Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu Algerien gehörigen Stadt Tlemsen und etwa 50 Leguas*) südlich von
der spanischen Hafenstadt Almeria liegt. Das nächste Presidio nach Westen
hin ist Al Bucemas, ein Fort auf einer Felsenkuppe, die sich vor der Bai
Mczemmah. 36 Leguas südlich von dem Punkte der spanischen Küste erhebt,
aus dem die kleine Stadt Motril steht. Noch weiter westlich folgt das Pre¬
sidio Penom deVelez delaGomera, 28 Leguas südlich von Malaga und
ebenfalls auf einer Felseninsel. Endlich schließt die Reihe dieser Festungen
mit dem Gibraltar gegenüber gelegnen Ceuta.

Keine dieser Colonien umfaßt mehr Gebiet als die Kanonen ihrer Forts
bestreichen können. Ihr Zweck ist gegenwärtig in der Hauptsache, als Verban¬
nungsorte für spanische Verbrecher zu dienen. Ihr Charakter ist der von kleinen,
aber starken, fast uneinnehmbaren Felsenburgen. Bedeutenden politischen Ein¬
fluß vermögen sie bei den Machtverhältnissen Spaniens und seiner hiesigen
Nachbarn: Englands und Frankreichs, nicht auszuüben. Dennoch sind sie den
Marokkanern ein Dorn im Auge, wie die unaufhörlich wiederholten Angriffe
beweisen, die von denselben auf sie unternommen werden. Vielleicht ahnt
das Volk, daß diese Festungen einmal als Stützpunkt zu einer Eroberung die¬
nen könnten, die das von der Natur reich ausgestattete Küstenland Marokkos
gar wohl verlohnen würde. Die Gegend ist hier nichts weniger als wasser¬
arm. Sie hat im sehn einen bis nach Fez hin schiffbaren Strom und eine
große Anzahl kleiner Flüsse. Sie besitzt verschiedene gute Hafen. Das Klima
ist gesund, der Boden, wo er bebaut wird, im höchsten Grade fruchtbar.
Man säet in den ebnen Strichen Korn, Durrah, Reis, Mais und Hülsenfrüchte
liefert Oel, Baumwolle, Tabak, Krapp, Indigo, Scham, Wachs. Honig. Hanf.
Safran, Salz und Salpeter in den Handel und zieht Pferde, Rindvieh, Schafe
und Geflügel. Die Abhänge der Berge prangen in den mannigfaltigsten Laub-
schattiruugen. Man findet hier die Zeder, die Stein- und Korkeiche, die Car-
ruba, Wallnußbäume, Akazien und Oliven. Endlich ist bekannt, daß die
Ausläufer des Atlas, die sich durch diese Striche ziehen, Kupfer, Blei und
Eisen und selbst Gold und Silber in sich bergen. Sollte eines oder das andere
dieser Presidios einmal in die Hände der Mauren fallen, so würde es sich ohne
Zweifel sofort in eine Seeräuberburg verwandeln. Sollte dagegen Spaniens
Seemacht sich einmal wieder der Höhe nähern, die sie früher innehatte, oder
sollte, was leichter denkbar ist, England oder, was ebenso möglich, Frankreich sich
bei Gelegenheit dieser Festungen bemächtigen, so würden sie, hier in Verbin¬
dung mit Oran und Algier, dort im Verein mit Gibraltar, von sehr wesent¬
lichem Einfluß aus Handel und Schiffahrt des Mittelmeeres sein.

