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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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auf einem Landvorsprung, der mit dem Kontinent nur durch einen schmalen
Isthmus zusammenhängt. Es ist nach Ceuta der größte und angenehmste Ort
der spanischen Besitzungen auf dieser Küste. Indeß ist die Hitze im Sommer
außerordentlich stark, und da die Bewohner mit Ausnahme einiger Privilegium
und streng überwachten Lieferanten auch im Frieden von jeder Verbindung
mit dem marokkanischen Festland abgeschnitten sind und jetzt überdies ein Zu¬
stand herrscht, bei dem man bei keinem Spaziergang vor die Walle hinaus
sicher ist, den Kopf in den Handen der maurischen Nachbarn lassen zu müssen,
da ferner äußerst selten ein anderes Schiff hier anlegt, als der monatlich nur
einmal hier ankommende Postdampfer, der die Verbindung mit Malaga unterhält,
so ist die Bezeichnung "angenehm" cum ^raro salis zu nehmen, und im Hin¬
blick hierauf entschließen sich nur sehr wenige Spanier, sich hier niederzulassen.
Die Bewohnerschaft besteht demnach fast lediglich aus der Besatzung und den
hierher deportirten Verbrechern (Prefidiarios und Sentenciados); von Soldaten
befinden sich in Melillah 800, von Strafgefangnen gegen 1500 Mann. Den
Befehl führt ein Oberst, der zugleich als Civilgouverneur fungirt. Der Platz
gilt für uneinnehmbar, indeß empfand man die Belagerung, welche in den letzten
Jahren von den Umwohnern unternommen wurde, trotzdem, daß diese nicht
mehr als eine Kanone besaßen und dieselbe nicht einmal gehörig zu brauchen
verstanden, schwer genug. Die Hauptwerke der Festung stammen aus dem vo¬
rigen Jahrhundert, die neueste Zeit hat sie mit nicht unwichtigen Verstärkun¬
gen versehen. Das Hauptthor befindet sich auf der Westseite. Es wird durch
den starken Thurm von Se.Jago vertheidigt, der mit den Außenwerken durch
einen bedeckten Weg in Verbindung steht. Der gegen Süden hinaustretende
Winkel ist durch eine runde Brustwehr mit einem Thurm geschützt. Eine an¬
dere Brustwehr mit einem in elliptischer Form erbauten Reduit sichert die öst¬
liche Seite; die nördliche endlich ist von Natur sturmfrei, da hier der Felsen,
auf dem die Stadt liegt, als schroffe Wand gegen das Meer abfällt. Einen
Kanonenschuß südlich von den Wällen befindet sich ein kleiner, ziemlich sicherer
Hafen, der indeß so wenig Tiefe hat. daß er nur Fahrzeugen von geringem
Tiefgang. Felukken und Schebeckcn die Einfahrt erlaubt. Ein großer Vortheil
ist, daß es der Festung nicht an gutem Trinkwasser mangelt. Man hat mehre
Quellen, die so reichlich fließen, daß man sie zur Bewässerung von Gärten
benutzen kann, und überdies ist für Nothfälle durch eine Anzahl von Zisternen
gesorgt, in denen man das Wasser aufbewahrt, welches die hier sehr heftigen
Regengüsse des Winters liefern.

Nicht fern im Süden von Melillah trifft man hart am Gestade der Bucht
den großen Salzsee Resifah, welcher bis zum Jahre 1755, wo Erdbeben den
Zugang verschlossen, einen vortrefflichen Hafen bildete. Ferner liegt in ge¬
ringer Entfernung von hier die Lagune von Puerto Nuevo, die als Saline


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auf einem Landvorsprung, der mit dem Kontinent nur durch einen schmalen
Isthmus zusammenhängt. Es ist nach Ceuta der größte und angenehmste Ort
der spanischen Besitzungen auf dieser Küste. Indeß ist die Hitze im Sommer
außerordentlich stark, und da die Bewohner mit Ausnahme einiger Privilegium
und streng überwachten Lieferanten auch im Frieden von jeder Verbindung
mit dem marokkanischen Festland abgeschnitten sind und jetzt überdies ein Zu¬
stand herrscht, bei dem man bei keinem Spaziergang vor die Walle hinaus
sicher ist, den Kopf in den Handen der maurischen Nachbarn lassen zu müssen,
da ferner äußerst selten ein anderes Schiff hier anlegt, als der monatlich nur
einmal hier ankommende Postdampfer, der die Verbindung mit Malaga unterhält,
so ist die Bezeichnung „angenehm" cum ^raro salis zu nehmen, und im Hin¬
blick hierauf entschließen sich nur sehr wenige Spanier, sich hier niederzulassen.
Die Bewohnerschaft besteht demnach fast lediglich aus der Besatzung und den
hierher deportirten Verbrechern (Prefidiarios und Sentenciados); von Soldaten
befinden sich in Melillah 800, von Strafgefangnen gegen 1500 Mann. Den
Befehl führt ein Oberst, der zugleich als Civilgouverneur fungirt. Der Platz
gilt für uneinnehmbar, indeß empfand man die Belagerung, welche in den letzten
Jahren von den Umwohnern unternommen wurde, trotzdem, daß diese nicht
mehr als eine Kanone besaßen und dieselbe nicht einmal gehörig zu brauchen
verstanden, schwer genug. Die Hauptwerke der Festung stammen aus dem vo¬
rigen Jahrhundert, die neueste Zeit hat sie mit nicht unwichtigen Verstärkun¬
gen versehen. Das Hauptthor befindet sich auf der Westseite. Es wird durch
den starken Thurm von Se.Jago vertheidigt, der mit den Außenwerken durch
einen bedeckten Weg in Verbindung steht. Der gegen Süden hinaustretende
Winkel ist durch eine runde Brustwehr mit einem Thurm geschützt. Eine an¬
dere Brustwehr mit einem in elliptischer Form erbauten Reduit sichert die öst¬
liche Seite; die nördliche endlich ist von Natur sturmfrei, da hier der Felsen,
auf dem die Stadt liegt, als schroffe Wand gegen das Meer abfällt. Einen
Kanonenschuß südlich von den Wällen befindet sich ein kleiner, ziemlich sicherer
Hafen, der indeß so wenig Tiefe hat. daß er nur Fahrzeugen von geringem
Tiefgang. Felukken und Schebeckcn die Einfahrt erlaubt. Ein großer Vortheil
ist, daß es der Festung nicht an gutem Trinkwasser mangelt. Man hat mehre
Quellen, die so reichlich fließen, daß man sie zur Bewässerung von Gärten
benutzen kann, und überdies ist für Nothfälle durch eine Anzahl von Zisternen
gesorgt, in denen man das Wasser aufbewahrt, welches die hier sehr heftigen
Regengüsse des Winters liefern.

Nicht fern im Süden von Melillah trifft man hart am Gestade der Bucht
den großen Salzsee Resifah, welcher bis zum Jahre 1755, wo Erdbeben den
Zugang verschlossen, einen vortrefflichen Hafen bildete. Ferner liegt in ge¬
ringer Entfernung von hier die Lagune von Puerto Nuevo, die als Saline


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/55>, abgerufen am 27.08.2024.