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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Haltung des Friedens. Auf eigne Rechnung den ganzen Krieg zu übernehmen,
gestatten unsre Geldverhältnisse nicht. Nur müssen die Mauren einsehen ter>
man, daß man uns nicht ungeahndet beleidigen darf und daß wir die Macht
haben, ihr Gebiet mit Krieg heimzusuchen. Von diesem Augenblick an be¬
deuten auch wir etwas in der afrikanischen Politik, legen auch wir wieder
ein Gewicht in ihre Wagschale. Europa aber macht sich allmälig mit dein
Gedanken vertraut, daß wir früher oder später unsre alte Herrschaft in den
Babareskenstaaten des nördlichen Afrika wieder herstellen werden. Alsdann
können wir auf die uns höhnende Redensart: Afrika erstrecke sich wieder bis
zu den Pyrenäen, stolz erwidern: Spanien reicht bis zum Atlas."

Aehnliches liest man auch jetzt in den spanischen Blättern, und es lei¬
det keinen Zweifel, daß Spanien jetzt mehr wagen kann, als damals. Das
Land ist beruhigt, die Bürgerkriege haben aufgehört, die Finanzverhältnisse
sich wesentlich gebessert und statt Ludwig Philipps nimmt den französischen
Thron ein kriegerischer Herrscher ein, von dem man wohl nicht mit Unrecht
glaubt, daß er die Haupttriebfeder des Unternehmens der Spanier gegen ih¬
ren maurischen Nachbar war. England endlich, dem an einer Verstärkung
der spanischen Stellung an der Meerenge von Gibraltar nichts gelegen sein
kann, hat nicht mehr die volle Macht, wie damals, seinem Einspruch gegen
etwaige Eroberungsgedanken des madrider Kabinets Nachdruck zu geben.
England wird dem Kriege ruhig zusehen, es wird eine zeitweilige Besetzung
von Tetuan und selbst von Tanger gestatten. Es hat sich einverstanden er¬
klärt mit der Forderung Spaniens nach einer Gebietsvergrößerung in der
Nähe Ceutas, obwol ihm die darin gestattete Vergrößerung der Wichtigkeit
dieser Festung keineswegs angenehm sein kann. Mehr zu erobern aber wird
es den Spaniern nicht erlauben, und da das gute Einvernehmen zwischen
England und Frankreich sich erhalten zu wollen scheint, so werden sich auch
die spanischen Minister begnügen müssen, wenn ihre Armee jenes Stück Land
bei Ceuta erobert. Ob dies die großen Rüstungen verlohnt, ist eine andere
Frage, die kaum zu bejahen sein wird, und für den Ruhm, der bei dem
Kampfe erworben werden kann, vermag sich gewiß jeder Soldat zu begeistern,
sicher aber kein spanischer Finanzminister. Auch O'Donnell scheint nach den
neuesten Berichten zweifelhaft geworden zu sein. Möglich, daß er eingesehen
hat. wie es klüger gewesen wäre, seine Forderungen an Marokko nicht zu
steigern und sich mit dem zu begnügen, was der Sultan zugestehen wollte.
Vielleicht auch, daß ihm klar geworden ist. wie er vom Kaiser der Franzosen
bei dieser Angelegenheit benutzt wurde, den Engländern zu zeigen, daß man
ihnen auch in diesen Gegenden schaden könne, daß man sich auch hier em
Terrain bereit halte, ihre Interessen zu beeinträchtigen, falls sich die Ein¬
tracht zwischen den beiden westlichen Großmächten einmal in Zwietracht


Haltung des Friedens. Auf eigne Rechnung den ganzen Krieg zu übernehmen,
gestatten unsre Geldverhältnisse nicht. Nur müssen die Mauren einsehen ter>
man, daß man uns nicht ungeahndet beleidigen darf und daß wir die Macht
haben, ihr Gebiet mit Krieg heimzusuchen. Von diesem Augenblick an be¬
deuten auch wir etwas in der afrikanischen Politik, legen auch wir wieder
ein Gewicht in ihre Wagschale. Europa aber macht sich allmälig mit dein
Gedanken vertraut, daß wir früher oder später unsre alte Herrschaft in den
Babareskenstaaten des nördlichen Afrika wieder herstellen werden. Alsdann
können wir auf die uns höhnende Redensart: Afrika erstrecke sich wieder bis
zu den Pyrenäen, stolz erwidern: Spanien reicht bis zum Atlas."

