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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Die spanischen Presidios in Marokko.

Wenn es aus der Landkarte eine Anzahl dunkler Punkte gibt, von denen
man, falls sie von den Zeitungen erwähnt werden, in der Regel nicht viel
mehr weiß, als daß sie da oder dort liegen, so sind diejenigen von ihnen,
welche uns in Europa oder hart dabei ausstoßen, keineswegs immer die am
wenigsten dunkeln. Es wäre möglich, daß mancher von den Forts an den
Pehomündungen genauere Vorstellungen hätte, als von der Republik San
Marino, und es könnte geschehen, daß die Leser, wenn zu gleicher Zeit ein
neuer Moskitokönig gewählt und das Fürstenthum Monaco verkauft würde,
sich über das Reich des erstem unterrichtet funden, während ihnen in Betreff
des letztem das Herz schlüge, salls ein wißbegieriger Sohn oder jüngerer
Bruder sich Auskunft darüber erbäte.

Ein solcher dunkler Punkt sind nun auch die spanischen Colonien in Nord¬
afrika, ja sie sind wol in unserm geographischen Wissen der dunkelste am
ganzen weiten Mittelmeer. Gleichwol machten einzelne von ihnen in den
letzten Jahren wiederholt von sich reden: wir lasen vor zwei Jahren von
dem Unglück der preußischen Kriegsmarine in der Bucht von Melillah, die
spanische Post brachte in diesem Frühling mehrmals Berichte von der Be¬
lagerung dieser Festung durch die Mauren des Rif, sie erzählte in den letzt-
verwichenen Wochen von heftigen Kämpfen vor Ceuta, sie meldete erst in
diesen Tagen, daß die Königin Jsabella sich anschickt, der braunen Majestät
von Marokko wegen unverbesserlicher Piratengelüste der Bewohner jener Pro¬
vinz den Krieg zu erklären.*) Vermuthlich werden, falls dies sich bestätigt,
jene Kolonien die Operationsbasis bilden, vielleicht benutzt Spanien selbst die
Gelegenheit, sich hier mehr auszubreiten, und so möchte es nicht unzeitgemäß
sein, wenn wir über diesem obscurer Winkel die Sonne aufgehen ließen.

So sei denn zunächst bemerkt, daß diese Colonien oder Presidios
(Wasserplätze) vier an der Zahl sind. Die östlichste ist das zwischen dem Aus¬
fluß des Muluwijeh und dem Kap Tres Forcas -- arabisch Ras Ed Deir.
d. i. Klosterkap -- gelegne Melillah. welches nur wenige Stunden von der



') In Algesiras wird bereits für diesen Zweck ein Heer gesammelt, und nur Rücksichten
auf England scheinen den Krieg noch zu verzögern.
Grenzboten IV. 18S9. 6
Die spanischen Presidios in Marokko.

Wenn es aus der Landkarte eine Anzahl dunkler Punkte gibt, von denen
man, falls sie von den Zeitungen erwähnt werden, in der Regel nicht viel
mehr weiß, als daß sie da oder dort liegen, so sind diejenigen von ihnen,
welche uns in Europa oder hart dabei ausstoßen, keineswegs immer die am
wenigsten dunkeln. Es wäre möglich, daß mancher von den Forts an den
Pehomündungen genauere Vorstellungen hätte, als von der Republik San
Marino, und es könnte geschehen, daß die Leser, wenn zu gleicher Zeit ein
neuer Moskitokönig gewählt und das Fürstenthum Monaco verkauft würde,
sich über das Reich des erstem unterrichtet funden, während ihnen in Betreff
des letztem das Herz schlüge, salls ein wißbegieriger Sohn oder jüngerer
Bruder sich Auskunft darüber erbäte.

