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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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eingebogen, welche aus dem Orte hinaus und nach dem ersten Dorfe auf dem
Wege nach den Pyramiden führen, als ein "Halt!" hinter mir erschallte.
Der Romantiker kam an mich herangeritten und bat mich zu warten. Er
habe gefunden, daß unser Weinvorrath -- er bestand in vier Flaschen --
nicht ausreichen werde, und zudem halte er es für schicklich, den Moment des
Sonnenaufgangs wenigstens mit einem Glase Champagner zu begrüßen.
Hassnn sei bereits abgeschickt, das Fehlende zu besorgen. Ich möge mit
meinem Esel und meinen beiden Arabern langsam vorausziehen und die
Uebrigen bei der ersten Wegscheide erwarten. Einwendungen waren ver¬
gebens, unser Romantiker litt keinen Widerspruch, am wenigsten hier gegen
den Einfall, auf dein Gipfel der Pyramide in seinem Lieblingsgetränk der
Sonne von Memphis ein Trankopfer zu spenden. Umsonst stellte ich ihm
vor, daß die Nacht keines Menschen Freund sei. daß ich zwar den Weg zu
kennen glaube, aber in der Dunkelheit der Palmcnpflanzungen, die wir zu¬
nächst zu passiren hätten, schwerlich jeden Kreuzweg bemerken werde, daß
Hassan, auf dessen Kenntniß der Gegend er baue, ebenso einfältig als furcht¬
sam sei. Er bat, ihm seine schone Idee nicht zu stören, versprach den Wein¬
kauf möglichst zu beeilen, zu schießen, wenn sie sich verirrt -- und damit
lenkte er um, in das Marktgewühl hinein, ohne auf meine Erwiederung zu
hören, in der ich ihm wenigstens mit geflügelten Worten die Hauptmerkzeichen
der Straße, so gut ich sie selbst noch im Gedächtniß hatte, angegeben haben würde.

Etwas verdrießlich trieb ich meine Araber zum Weitergehen an. Wir
kamen vor den Ort hinaus auf den breiten Dammweg, der, links von Tama¬
risken und Sykomoren beschattet, am Saume der Palmenpflanzungen hinter
Giseh hinführt. Der Mond schien mit weißem Licht durch die Wipfel. In
dex Ferne flackerte die rothe Flamme eiues Herdfeuers zwischen den Palmen¬
stämmen. ES war das erste Dorf. Da war der Baumstumpf, an dem mich
beim ersten Besuch der Pyramiden ein mit der Elephantiasis Behafteter um
eine Gabe gebeten. Dort die kleine sumpfige Wiese, auf der ich den ersten
Ibis erblickt. Am Dorfe wurden wir von einem Rudel wüthender Hunde
angefallen, die von ihren Eigenthümern nicht eher zurückgerufen wurden, als
bis der Prügel eines Matrosen den einen niedergeschlagen hatte. Eine Un¬
zahl von Schimpfworten und Verwünschungen aus kreischenden Wciberkehlen
folgte uns in die Finsterniß der Palmenschatten nach, in die uns der weitere
Weg führte. Ich wußte, daß ich die rechte Straße ging. Allein in der Ver¬
wirrung, welche der Angriff der Hunde verursacht und bei dem blendenden
Scheine des Feuers, welches aus der Dorfgasse herausstrahlte, hatte ich über¬
sehen, daß sowol rechts als links andere Wege abzweigten, und das Unglück
wollte, daß meine Freunde, als sie eine halbe Stunde später hier eintrafen,
grade einen dieser Seitenpfade wählten.


eingebogen, welche aus dem Orte hinaus und nach dem ersten Dorfe auf dem
Wege nach den Pyramiden führen, als ein „Halt!" hinter mir erschallte.
Der Romantiker kam an mich herangeritten und bat mich zu warten. Er
habe gefunden, daß unser Weinvorrath — er bestand in vier Flaschen —
nicht ausreichen werde, und zudem halte er es für schicklich, den Moment des
Sonnenaufgangs wenigstens mit einem Glase Champagner zu begrüßen.
Hassnn sei bereits abgeschickt, das Fehlende zu besorgen. Ich möge mit
meinem Esel und meinen beiden Arabern langsam vorausziehen und die
Uebrigen bei der ersten Wegscheide erwarten. Einwendungen waren ver¬
gebens, unser Romantiker litt keinen Widerspruch, am wenigsten hier gegen
den Einfall, auf dein Gipfel der Pyramide in seinem Lieblingsgetränk der
Sonne von Memphis ein Trankopfer zu spenden. Umsonst stellte ich ihm
vor, daß die Nacht keines Menschen Freund sei. daß ich zwar den Weg zu
kennen glaube, aber in der Dunkelheit der Palmcnpflanzungen, die wir zu¬
nächst zu passiren hätten, schwerlich jeden Kreuzweg bemerken werde, daß
Hassan, auf dessen Kenntniß der Gegend er baue, ebenso einfältig als furcht¬
sam sei. Er bat, ihm seine schone Idee nicht zu stören, versprach den Wein¬
kauf möglichst zu beeilen, zu schießen, wenn sie sich verirrt — und damit
lenkte er um, in das Marktgewühl hinein, ohne auf meine Erwiederung zu
hören, in der ich ihm wenigstens mit geflügelten Worten die Hauptmerkzeichen
der Straße, so gut ich sie selbst noch im Gedächtniß hatte, angegeben haben würde.

Etwas verdrießlich trieb ich meine Araber zum Weitergehen an. Wir
kamen vor den Ort hinaus auf den breiten Dammweg, der, links von Tama¬
risken und Sykomoren beschattet, am Saume der Palmenpflanzungen hinter
Giseh hinführt. Der Mond schien mit weißem Licht durch die Wipfel. In
dex Ferne flackerte die rothe Flamme eiues Herdfeuers zwischen den Palmen¬
stämmen. ES war das erste Dorf. Da war der Baumstumpf, an dem mich
beim ersten Besuch der Pyramiden ein mit der Elephantiasis Behafteter um
eine Gabe gebeten. Dort die kleine sumpfige Wiese, auf der ich den ersten
Ibis erblickt. Am Dorfe wurden wir von einem Rudel wüthender Hunde
angefallen, die von ihren Eigenthümern nicht eher zurückgerufen wurden, als
bis der Prügel eines Matrosen den einen niedergeschlagen hatte. Eine Un¬
zahl von Schimpfworten und Verwünschungen aus kreischenden Wciberkehlen
folgte uns in die Finsterniß der Palmenschatten nach, in die uns der weitere
Weg führte. Ich wußte, daß ich die rechte Straße ging. Allein in der Ver¬
wirrung, welche der Angriff der Hunde verursacht und bei dem blendenden
Scheine des Feuers, welches aus der Dorfgasse herausstrahlte, hatte ich über¬
sehen, daß sowol rechts als links andere Wege abzweigten, und das Unglück
wollte, daß meine Freunde, als sie eine halbe Stunde später hier eintrafen,
grade einen dieser Seitenpfade wählten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/110>, abgerufen am 24.07.2024.