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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Ende zuziehen würden, sodann weil Ungebührlichkeiten von ihrer Seite die
Ausflüge hierher vermindern und so ihre Einnahme als Führer und als
Händler mit Mumienschmuck, alten Münzen und ähnlichem Leichcnraub schmä¬
lern müßten, endlich aber, weil sie den Unterschied zwischen ihren Waffen und
denen der Franken zu gut kennen, um erst durch Proben lernen zu müssen,
daß ein Revolver seinen Besitzer reichlich sechsmal so gut vertheidigt, als eine
jener gichtbrüchigen, vom Rost des Alters zerfressenen Bundukien, mit denen sie
of Feld rücken könnten.

Nach meiner Rechnung mußten wir kurz vor Beginn der Geisterstunde
"in Fuße der Erhöhung anlangen, auf der sich die Pyramiden erheben. Wir
hatten dann noch sechs Stunden bis zum Aufgang der Sonne, und da es
der Hunde und Flöhe wegen nicht gerathen war. in einem der Dörfer ein
Nachtlager zu suchen, so hatte ich den Vorschlag gethan, eines der Felsen-
gräber/weiche sich in langer Reihe vor den Pyramiden hinziehen, als Schlaf-
gemach zu benutzen. Dieselben eignen sich zu diesem Zwecke vortrefflich. Die
Mumien, welche früher hier schliefen, sind längst herausgeholt und bruchstück¬
weise verkauft worden. Der Wind hat in die Höhlen den feinsten Sand
geweht, den man sich zum Unterbett wünschen kann. Die Eingänge sind
Ühmal und mit einer Decke leicht gegen die Nachtluft zu verwahren. Außer¬
dem, welch ein prächtiger Gedanke für unsern romantisch gestimmten Gefährten.
Nacht in einem mit Hieroglyphen verzierten Bett, in der Gruft eines
Hofraths. Geheimen Finanzraths oder Oberappellationsrathes oder gar eines
erlauchten Prinzen vom Hofe des Königs Cheops zuzubringen! Denn man muß
Wissen, daß der Theil des großen Friedhofs von Memphis. der die unmittelbare
Umgebung der Pyramiden bildet, nur Mumien von Geblüt und Rang rü
sieh barg.'

So war denn alles, wie es schien, aufs beste bestellt, und als die Esel
beladen waren, brachen wir auf.

Ich ging. mit einer Büchsflinte, die in dem gezogenen Lauf eine Spitz-
kugcl. in dem glatten eine Ladung Rehposten hatte, und mit einem Stockdegen
bewaffnet, als' Führer voraus. Dann folgte mit seinem Prügel der eine
Matrose, der Esel mit den Betten und Eßwaaren und der eine- der Esels¬
buben. Das Gros der Karavane bildeten die beiden Gefährten, beide zu
Ael, der eine ebenfalls mit einer Büchsflinte, der andere mit zwei Revolvern
ausgerüstet, der zweite Esclsjunge. der zweite Matrose und Hassan Hasenfuß.
unser braver Dragoman.

Der Markt von Giseh war noch hell erleuchtet und voll Leben, tue Kaffee-
schenken noch dicht mit Gästen besetzt. Auch die griechischen Wein- und Aqucwit-
händler lockten noch mit ihren im Achte der Lampen strahlenden Flaschenreihen,
und sie lockten nicht vergebens. Ich war eben in eine der dunklen Gassen


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Ende zuziehen würden, sodann weil Ungebührlichkeiten von ihrer Seite die
Ausflüge hierher vermindern und so ihre Einnahme als Führer und als
Händler mit Mumienschmuck, alten Münzen und ähnlichem Leichcnraub schmä¬
lern müßten, endlich aber, weil sie den Unterschied zwischen ihren Waffen und
denen der Franken zu gut kennen, um erst durch Proben lernen zu müssen,
daß ein Revolver seinen Besitzer reichlich sechsmal so gut vertheidigt, als eine
jener gichtbrüchigen, vom Rost des Alters zerfressenen Bundukien, mit denen sie
of Feld rücken könnten.

Nach meiner Rechnung mußten wir kurz vor Beginn der Geisterstunde
«in Fuße der Erhöhung anlangen, auf der sich die Pyramiden erheben. Wir
hatten dann noch sechs Stunden bis zum Aufgang der Sonne, und da es
der Hunde und Flöhe wegen nicht gerathen war. in einem der Dörfer ein
Nachtlager zu suchen, so hatte ich den Vorschlag gethan, eines der Felsen-
gräber/weiche sich in langer Reihe vor den Pyramiden hinziehen, als Schlaf-
gemach zu benutzen. Dieselben eignen sich zu diesem Zwecke vortrefflich. Die
Mumien, welche früher hier schliefen, sind längst herausgeholt und bruchstück¬
weise verkauft worden. Der Wind hat in die Höhlen den feinsten Sand
geweht, den man sich zum Unterbett wünschen kann. Die Eingänge sind
Ühmal und mit einer Decke leicht gegen die Nachtluft zu verwahren. Außer¬
dem, welch ein prächtiger Gedanke für unsern romantisch gestimmten Gefährten.
Nacht in einem mit Hieroglyphen verzierten Bett, in der Gruft eines
Hofraths. Geheimen Finanzraths oder Oberappellationsrathes oder gar eines
erlauchten Prinzen vom Hofe des Königs Cheops zuzubringen! Denn man muß
Wissen, daß der Theil des großen Friedhofs von Memphis. der die unmittelbare
Umgebung der Pyramiden bildet, nur Mumien von Geblüt und Rang rü
sieh barg.'