Wir betrachten nun die Presidios einzeln. Melillah (arabisch Ras Ed
Deir), wie bemerkt an der Bucht gelegen, in die sich der Muluwijeh ergießt, steht



") Eine Legua ist -- geographische Meile, so daß 20 auf den Grad gehen.

zu Algerien gehörigen Stadt Tlemsen und etwa 50 Leguas*) südlich von
der spanischen Hafenstadt Almeria liegt. Das nächste Presidio nach Westen
hin ist Al Bucemas, ein Fort auf einer Felsenkuppe, die sich vor der Bai
Mczemmah. 36 Leguas südlich von dem Punkte der spanischen Küste erhebt,
aus dem die kleine Stadt Motril steht. Noch weiter westlich folgt das Pre¬
sidio Penom deVelez delaGomera, 28 Leguas südlich von Malaga und
ebenfalls auf einer Felseninsel. Endlich schließt die Reihe dieser Festungen
mit dem Gibraltar gegenüber gelegnen Ceuta.

Keine dieser Colonien umfaßt mehr Gebiet als die Kanonen ihrer Forts
bestreichen können. Ihr Zweck ist gegenwärtig in der Hauptsache, als Verban¬
nungsorte für spanische Verbrecher zu dienen. Ihr Charakter ist der von kleinen,
aber starken, fast uneinnehmbaren Felsenburgen. Bedeutenden politischen Ein¬
fluß vermögen sie bei den Machtverhältnissen Spaniens und seiner hiesigen
Nachbarn: Englands und Frankreichs, nicht auszuüben. Dennoch sind sie den
Marokkanern ein Dorn im Auge, wie die unaufhörlich wiederholten Angriffe
beweisen, die von denselben auf sie unternommen werden. Vielleicht ahnt
das Volk, daß diese Festungen einmal als Stützpunkt zu einer Eroberung die¬
nen könnten, die das von der Natur reich ausgestattete Küstenland Marokkos
gar wohl verlohnen würde. Die Gegend ist hier nichts weniger als wasser¬
arm. Sie hat im sehn einen bis nach Fez hin schiffbaren Strom und eine
große Anzahl kleiner Flüsse. Sie besitzt verschiedene gute Hafen. Das Klima
ist gesund, der Boden, wo er bebaut wird, im höchsten Grade fruchtbar.
Man säet in den ebnen Strichen Korn, Durrah, Reis, Mais und Hülsenfrüchte
liefert Oel, Baumwolle, Tabak, Krapp, Indigo, Scham, Wachs. Honig. Hanf.
Safran, Salz und Salpeter in den Handel und zieht Pferde, Rindvieh, Schafe
und Geflügel. Die Abhänge der Berge prangen in den mannigfaltigsten Laub-
schattiruugen. Man findet hier die Zeder, die Stein- und Korkeiche, die Car-
ruba, Wallnußbäume, Akazien und Oliven. Endlich ist bekannt, daß die
Ausläufer des Atlas, die sich durch diese Striche ziehen, Kupfer, Blei und
Eisen und selbst Gold und Silber in sich bergen. Sollte eines oder das andere
dieser Presidios einmal in die Hände der Mauren fallen, so würde es sich ohne
Zweifel sofort in eine Seeräuberburg verwandeln. Sollte dagegen Spaniens
Seemacht sich einmal wieder der Höhe nähern, die sie früher innehatte, oder
sollte, was leichter denkbar ist, England oder, was ebenso möglich, Frankreich sich
bei Gelegenheit dieser Festungen bemächtigen, so würden sie, hier in Verbin¬
dung mit Oran und Algier, dort im Verein mit Gibraltar, von sehr wesent¬
lichem Einfluß aus Handel und Schiffahrt des Mittelmeeres sein.

Wir betrachten nun die Presidios einzeln. Melillah (arabisch Ras Ed
Deir), wie bemerkt an der Bucht gelegen, in die sich der Muluwijeh ergießt, steht