Aehnliches liest man auch jetzt in den spanischen Blättern, und es lei¬
det keinen Zweifel, daß Spanien jetzt mehr wagen kann, als damals. Das
Land ist beruhigt, die Bürgerkriege haben aufgehört, die Finanzverhältnisse
sich wesentlich gebessert und statt Ludwig Philipps nimmt den französischen
Thron ein kriegerischer Herrscher ein, von dem man wohl nicht mit Unrecht
glaubt, daß er die Haupttriebfeder des Unternehmens der Spanier gegen ih¬
ren maurischen Nachbar war. England endlich, dem an einer Verstärkung
der spanischen Stellung an der Meerenge von Gibraltar nichts gelegen sein
kann, hat nicht mehr die volle Macht, wie damals, seinem Einspruch gegen
etwaige Eroberungsgedanken des madrider Kabinets Nachdruck zu geben.
England wird dem Kriege ruhig zusehen, es wird eine zeitweilige Besetzung
von Tetuan und selbst von Tanger gestatten. Es hat sich einverstanden er¬
klärt mit der Forderung Spaniens nach einer Gebietsvergrößerung in der
Nähe Ceutas, obwol ihm die darin gestattete Vergrößerung der Wichtigkeit
dieser Festung keineswegs angenehm sein kann. Mehr zu erobern aber wird
es den Spaniern nicht erlauben, und da das gute Einvernehmen zwischen
England und Frankreich sich erhalten zu wollen scheint, so werden sich auch
die spanischen Minister begnügen müssen, wenn ihre Armee jenes Stück Land
bei Ceuta erobert. Ob dies die großen Rüstungen verlohnt, ist eine andere
Frage, die kaum zu bejahen sein wird, und für den Ruhm, der bei dem
Kampfe erworben werden kann, vermag sich gewiß jeder Soldat zu begeistern,
sicher aber kein spanischer Finanzminister. Auch O'Donnell scheint nach den
neuesten Berichten zweifelhaft geworden zu sein. Möglich, daß er eingesehen
hat. wie es klüger gewesen wäre, seine Forderungen an Marokko nicht zu
steigern und sich mit dem zu begnügen, was der Sultan zugestehen wollte.
Vielleicht auch, daß ihm klar geworden ist. wie er vom Kaiser der Franzosen
bei dieser Angelegenheit benutzt wurde, den Engländern zu zeigen, daß man
ihnen auch in diesen Gegenden schaden könne, daß man sich auch hier em
Terrain bereit halte, ihre Interessen zu beeinträchtigen, falls sich die Ein¬
tracht zwischen den beiden westlichen Großmächten einmal in Zwietracht


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[0524] Haltung des Friedens. Auf eigne Rechnung den ganzen Krieg zu übernehmen, gestatten unsre Geldverhältnisse nicht. Nur müssen die Mauren einsehen ter> man, daß man uns nicht ungeahndet beleidigen darf und daß wir die Macht haben, ihr Gebiet mit Krieg heimzusuchen. Von diesem Augenblick an be¬ deuten auch wir etwas in der afrikanischen Politik, legen auch wir wieder ein Gewicht in ihre Wagschale. Europa aber macht sich allmälig mit dein Gedanken vertraut, daß wir früher oder später unsre alte Herrschaft in den Babareskenstaaten des nördlichen Afrika wieder herstellen werden. Alsdann können wir auf die uns höhnende Redensart: Afrika erstrecke sich wieder bis zu den Pyrenäen, stolz erwidern: Spanien reicht bis zum Atlas." Aehnliches liest man auch jetzt in den spanischen Blättern, und es lei¬ det keinen Zweifel, daß Spanien jetzt mehr wagen kann, als damals. Das Land ist beruhigt, die Bürgerkriege haben aufgehört, die Finanzverhältnisse sich wesentlich gebessert und statt Ludwig Philipps nimmt den französischen Thron ein kriegerischer Herrscher ein, von dem man wohl nicht mit Unrecht glaubt, daß er die Haupttriebfeder des Unternehmens der Spanier gegen ih¬ ren maurischen Nachbar war. England endlich, dem an einer Verstärkung der spanischen Stellung an der Meerenge von Gibraltar nichts gelegen sein kann, hat nicht mehr die volle Macht, wie damals, seinem Einspruch gegen etwaige Eroberungsgedanken des madrider Kabinets Nachdruck zu geben. England wird dem Kriege ruhig zusehen, es wird eine zeitweilige Besetzung von Tetuan und selbst von Tanger gestatten. Es hat sich einverstanden er¬ klärt mit der Forderung Spaniens nach einer Gebietsvergrößerung in der Nähe Ceutas, obwol ihm die darin gestattete Vergrößerung der Wichtigkeit dieser Festung keineswegs angenehm sein kann. Mehr zu erobern aber wird es den Spaniern nicht erlauben, und da das gute Einvernehmen zwischen England und Frankreich sich erhalten zu wollen scheint, so werden sich auch die spanischen Minister begnügen müssen, wenn ihre Armee jenes Stück Land bei Ceuta erobert. Ob dies die großen Rüstungen verlohnt, ist eine andere Frage, die kaum zu bejahen sein wird, und für den Ruhm, der bei dem Kampfe erworben werden kann, vermag sich gewiß jeder Soldat zu begeistern, sicher aber kein spanischer Finanzminister. Auch O'Donnell scheint nach den neuesten Berichten zweifelhaft geworden zu sein. Möglich, daß er eingesehen hat. wie es klüger gewesen wäre, seine Forderungen an Marokko nicht zu steigern und sich mit dem zu begnügen, was der Sultan zugestehen wollte. Vielleicht auch, daß ihm klar geworden ist. wie er vom Kaiser der Franzosen bei dieser Angelegenheit benutzt wurde, den Engländern zu zeigen, daß man ihnen auch in diesen Gegenden schaden könne, daß man sich auch hier em Terrain bereit halte, ihre Interessen zu beeinträchtigen, falls sich die Ein¬ tracht zwischen den beiden westlichen Großmächten einmal in Zwietracht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/524>, abgerufen am 02.10.2024.