zweiter Kreuzweg und dasselbe Verfahren wie
beim ersten. Wieder hüllten sich die Araber in ihre Kaputzen. Wieder legte
sich der todmüde Esel mit sammt seiner Last. Wieder Halloh ohne Antwort,
wieder ein Signalschuß, der von den Geführten ungehört blieb, wieder Hunde-
gebell von allen Richtungen her und das Ausflattern eines" in seiner Nacht-
Whe gestörten Taubenvolkes.

Ob sie sich verirrt hatten, die Freunde? Ob sie in einem der Sümpfe
stecken geblieben waren, welche die Ueberschwemmung des Nil hier zurück-
läßt? Oder hatten sie ein anderes Unglück gehabt? Oder waren sie, überzeugt
von der Unmöglichkeit, Hassan als Führer zu brauchen, nach dem Schiff
umgekehrt?

So kamen wir über das zweite Dorf und den letzten Palmenwald


Nichts ahnend von der Möglichkeit dieses Mißgriffs, der. wie man sehen
wird, eine gute Anzahl von Verlegenheiten im Gefolge hatte, ging ich mit
meinen Arabern weiter, überschritt den großen Kanal, bei welchem der erste
Palmenwald ein Ende nimmt und gelangte nicht weit von hier an eine Weg¬
scheide. Ringsum beschien der Mond Saatfelder. In einiger Entfernung
dunkelte der Palmenwald des zweiten Dorfes. Hier wollte ich warten. Ich
feste mich aus einen Erdhügel, hielt die Hand ans Ohr und horchte nach der
Gegend hin, aus der die Gefährten kommen mußten. Alles war still. Plötzlich
schlug fernes Hundegebell an mein Ohr. Es waren mehre Bestien, vielleicht die¬
selben, die uns angegriffen. Ein andrer Ton folgte — das Yahaho eines Esels.
Eine Viertelstunde nachher Getrappel schneller Hufe — es kam näher, und ich war
getäuscht. Es waren Fellahin. die vom Markte heimkehrten. Wieder verfloß
eine Viertelstunde in banger Erwartung. Die Nacht sing an kalt zu werden.
Nebel stiegen aus dem Boden. Thau siel auf das Gras am Wege. Meine
^aber hatten die Kaputzen ihrer Mäntel ni'er den Kops gezogen und hockten
schweigend neben mir. Der Esel, jedenfalls den Tag über tüchtig benutzt,
hing traurig den Kops, schnoperte ein wenig an dem Grase herum und
legte sich dann mit sammt dem Gepäck seiner ganzen Länge nach ans die Seite.

Ich rief ein Halloh in der Richtung, von wo die Freunde kommen mußten.
Keine Antwort. Ich veranlaßte meine schlaftrunkenen Begleiter, sich mit mir.
M einem zweiten zu vereinigen. Keine Antwort als ein schwaches Echo
Ich schoß den einen Lauf des Gewehres ab und horchte, ob das Zeichen er-
widert werde. Hundegebell erschallte von drei, vier verschiedenen Seiten, und
ein Schwarm Tauben brauste, aus den Wipfeln der Palmen aufgescheucht,
über uns hin, aber ein Schuß war nicht zu vernehmen. M'ßmuthig befahl
ich den Arabern, mit denen ich mich nur durch abgebrochene Worte und Ge¬
berden verständigen konnte, weirer zu gehen. Murrend gehorchten sie. und
'es folgte, nachdem ich den abgeschossenen Laus vorsichtig wieder geladen.
Eine Viertelstunde weiter ein zweiter Kreuzweg und dasselbe Verfahren wie
beim ersten. Wieder hüllten sich die Araber in ihre Kaputzen. Wieder legte
sich der todmüde Esel mit sammt seiner Last. Wieder Halloh ohne Antwort,
wieder ein Signalschuß, der von den Geführten ungehört blieb, wieder Hunde-
gebell von allen Richtungen her und das Ausflattern eines" in seiner Nacht-
Whe gestörten Taubenvolkes.

