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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Eine vollständige Neutralität ist dabei freilich nicht zu denken; denn von
Oestreich, dem völlig arrondirten Staat, droht keine unmittelbare Gefahr, wäh¬
rend Preußen, dessen Gebiet auf das wunderlichste mit den alten deutschen
Staaten verschlungen ist, schon durch seine Existenz dem Besitzstand seiner Nach¬
barn gefährlich ist. Die Koalition der Mittclstaatcn Wird sich daher in ge¬
wöhnlichen Zeiten stets an Oestreich anschließen. Die Blätter der Coalition
haben es in neuester Zeit zuweilen so dargestellt, als sei das neue Regiment
in Preußen seiner politischen Färbung. wegen bedenklich, aber das war ein
Vorwand; die Feindseligkeit gegen Preußen war, als Manteuffel und West-
Phalen an der Spitze standen, ebenso groß als jetzt: wenn in Preußen das
Junkerthum herrscht, wird man in Bamberg gegen die Reaction declamiren,
und bei einem liberalen Gouvernement wird man vor demokratischen Umtrieben
warnen. Jede Regierung Preußens wird den bamberger Blättern verdäch¬
tig sein.

In dieser Coalition lag für Deutschland noch eine andere Gefahr. Die
Zeiten des Rheinbunds sind noch unvergessen, und es gaben sich in den letzten
Jahren einige sehr bedenkliche Symptome kund, als wolle man wieder auf
eigne Hand Politik machen. Zur Ehre Deutschlands erwies sich beim Aus-
bruch der italienischen Krisis diese Besorgniß als grundlos, die Volksstimme
freilich aus sehr verschiedenen Elementen zusammengesetzt -- rief laut zum
Krieg gegen Frankreich, und die Regierungen der Mittelstaaten schlössen sich
ohne Zögern dieser Bewegung an. Freilich hörte man damals im bamberger
Lager einige sehr bedenkliche Stimmen-. Preußen wurde bedroht, daß im Fall
es sich nicht fügte, alle conservativen Mächte sich Oestreich und Frankreich
anschließen würden; doch wol gegen Preußen.

Die Bundesverfassung wurde im Lauf dieser Krisis anders interpretirt
als gewöhnlich. Bisher hatte man -- fnctisch -- angenommen, ein durch¬
greifender Beschluß der auswärtigen Politik könne nur gefaßt werden, wenn
die beiden Großmächte einig wären. In Frankfurt wurde nun der Versuch
gemacht, durch Majoritätsbeschluß Preußen in einen Krieg zu poliren, der
außerhalb des Bundesgebiets lag. Die Verhandlungen über diese Ansicht,
die eine wesentliche Umgestaltung des "Staatenbundes" in einen Bundesstaat
Zur Folge haben würde, sind durch den Frieden von Villafranca unterbrochen.

Was nun die Staatsmänner der Mittelstaaten unter Trias verstehn. ist
klar. Die Regierungen der Mittelstaaten haben wenigstens ein gemeinsames
Interesse: zu verhüten, daß weder Oestreich noch Preußen zu mächtig werde,
und namentlich den Vergrößerungsplänen des letztern zu widerstehn. Auf
^rund dieser gemeinsamen Interessen haben sie sich miteinander zu verbinden,
Und da ihre Streitkraft zusammengenommen der jeder einzelnen Großmacht'''


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Eine vollständige Neutralität ist dabei freilich nicht zu denken; denn von
Oestreich, dem völlig arrondirten Staat, droht keine unmittelbare Gefahr, wäh¬
rend Preußen, dessen Gebiet auf das wunderlichste mit den alten deutschen
Staaten verschlungen ist, schon durch seine Existenz dem Besitzstand seiner Nach¬
barn gefährlich ist. Die Koalition der Mittclstaatcn Wird sich daher in ge¬
wöhnlichen Zeiten stets an Oestreich anschließen. Die Blätter der Coalition
haben es in neuester Zeit zuweilen so dargestellt, als sei das neue Regiment
in Preußen seiner politischen Färbung. wegen bedenklich, aber das war ein
Vorwand; die Feindseligkeit gegen Preußen war, als Manteuffel und West-
Phalen an der Spitze standen, ebenso groß als jetzt: wenn in Preußen das
Junkerthum herrscht, wird man in Bamberg gegen die Reaction declamiren,
und bei einem liberalen Gouvernement wird man vor demokratischen Umtrieben
warnen. Jede Regierung Preußens wird den bamberger Blättern verdäch¬
tig sein.

In dieser Coalition lag für Deutschland noch eine andere Gefahr. Die
Zeiten des Rheinbunds sind noch unvergessen, und es gaben sich in den letzten
Jahren einige sehr bedenkliche Symptome kund, als wolle man wieder auf
eigne Hand Politik machen. Zur Ehre Deutschlands erwies sich beim Aus-
bruch der italienischen Krisis diese Besorgniß als grundlos, die Volksstimme
freilich aus sehr verschiedenen Elementen zusammengesetzt — rief laut zum
Krieg gegen Frankreich, und die Regierungen der Mittelstaaten schlössen sich
ohne Zögern dieser Bewegung an. Freilich hörte man damals im bamberger
Lager einige sehr bedenkliche Stimmen-. Preußen wurde bedroht, daß im Fall
es sich nicht fügte, alle conservativen Mächte sich Oestreich und Frankreich
anschließen würden; doch wol gegen Preußen.