") Eine Legua ist — geographische Meile, so daß 20 auf den Grad gehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0054" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108184"/>
          <p xml:id="ID_182" prev="#ID_181"> zu Algerien gehörigen Stadt Tlemsen und etwa 50 Leguas*) südlich von<lb/>
der spanischen Hafenstadt Almeria liegt. Das nächste Presidio nach Westen<lb/>
hin ist Al Bucemas, ein Fort auf einer Felsenkuppe, die sich vor der Bai<lb/>
Mczemmah. 36 Leguas südlich von dem Punkte der spanischen Küste erhebt,<lb/>
aus dem die kleine Stadt Motril steht. Noch weiter westlich folgt das Pre¬<lb/>
sidio Penom deVelez delaGomera, 28 Leguas südlich von Malaga und<lb/>
ebenfalls auf einer Felseninsel. Endlich schließt die Reihe dieser Festungen<lb/>
mit dem Gibraltar gegenüber gelegnen Ceuta.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_183"> Keine dieser Colonien umfaßt mehr Gebiet als die Kanonen ihrer Forts<lb/>
bestreichen können. Ihr Zweck ist gegenwärtig in der Hauptsache, als Verban¬<lb/>
nungsorte für spanische Verbrecher zu dienen. Ihr Charakter ist der von kleinen,<lb/>
aber starken, fast uneinnehmbaren Felsenburgen. Bedeutenden politischen Ein¬<lb/>
fluß vermögen sie bei den Machtverhältnissen Spaniens und seiner hiesigen<lb/>
Nachbarn: Englands und Frankreichs, nicht auszuüben. Dennoch sind sie den<lb/>
Marokkanern ein Dorn im Auge, wie die unaufhörlich wiederholten Angriffe<lb/>
beweisen, die von denselben auf sie unternommen werden. Vielleicht ahnt<lb/>
das Volk, daß diese Festungen einmal als Stützpunkt zu einer Eroberung die¬<lb/>
nen könnten, die das von der Natur reich ausgestattete Küstenland Marokkos<lb/>
gar wohl verlohnen würde. Die Gegend ist hier nichts weniger als wasser¬<lb/>
arm. Sie hat im sehn einen bis nach Fez hin schiffbaren Strom und eine<lb/>
große Anzahl kleiner Flüsse. Sie besitzt verschiedene gute Hafen. Das Klima<lb/>
ist gesund, der Boden, wo er bebaut wird, im höchsten Grade fruchtbar.<lb/>
Man säet in den ebnen Strichen Korn, Durrah, Reis, Mais und Hülsenfrüchte<lb/>
liefert Oel, Baumwolle, Tabak, Krapp, Indigo, Scham, Wachs. Honig. Hanf.<lb/>
Safran, Salz und Salpeter in den Handel und zieht Pferde, Rindvieh, Schafe<lb/>
und Geflügel. Die Abhänge der Berge prangen in den mannigfaltigsten Laub-<lb/>
schattiruugen. Man findet hier die Zeder, die Stein- und Korkeiche, die Car-<lb/>
ruba, Wallnußbäume, Akazien und Oliven. Endlich ist bekannt, daß die<lb/>
Ausläufer des Atlas, die sich durch diese Striche ziehen, Kupfer, Blei und<lb/>
Eisen und selbst Gold und Silber in sich bergen. Sollte eines oder das andere<lb/>
dieser Presidios einmal in die Hände der Mauren fallen, so würde es sich ohne<lb/>
Zweifel sofort in eine Seeräuberburg verwandeln. Sollte dagegen Spaniens<lb/>
Seemacht sich einmal wieder der Höhe nähern, die sie früher innehatte, oder<lb/>
sollte, was leichter denkbar ist, England oder, was ebenso möglich, Frankreich sich<lb/>
bei Gelegenheit dieser Festungen bemächtigen, so würden sie, hier in Verbin¬<lb/>
dung mit Oran und Algier, dort im Verein mit Gibraltar, von sehr wesent¬<lb/>
lichem Einfluß aus Handel und Schiffahrt des Mittelmeeres sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_184" next="#ID_185"> Wir betrachten nun die Presidios einzeln. Melillah (arabisch Ras Ed<lb/>