So war denn alles, wie es schien, aufs beste bestellt, und als die Esel
beladen waren, brachen wir auf.

Ich ging. mit einer Büchsflinte, die in dem gezogenen Lauf eine Spitz-
kugcl. in dem glatten eine Ladung Rehposten hatte, und mit einem Stockdegen
bewaffnet, als' Führer voraus. Dann folgte mit seinem Prügel der eine
Matrose, der Esel mit den Betten und Eßwaaren und der eine- der Esels¬
buben. Das Gros der Karavane bildeten die beiden Gefährten, beide zu
Ael, der eine ebenfalls mit einer Büchsflinte, der andere mit zwei Revolvern
ausgerüstet, der zweite Esclsjunge. der zweite Matrose und Hassan Hasenfuß.
unser braver Dragoman.

Der Markt von Giseh war noch hell erleuchtet und voll Leben, tue Kaffee-
schenken noch dicht mit Gästen besetzt. Auch die griechischen Wein- und Aqucwit-
händler lockten noch mit ihren im Achte der Lampen strahlenden Flaschenreihen,
und sie lockten nicht vergebens. Ich war eben in eine der dunklen Gassen


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[0109] Ende zuziehen würden, sodann weil Ungebührlichkeiten von ihrer Seite die Ausflüge hierher vermindern und so ihre Einnahme als Führer und als Händler mit Mumienschmuck, alten Münzen und ähnlichem Leichcnraub schmä¬ lern müßten, endlich aber, weil sie den Unterschied zwischen ihren Waffen und denen der Franken zu gut kennen, um erst durch Proben lernen zu müssen, daß ein Revolver seinen Besitzer reichlich sechsmal so gut vertheidigt, als eine jener gichtbrüchigen, vom Rost des Alters zerfressenen Bundukien, mit denen sie of Feld rücken könnten. Nach meiner Rechnung mußten wir kurz vor Beginn der Geisterstunde «in Fuße der Erhöhung anlangen, auf der sich die Pyramiden erheben. Wir hatten dann noch sechs Stunden bis zum Aufgang der Sonne, und da es der Hunde und Flöhe wegen nicht gerathen war. in einem der Dörfer ein Nachtlager zu suchen, so hatte ich den Vorschlag gethan, eines der Felsen- gräber/weiche sich in langer Reihe vor den Pyramiden hinziehen, als Schlaf- gemach zu benutzen. Dieselben eignen sich zu diesem Zwecke vortrefflich. Die Mumien, welche früher hier schliefen, sind längst herausgeholt und bruchstück¬ weise verkauft worden. Der Wind hat in die Höhlen den feinsten Sand geweht, den man sich zum Unterbett wünschen kann. Die Eingänge sind Ühmal und mit einer Decke leicht gegen die Nachtluft zu verwahren. Außer¬ dem, welch ein prächtiger Gedanke für unsern romantisch gestimmten Gefährten. Nacht in einem mit Hieroglyphen verzierten Bett, in der Gruft eines Hofraths. Geheimen Finanzraths oder Oberappellationsrathes oder gar eines erlauchten Prinzen vom Hofe des Königs Cheops zuzubringen! Denn man muß Wissen, daß der Theil des großen Friedhofs von Memphis. der die unmittelbare Umgebung der Pyramiden bildet, nur Mumien von Geblüt und Rang rü sieh barg.' So war denn alles, wie es schien, aufs beste bestellt, und als die Esel beladen waren, brachen wir auf. Ich ging. mit einer Büchsflinte, die in dem gezogenen Lauf eine Spitz- kugcl. in dem glatten eine Ladung Rehposten hatte, und mit einem Stockdegen bewaffnet, als' Führer voraus. Dann folgte mit seinem Prügel der eine Matrose, der Esel mit den Betten und Eßwaaren und der eine- der Esels¬ buben. Das Gros der Karavane bildeten die beiden Gefährten, beide zu Ael, der eine ebenfalls mit einer Büchsflinte, der andere mit zwei Revolvern ausgerüstet, der zweite Esclsjunge. der zweite Matrose und Hassan Hasenfuß. unser braver Dragoman. Der Markt von Giseh war noch hell erleuchtet und voll Leben, tue Kaffee- schenken noch dicht mit Gästen besetzt. Auch die griechischen Wein- und Aqucwit- händler lockten noch mit ihren im Achte der Lampen strahlenden Flaschenreihen, und sie lockten nicht vergebens. Ich war eben in eine der dunklen Gassen 13*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/109>, abgerufen am 24.07.2024.