Die Bundesverfassung wurde im Lauf dieser Krisis anders interpretirt
als gewöhnlich. Bisher hatte man — fnctisch — angenommen, ein durch¬
greifender Beschluß der auswärtigen Politik könne nur gefaßt werden, wenn
die beiden Großmächte einig wären. In Frankfurt wurde nun der Versuch
gemacht, durch Majoritätsbeschluß Preußen in einen Krieg zu poliren, der
außerhalb des Bundesgebiets lag. Die Verhandlungen über diese Ansicht,
die eine wesentliche Umgestaltung des „Staatenbundes" in einen Bundesstaat
Zur Folge haben würde, sind durch den Frieden von Villafranca unterbrochen.

Was nun die Staatsmänner der Mittelstaaten unter Trias verstehn. ist
klar. Die Regierungen der Mittelstaaten haben wenigstens ein gemeinsames
Interesse: zu verhüten, daß weder Oestreich noch Preußen zu mächtig werde,
und namentlich den Vergrößerungsplänen des letztern zu widerstehn. Auf
^rund dieser gemeinsamen Interessen haben sie sich miteinander zu verbinden,
Und da ihre Streitkraft zusammengenommen der jeder einzelnen Großmacht'''


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[0095] Eine vollständige Neutralität ist dabei freilich nicht zu denken; denn von Oestreich, dem völlig arrondirten Staat, droht keine unmittelbare Gefahr, wäh¬ rend Preußen, dessen Gebiet auf das wunderlichste mit den alten deutschen Staaten verschlungen ist, schon durch seine Existenz dem Besitzstand seiner Nach¬ barn gefährlich ist. Die Koalition der Mittclstaatcn Wird sich daher in ge¬ wöhnlichen Zeiten stets an Oestreich anschließen. Die Blätter der Coalition haben es in neuester Zeit zuweilen so dargestellt, als sei das neue Regiment in Preußen seiner politischen Färbung. wegen bedenklich, aber das war ein Vorwand; die Feindseligkeit gegen Preußen war, als Manteuffel und West- Phalen an der Spitze standen, ebenso groß als jetzt: wenn in Preußen das Junkerthum herrscht, wird man in Bamberg gegen die Reaction declamiren, und bei einem liberalen Gouvernement wird man vor demokratischen Umtrieben warnen. Jede Regierung Preußens wird den bamberger Blättern verdäch¬ tig sein. In dieser Coalition lag für Deutschland noch eine andere Gefahr. Die Zeiten des Rheinbunds sind noch unvergessen, und es gaben sich in den letzten Jahren einige sehr bedenkliche Symptome kund, als wolle man wieder auf eigne Hand Politik machen. Zur Ehre Deutschlands erwies sich beim Aus- bruch der italienischen Krisis diese Besorgniß als grundlos, die Volksstimme freilich aus sehr verschiedenen Elementen zusammengesetzt — rief laut zum Krieg gegen Frankreich, und die Regierungen der Mittelstaaten schlössen sich ohne Zögern dieser Bewegung an. Freilich hörte man damals im bamberger Lager einige sehr bedenkliche Stimmen-. Preußen wurde bedroht, daß im Fall es sich nicht fügte, alle conservativen Mächte sich Oestreich und Frankreich anschließen würden; doch wol gegen Preußen. Die Bundesverfassung wurde im Lauf dieser Krisis anders interpretirt als gewöhnlich. Bisher hatte man — fnctisch — angenommen, ein durch¬ greifender Beschluß der auswärtigen Politik könne nur gefaßt werden, wenn die beiden Großmächte einig wären. In Frankfurt wurde nun der Versuch gemacht, durch Majoritätsbeschluß Preußen in einen Krieg zu poliren, der außerhalb des Bundesgebiets lag. Die Verhandlungen über diese Ansicht, die eine wesentliche Umgestaltung des „Staatenbundes" in einen Bundesstaat Zur Folge haben würde, sind durch den Frieden von Villafranca unterbrochen. Was nun die Staatsmänner der Mittelstaaten unter Trias verstehn. ist klar. Die Regierungen der Mittelstaaten haben wenigstens ein gemeinsames Interesse: zu verhüten, daß weder Oestreich noch Preußen zu mächtig werde, und namentlich den Vergrößerungsplänen des letztern zu widerstehn. Auf ^rund dieser gemeinsamen Interessen haben sie sich miteinander zu verbinden, Und da ihre Streitkraft zusammengenommen der jeder einzelnen Großmacht''' ^et'.1if ,i!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/95>, abgerufen am 27.08.2024.