Deir), wie bemerkt an der Bucht gelegen, in die sich der Muluwijeh ergießt, steht</p><lb/>
          <note xml:id="FID_7" place="foot"> ") Eine Legua ist &#x2014;   geographische Meile, so daß 20 auf den Grad gehen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0054] zu Algerien gehörigen Stadt Tlemsen und etwa 50 Leguas*) südlich von der spanischen Hafenstadt Almeria liegt. Das nächste Presidio nach Westen hin ist Al Bucemas, ein Fort auf einer Felsenkuppe, die sich vor der Bai Mczemmah. 36 Leguas südlich von dem Punkte der spanischen Küste erhebt, aus dem die kleine Stadt Motril steht. Noch weiter westlich folgt das Pre¬ sidio Penom deVelez delaGomera, 28 Leguas südlich von Malaga und ebenfalls auf einer Felseninsel. Endlich schließt die Reihe dieser Festungen mit dem Gibraltar gegenüber gelegnen Ceuta. Keine dieser Colonien umfaßt mehr Gebiet als die Kanonen ihrer Forts bestreichen können. Ihr Zweck ist gegenwärtig in der Hauptsache, als Verban¬ nungsorte für spanische Verbrecher zu dienen. Ihr Charakter ist der von kleinen, aber starken, fast uneinnehmbaren Felsenburgen. Bedeutenden politischen Ein¬ fluß vermögen sie bei den Machtverhältnissen Spaniens und seiner hiesigen Nachbarn: Englands und Frankreichs, nicht auszuüben. Dennoch sind sie den Marokkanern ein Dorn im Auge, wie die unaufhörlich wiederholten Angriffe beweisen, die von denselben auf sie unternommen werden. Vielleicht ahnt das Volk, daß diese Festungen einmal als Stützpunkt zu einer Eroberung die¬ nen könnten, die das von der Natur reich ausgestattete Küstenland Marokkos gar wohl verlohnen würde. Die Gegend ist hier nichts weniger als wasser¬ arm. Sie hat im sehn einen bis nach Fez hin schiffbaren Strom und eine große Anzahl kleiner Flüsse. Sie besitzt verschiedene gute Hafen. Das Klima ist gesund, der Boden, wo er bebaut wird, im höchsten Grade fruchtbar. Man säet in den ebnen Strichen Korn, Durrah, Reis, Mais und Hülsenfrüchte liefert Oel, Baumwolle, Tabak, Krapp, Indigo, Scham, Wachs. Honig. Hanf. Safran, Salz und Salpeter in den Handel und zieht Pferde, Rindvieh, Schafe und Geflügel. Die Abhänge der Berge prangen in den mannigfaltigsten Laub- schattiruugen. Man findet hier die Zeder, die Stein- und Korkeiche, die Car- ruba, Wallnußbäume, Akazien und Oliven. Endlich ist bekannt, daß die Ausläufer des Atlas, die sich durch diese Striche ziehen, Kupfer, Blei und Eisen und selbst Gold und Silber in sich bergen. Sollte eines oder das andere dieser Presidios einmal in die Hände der Mauren fallen, so würde es sich ohne Zweifel sofort in eine Seeräuberburg verwandeln. Sollte dagegen Spaniens Seemacht sich einmal wieder der Höhe nähern, die sie früher innehatte, oder sollte, was leichter denkbar ist, England oder, was ebenso möglich, Frankreich sich bei Gelegenheit dieser Festungen bemächtigen, so würden sie, hier in Verbin¬ dung mit Oran und Algier, dort im Verein mit Gibraltar, von sehr wesent¬ lichem Einfluß aus Handel und Schiffahrt des Mittelmeeres sein. Wir betrachten nun die Presidios einzeln. Melillah (arabisch Ras Ed Deir), wie bemerkt an der Bucht gelegen, in die sich der Muluwijeh ergießt, steht ") Eine Legua ist — geographische Meile, so daß 20 auf den Grad gehen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/54
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/54>, abgerufen am 27.08.2024.