Ob sie sich verirrt hatten, die Freunde? Ob sie in einem der Sümpfe
stecken geblieben waren, welche die Ueberschwemmung des Nil hier zurück-
läßt? Oder hatten sie ein anderes Unglück gehabt? Oder waren sie, überzeugt
von der Unmöglichkeit, Hassan als Führer zu brauchen, nach dem Schiff
umgekehrt?

So kamen wir über das zweite Dorf und den letzten Palmenwald


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187062"/>
          <p xml:id="ID_330"> Nichts ahnend von der Möglichkeit dieses Mißgriffs, der. wie man sehen<lb/>
wird, eine gute Anzahl von Verlegenheiten im Gefolge hatte, ging ich mit<lb/>
meinen Arabern weiter, überschritt den großen Kanal, bei welchem der erste<lb/>
Palmenwald ein Ende nimmt und gelangte nicht weit von hier an eine Weg¬<lb/>
scheide. Ringsum beschien der Mond Saatfelder. In einiger Entfernung<lb/>
dunkelte der Palmenwald des zweiten Dorfes. Hier wollte ich warten. Ich<lb/>
feste mich aus einen Erdhügel, hielt die Hand ans Ohr und horchte nach der<lb/>
Gegend hin, aus der die Gefährten kommen mußten. Alles war still. Plötzlich<lb/>
schlug fernes Hundegebell an mein Ohr. Es waren mehre Bestien, vielleicht die¬<lb/>
selben, die uns angegriffen. Ein andrer Ton folgte &#x2014; das Yahaho eines Esels.<lb/>
Eine Viertelstunde nachher Getrappel schneller Hufe &#x2014; es kam näher, und ich war<lb/>
getäuscht. Es waren Fellahin. die vom Markte heimkehrten. Wieder verfloß<lb/>
eine Viertelstunde in banger Erwartung. Die Nacht sing an kalt zu werden.<lb/>
Nebel stiegen aus dem Boden. Thau siel auf das Gras am Wege. Meine<lb/>
^aber hatten die Kaputzen ihrer Mäntel ni'er den Kops gezogen und hockten<lb/>
schweigend neben mir. Der Esel, jedenfalls den Tag über tüchtig benutzt,<lb/>
hing traurig den Kops, schnoperte ein wenig an dem Grase herum und<lb/>
legte sich dann mit sammt dem Gepäck seiner ganzen Länge nach ans die Seite.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_331"> Ich rief ein Halloh in der Richtung, von wo die Freunde kommen mußten.<lb/>
Keine Antwort. Ich veranlaßte meine schlaftrunkenen Begleiter, sich mit mir.<lb/>
M einem zweiten zu vereinigen. Keine Antwort als ein schwaches Echo<lb/>
Ich schoß den einen Lauf des Gewehres ab und horchte, ob das Zeichen er-<lb/>
widert werde. Hundegebell erschallte von drei, vier verschiedenen Seiten, und<lb/>
ein Schwarm Tauben brauste, aus den Wipfeln der Palmen aufgescheucht,<lb/>
über uns hin, aber ein Schuß war nicht zu vernehmen. M'ßmuthig befahl<lb/>
ich den Arabern, mit denen ich mich nur durch abgebrochene Worte und Ge¬<lb/>
berden verständigen konnte, weirer zu gehen. Murrend gehorchten sie. und<lb/>
'es folgte, nachdem ich den abgeschossenen Laus vorsichtig wieder geladen.<lb/>
Eine Viertelstunde weiter ein zweiter Kreuzweg und dasselbe Verfahren wie<lb/>
beim ersten. Wieder hüllten sich die Araber in ihre Kaputzen. Wieder legte<lb/>
sich der todmüde Esel mit sammt seiner Last. Wieder Halloh ohne Antwort,<lb/>
wieder ein Signalschuß, der von den Geführten ungehört blieb, wieder Hunde-<lb/>
gebell von allen Richtungen her und das Ausflattern eines" in seiner Nacht-<lb/>
Whe gestörten Taubenvolkes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_332"> Ob sie sich verirrt hatten, die Freunde? Ob sie in einem der Sümpfe<lb/>
stecken geblieben waren, welche die Ueberschwemmung des Nil hier zurück-<lb/>
