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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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annäherungsweise gleich ist, durch ihr Gewicht in allen Streitfragen, wo
Oestreich gegen Preußen steht, den Ausschlag zu geben.

Ob der Plan den Wünschen und Hoffnungen der deutschen Nation gerecht
wird, ist eine andere Frage; ob er durchführbar ist für eine aggressive Politik,
muß sich erst in der Probe zeigen: aber eine Träumerei ist er nicht, und wo
es sich blos um Erhaltung der bestehenden Zustände handelt, hat er sogar
in den meisten Fällen die sichere Aussicht auf Erfolg. -- Jetzt wird aber ein
ganz andrer Triasplan aufgestellt, der noch das Pikante hat, von einem demo¬
kratischen Schriftsteller auszugehn.

Fröbels Broschüre ist schon im vorigen Heft erwähnt; von ihr ist heute
die Rede.

Es macht einen wunderlichen Eindruck, wenn jemand mit dem sanften Ton
einer durch langes und besonnenes Nachdenken gewonnenen ruhigen Ueberzeu¬
gung, mit dem stillen Lächeln eines über alle Widersprüche erhabenen praktischen
Verstandes Excentricitäten vorbringt, denen man kaum mit der Phantasie folgen
kann; wenn er in kühlem Geschäftston Dinge als unumstößlich wahr erzählt,
deren Unwahrheit jedem Kinde bekannt ist. So hat es Fröbel während seines
ganzen schriftstellerischen Auftretens gemacht, und sein milder, humaner Ton
hat manchen betroffen gemacht, den von seinen Parteigenossen schon der Jn-
stinct zurückhielt. Mit dem aufrichtigen Wunsch, die Realität der Dinge zu
sehn, verbindet er die absolute Unfähigkeit, die Augen aufzumachen; und die
anscheinende Nüchternheit seiner Betrachtung wird durch eine Combinations-
gabe paralysirt, die sich nicht selten zur wildesten Träumerei steigert. Mit einer
hohen weltmännischen Verachtung aller Doktrinärs verbindet er einen doktri¬
nären Sinn, der aus einigen wenigen speculativen Abstraktionen ein ganzes
Gewebe politischer Vorstellungen hcrcmsspinnt.

Er gehörte bekanntlich 1348 zu den Führern d.er demokratischen Partei,
von der er heute sagt, "sie sei mit sehr mäßigem Verstand ausgerüstet und
könne kaum Ansprüche darauf machen, über das A B C der Politik hinauf¬
zureichen." Er spricht (S. 24) von den wohlbegründeten historischen Ansprüchen
der deutschen Kleinstaaten; wie er über das Nationalitätsprincip denkt, ist schon
gesagt. Er spricht entschieden gegen die Wiederaufnahme der Reichsverfassung von
1849, gegen die Wiedereinberufung eines deutschen Parlaments. Ebenso ener¬
gisch spricht er gegen die Hoffnungen, die sich auf eine Revolution richten. "Auch
der fanatischeste Revolutionär wird mir zugeben, daß eine Politik, die keine andere
Basis als die einer solchen Hoffnung hat, weniger Aussicht auf Erfolg haben
kann, als ein ökonomisches Unternehmen, welches sich auf einen gehofften
Lotteriegewinn gründet . . . Neubildungen freilich werden auf den Umsturz
des Alten folgen; aber sie werden muthmaßlich etwas ganz Anderes darstellen,
M die Umsturzpolitiker sich gedacht haben ... Die Revolution ist das große


annäherungsweise gleich ist, durch ihr Gewicht in allen Streitfragen, wo
Oestreich gegen Preußen steht, den Ausschlag zu geben.

Ob der Plan den Wünschen und Hoffnungen der deutschen Nation gerecht
wird, ist eine andere Frage; ob er durchführbar ist für eine aggressive Politik,
muß sich erst in der Probe zeigen: aber eine Träumerei ist er nicht, und wo
es sich blos um Erhaltung der bestehenden Zustände handelt, hat er sogar
in den meisten Fällen die sichere Aussicht auf Erfolg. — Jetzt wird aber ein
ganz andrer Triasplan aufgestellt, der noch das Pikante hat, von einem demo¬
kratischen Schriftsteller auszugehn.

Fröbels Broschüre ist schon im vorigen Heft erwähnt; von ihr ist heute
die Rede.

Es macht einen wunderlichen Eindruck, wenn jemand mit dem sanften Ton
einer durch langes und besonnenes Nachdenken gewonnenen ruhigen Ueberzeu¬
gung, mit dem stillen Lächeln eines über alle Widersprüche erhabenen praktischen
Verstandes Excentricitäten vorbringt, denen man kaum mit der Phantasie folgen
kann; wenn er in kühlem Geschäftston Dinge als unumstößlich wahr erzählt,
deren Unwahrheit jedem Kinde bekannt ist. So hat es Fröbel während seines
ganzen schriftstellerischen Auftretens gemacht, und sein milder, humaner Ton
hat manchen betroffen gemacht, den von seinen Parteigenossen schon der Jn-
stinct zurückhielt. Mit dem aufrichtigen Wunsch, die Realität der Dinge zu
sehn, verbindet er die absolute Unfähigkeit, die Augen aufzumachen; und die
anscheinende Nüchternheit seiner Betrachtung wird durch eine Combinations-
gabe paralysirt, die sich nicht selten zur wildesten Träumerei steigert. Mit einer
hohen weltmännischen Verachtung aller Doktrinärs verbindet er einen doktri¬
nären Sinn, der aus einigen wenigen speculativen Abstraktionen ein ganzes
Gewebe politischer Vorstellungen hcrcmsspinnt.

Er gehörte bekanntlich 1348 zu den Führern d.er demokratischen Partei,
von der er heute sagt, „sie sei mit sehr mäßigem Verstand ausgerüstet und
könne kaum Ansprüche darauf machen, über das A B C der Politik hinauf¬
zureichen." Er spricht (S. 24) von den wohlbegründeten historischen Ansprüchen
der deutschen Kleinstaaten; wie er über das Nationalitätsprincip denkt, ist schon
gesagt. Er spricht entschieden gegen die Wiederaufnahme der Reichsverfassung von
1849, gegen die Wiedereinberufung eines deutschen Parlaments. Ebenso ener¬
gisch spricht er gegen die Hoffnungen, die sich auf eine Revolution richten. „Auch
der fanatischeste Revolutionär wird mir zugeben, daß eine Politik, die keine andere
Basis als die einer solchen Hoffnung hat, weniger Aussicht auf Erfolg haben
kann, als ein ökonomisches Unternehmen, welches sich auf einen gehofften
Lotteriegewinn gründet . . . Neubildungen freilich werden auf den Umsturz
des Alten folgen; aber sie werden muthmaßlich etwas ganz Anderes darstellen,
M die Umsturzpolitiker sich gedacht haben ... Die Revolution ist das große


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/96>, abgerufen am 27.08.2024.