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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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gibt ihm ein mehr europäisches Aussehen. Der Handel mit den südlichen
und östlichen Gegenden des Reiches ist bedeutend, es gehen von hier Kara-
vanen selbst bis nach Timbuktu hinab. Endlich ist Feß auch der Hauptsitz
der marokkanischen, allerdings nicht sehr wichtigen Industrie. Die dritte Haupt¬
stadt ist Mequinez. arabisch Meknäs. Dieselbe liegt 4'/- deusche Meilen
südwestlich von Feß und war die Lieblingsresidenz des vorigen Sultans. Die
Lage der Stadt auf einer Hochfläche inmitten lachender Gefilde und prächtiger
Baumgärten ist höchst anmuthig. Sie hat eine dreifache Mauer und zwei
Gräben, enthält einen sehr großen Palast und hatte früher an 60,ovo, in den
letzten Jahren aber nur noch 25,000 Einwohner.

Außerdem sind von Städten des Innern noch zu erwähnen: Teza mit
11,000 Einwohnern eine hübsche Stadt, welche 12 Meilen nordöstlich von
Feß liegt und der Versammlungsort der Mettakarcivcmen ist, Alkasser oder
Alkaßra, ein finstrer schmutziger Ort am obern El Kos, in deren Nähe 1578
König Sebastian von Portugal Schlacht und Leben verlor, endlich Tafilet,
eine Gruppe von Schanzen und Dörfern auf beiden Ufern des Zizflusses süd¬
östlich von Maraksch, welche 10,000 Einwohner haben sollen und einen leb¬
haften Karavanenhandcl mit dem Innern Afrikas treiben.

Der Krieg Frankreichs mit Marokko im Jahre 1844 ist unsern Lesern
jedenfalls noch erinnerlich. Er war von kurzer Dauer. Die französische Flotte
bombardiren zunächst Tanger, dann Mogador und schoß binnen wenigen Stun¬
den die Forts und Schcmzwcrke dieser Küstenorte in Trümmer. Marschall Bu-
geaud schlug in der Schlacht am Jsly das von einem Sohne des Sultans
geführte marokkanische Heer so entscheidend, daß es sich auflöste. 1849 kam es
zu neuen Mißhelligkeiten mit Frankreich, die indeß, als eine französische Fregatte
vor Tanger erschien, beigelegt wurden, indem der Sultan Genugthuung ver¬
sprach. 1851 folgte ein neues Zerwürfniß. indem der Sultan die von Frank¬
reich geforderte Genugthuung wegen Plünderung eines marseiller Schiffs durch
marokkanische Korsaren verweigerte. Der Admiral Dubourdieu erschien darauf
mit einem Geschwader vor Sales und beschoß die Stadt aufs heftigste, wo¬
rauf er nach Tanger segelte, um auch diesen Ort zu bombardiren, was indeß
abgewendet wurde, da die Marokkaner jetzt nachgaben. Seitdem war Friede
zwischen beiden Mächten, und der diesjährige Feldzug der Franzosen auf ma¬
rokkanischen Geb,et galt bekanntlich nicht dem Sultan, sondern den Näuber-
stämmen der Beni Suassen und Angadcs, welche auf eigne Faust die Grenz-
districte Algiers überfallen hatten.

Der Tribut, welchen die kleinern Seemächte an Marokko früher zahlten,
um sich Sicherheit gegen die Piraten des Landes zu erkaufen, hat jetzt auf¬
gehört. 1820 verweigerte Oestreich die 25.000 Thaler, die es bis dahin ent¬
richtet, serner zu zahlen, und als darauf der Sultan ein venetianisches Schift


gibt ihm ein mehr europäisches Aussehen. Der Handel mit den südlichen
und östlichen Gegenden des Reiches ist bedeutend, es gehen von hier Kara-
vanen selbst bis nach Timbuktu hinab. Endlich ist Feß auch der Hauptsitz
der marokkanischen, allerdings nicht sehr wichtigen Industrie. Die dritte Haupt¬
stadt ist Mequinez. arabisch Meknäs. Dieselbe liegt 4'/- deusche Meilen
südwestlich von Feß und war die Lieblingsresidenz des vorigen Sultans. Die
Lage der Stadt auf einer Hochfläche inmitten lachender Gefilde und prächtiger
Baumgärten ist höchst anmuthig. Sie hat eine dreifache Mauer und zwei
Gräben, enthält einen sehr großen Palast und hatte früher an 60,ovo, in den
letzten Jahren aber nur noch 25,000 Einwohner.

Außerdem sind von Städten des Innern noch zu erwähnen: Teza mit
11,000 Einwohnern eine hübsche Stadt, welche 12 Meilen nordöstlich von
Feß liegt und der Versammlungsort der Mettakarcivcmen ist, Alkasser oder
Alkaßra, ein finstrer schmutziger Ort am obern El Kos, in deren Nähe 1578
König Sebastian von Portugal Schlacht und Leben verlor, endlich Tafilet,
eine Gruppe von Schanzen und Dörfern auf beiden Ufern des Zizflusses süd¬
östlich von Maraksch, welche 10,000 Einwohner haben sollen und einen leb¬
haften Karavanenhandcl mit dem Innern Afrikas treiben.

Der Krieg Frankreichs mit Marokko im Jahre 1844 ist unsern Lesern
jedenfalls noch erinnerlich. Er war von kurzer Dauer. Die französische Flotte
bombardiren zunächst Tanger, dann Mogador und schoß binnen wenigen Stun¬
den die Forts und Schcmzwcrke dieser Küstenorte in Trümmer. Marschall Bu-
geaud schlug in der Schlacht am Jsly das von einem Sohne des Sultans
geführte marokkanische Heer so entscheidend, daß es sich auflöste. 1849 kam es
zu neuen Mißhelligkeiten mit Frankreich, die indeß, als eine französische Fregatte
vor Tanger erschien, beigelegt wurden, indem der Sultan Genugthuung ver¬
sprach. 1851 folgte ein neues Zerwürfniß. indem der Sultan die von Frank¬
reich geforderte Genugthuung wegen Plünderung eines marseiller Schiffs durch
marokkanische Korsaren verweigerte. Der Admiral Dubourdieu erschien darauf
mit einem Geschwader vor Sales und beschoß die Stadt aufs heftigste, wo¬
rauf er nach Tanger segelte, um auch diesen Ort zu bombardiren, was indeß
abgewendet wurde, da die Marokkaner jetzt nachgaben. Seitdem war Friede
zwischen beiden Mächten, und der diesjährige Feldzug der Franzosen auf ma¬
rokkanischen Geb,et galt bekanntlich nicht dem Sultan, sondern den Näuber-
stämmen der Beni Suassen und Angadcs, welche auf eigne Faust die Grenz-
districte Algiers überfallen hatten.

Der Tribut, welchen die kleinern Seemächte an Marokko früher zahlten,
um sich Sicherheit gegen die Piraten des Landes zu erkaufen, hat jetzt auf¬
gehört. 1820 verweigerte Oestreich die 25.000 Thaler, die es bis dahin ent¬
richtet, serner zu zahlen, und als darauf der Sultan ein venetianisches Schift


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/522>, abgerufen am 02.10.2024.