Ein solcher dunkler Punkt sind nun auch die spanischen Colonien in Nord¬
afrika, ja sie sind wol in unserm geographischen Wissen der dunkelste am
ganzen weiten Mittelmeer. Gleichwol machten einzelne von ihnen in den
letzten Jahren wiederholt von sich reden: wir lasen vor zwei Jahren von
dem Unglück der preußischen Kriegsmarine in der Bucht von Melillah, die
spanische Post brachte in diesem Frühling mehrmals Berichte von der Be¬
lagerung dieser Festung durch die Mauren des Rif, sie erzählte in den letzt-
verwichenen Wochen von heftigen Kämpfen vor Ceuta, sie meldete erst in
diesen Tagen, daß die Königin Jsabella sich anschickt, der braunen Majestät
von Marokko wegen unverbesserlicher Piratengelüste der Bewohner jener Pro¬
vinz den Krieg zu erklären.*) Vermuthlich werden, falls dies sich bestätigt,
jene Kolonien die Operationsbasis bilden, vielleicht benutzt Spanien selbst die
Gelegenheit, sich hier mehr auszubreiten, und so möchte es nicht unzeitgemäß
sein, wenn wir über diesem obscurer Winkel die Sonne aufgehen ließen.

So sei denn zunächst bemerkt, daß diese Colonien oder Presidios
(Wasserplätze) vier an der Zahl sind. Die östlichste ist das zwischen dem Aus¬
fluß des Muluwijeh und dem Kap Tres Forcas — arabisch Ras Ed Deir.
d. i. Klosterkap — gelegne Melillah. welches nur wenige Stunden von der



') In Algesiras wird bereits für diesen Zweck ein Heer gesammelt, und nur Rücksichten
auf England scheinen den Krieg noch zu verzögern.
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[0053] Die spanischen Presidios in Marokko. Wenn es aus der Landkarte eine Anzahl dunkler Punkte gibt, von denen man, falls sie von den Zeitungen erwähnt werden, in der Regel nicht viel mehr weiß, als daß sie da oder dort liegen, so sind diejenigen von ihnen, welche uns in Europa oder hart dabei ausstoßen, keineswegs immer die am wenigsten dunkeln. Es wäre möglich, daß mancher von den Forts an den Pehomündungen genauere Vorstellungen hätte, als von der Republik San Marino, und es könnte geschehen, daß die Leser, wenn zu gleicher Zeit ein neuer Moskitokönig gewählt und das Fürstenthum Monaco verkauft würde, sich über das Reich des erstem unterrichtet funden, während ihnen in Betreff des letztem das Herz schlüge, salls ein wißbegieriger Sohn oder jüngerer Bruder sich Auskunft darüber erbäte. Ein solcher dunkler Punkt sind nun auch die spanischen Colonien in Nord¬ afrika, ja sie sind wol in unserm geographischen Wissen der dunkelste am ganzen weiten Mittelmeer. Gleichwol machten einzelne von ihnen in den letzten Jahren wiederholt von sich reden: wir lasen vor zwei Jahren von dem Unglück der preußischen Kriegsmarine in der Bucht von Melillah, die spanische Post brachte in diesem Frühling mehrmals Berichte von der Be¬ lagerung dieser Festung durch die Mauren des Rif, sie erzählte in den letzt- verwichenen Wochen von heftigen Kämpfen vor Ceuta, sie meldete erst in diesen Tagen, daß die Königin Jsabella sich anschickt, der braunen Majestät von Marokko wegen unverbesserlicher Piratengelüste der Bewohner jener Pro¬ vinz den Krieg zu erklären.*) Vermuthlich werden, falls dies sich bestätigt, jene Kolonien die Operationsbasis bilden, vielleicht benutzt Spanien selbst die Gelegenheit, sich hier mehr auszubreiten, und so möchte es nicht unzeitgemäß sein, wenn wir über diesem obscurer Winkel die Sonne aufgehen ließen. So sei denn zunächst bemerkt, daß diese Colonien oder Presidios (Wasserplätze) vier an der Zahl sind. Die östlichste ist das zwischen dem Aus¬ fluß des Muluwijeh und dem Kap Tres Forcas — arabisch Ras Ed Deir. d. i. Klosterkap — gelegne Melillah. welches nur wenige Stunden von der ') In Algesiras wird bereits für diesen Zweck ein Heer gesammelt, und nur Rücksichten auf England scheinen den Krieg noch zu verzögern. Grenzboten IV. 18S9. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/53>, abgerufen am 27.08.2024.