läßt? Oder hatten sie ein anderes Unglück gehabt? Oder waren sie, überzeugt<lb/>
von der Unmöglichkeit, Hassan als Führer zu brauchen, nach dem Schiff<lb/>
umgekehrt?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_333" next="#ID_334"> So kamen wir über das zweite Dorf und den letzten Palmenwald</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0111] Nichts ahnend von der Möglichkeit dieses Mißgriffs, der. wie man sehen wird, eine gute Anzahl von Verlegenheiten im Gefolge hatte, ging ich mit meinen Arabern weiter, überschritt den großen Kanal, bei welchem der erste Palmenwald ein Ende nimmt und gelangte nicht weit von hier an eine Weg¬ scheide. Ringsum beschien der Mond Saatfelder. In einiger Entfernung dunkelte der Palmenwald des zweiten Dorfes. Hier wollte ich warten. Ich feste mich aus einen Erdhügel, hielt die Hand ans Ohr und horchte nach der Gegend hin, aus der die Gefährten kommen mußten. Alles war still. Plötzlich schlug fernes Hundegebell an mein Ohr. Es waren mehre Bestien, vielleicht die¬ selben, die uns angegriffen. Ein andrer Ton folgte — das Yahaho eines Esels. Eine Viertelstunde nachher Getrappel schneller Hufe — es kam näher, und ich war getäuscht. Es waren Fellahin. die vom Markte heimkehrten. Wieder verfloß eine Viertelstunde in banger Erwartung. Die Nacht sing an kalt zu werden. Nebel stiegen aus dem Boden. Thau siel auf das Gras am Wege. Meine ^aber hatten die Kaputzen ihrer Mäntel ni'er den Kops gezogen und hockten schweigend neben mir. Der Esel, jedenfalls den Tag über tüchtig benutzt, hing traurig den Kops, schnoperte ein wenig an dem Grase herum und legte sich dann mit sammt dem Gepäck seiner ganzen Länge nach ans die Seite. Ich rief ein Halloh in der Richtung, von wo die Freunde kommen mußten. Keine Antwort. Ich veranlaßte meine schlaftrunkenen Begleiter, sich mit mir. M einem zweiten zu vereinigen. Keine Antwort als ein schwaches Echo Ich schoß den einen Lauf des Gewehres ab und horchte, ob das Zeichen er- widert werde. Hundegebell erschallte von drei, vier verschiedenen Seiten, und ein Schwarm Tauben brauste, aus den Wipfeln der Palmen aufgescheucht, über uns hin, aber ein Schuß war nicht zu vernehmen. M'ßmuthig befahl ich den Arabern, mit denen ich mich nur durch abgebrochene Worte und Ge¬ berden verständigen konnte, weirer zu gehen. Murrend gehorchten sie. und 'es folgte, nachdem ich den abgeschossenen Laus vorsichtig wieder geladen. Eine Viertelstunde weiter ein zweiter Kreuzweg und dasselbe Verfahren wie beim ersten. Wieder hüllten sich die Araber in ihre Kaputzen. Wieder legte sich der todmüde Esel mit sammt seiner Last. Wieder Halloh ohne Antwort, wieder ein Signalschuß, der von den Geführten ungehört blieb, wieder Hunde- gebell von allen Richtungen her und das Ausflattern eines" in seiner Nacht- Whe gestörten Taubenvolkes. Ob sie sich verirrt hatten, die Freunde? Ob sie in einem der Sümpfe stecken geblieben waren, welche die Ueberschwemmung des Nil hier zurück- läßt? Oder hatten sie ein anderes Unglück gehabt? Oder waren sie, überzeugt von der Unmöglichkeit, Hassan als Führer zu brauchen, nach dem Schiff umgekehrt? So kamen wir über das zweite Dorf und den letzten Palmenwald

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/111
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/111>, abgerufen am 24.07.2024.