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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Der Hafen Mogadors wird jährlich von etwa 50 europäischen Kauffahrtei¬
schiffen besucht, die durchschnittlich 150 Tonnen messen. Die Ausfuhr besteht
vorzüglich in Gummi. Mandeln, Häuten und Wolle. Eingeführt werden eng¬
lische und französische Manufacturwaaren, etwas Eisen, weißer Hutzucker und
Dielen. England betheiligt sich an diesem Handel mit ungefähr der Ein-
und Ausfuhr.

Von den Städten im Innern ist zunächst Marokko oder Maraksch zu
nennen, die erste Residenz der Sultane. Es liegt auf einer weiten Hochebne
zwischen dem Atlas und dem Flusse Tensift. 1052, vielleicht an der Stelle
des alten Bonarum Hemcrum. gegründet, soll es im zwölften Jahrhundert an
hunderttausend Häuser und mehr als eine halbe Million Einwohner gezählt
haben. Jetzt liegen ganze Quartiere der Stadt in Ruinen, und die Zahl der
Einwohner beträgt kaum mehr als 40,000. Die Stadt ist mit 30 Fuß hohen
Mauern umgeben, welche zwei deutsche Meilen im Umfang haben und von
Zahlreichen Thürmen flankirt sind. Die Moscheen, von denen die Dschama
ElKolubijeh mit ihrem 220 Fuß hohen Thurme die größte ist, sind zum Theil
sehr schön, aber meist ebenfalls halbe Ruinen. Der Palast des Sultans, eine
Gruppe prächtiger Gebäude, welche von großen Gärten umgeben und mit
einer Mauer von IV- Stunden Umfang eingefaßt sind, liegt außerhalb der
Stadt. Letztere treibt noch immer nicht unbeträchtlichen Handel und hat große
Gerbereien. Auch werden hier schöne Seidenstoffe gemacht. Feß oder Faß
ist die größte Stadt des Sultanats und die zweite Residenz. Von Edris dem
Zweiten 808 gegründet, galt es im Mittelalter für die größte und reichste
Stadt der ganzen mohammedanischen Welt. Es zählte damals 90,000 Häuser
und mehr als 700 Moscheen und war berühmt wegen seiner Prachtgebäude
und seiner wissenschaftlichen Anstalten. Durch die Verlegung des Herrscher¬
sitzes von hier nach Maraksch um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts
büßte es seinen Vorrang ein und infolge des allgemeinen Verbindens der mo¬
hammedanischen Civilisation ist es jetzt nur noch ein Schatten seiner einstigen
Herrlichkeit. Indeß ist die Stadt noch immer bedeutend. In einer von hohen
Bergen umschlossenen Thalebene, zwischen anmuthigen Vlumeu- und Gemüse¬
gärten, Orangen-, Palmen- und Granatenhainen gelegen, von dem Wad El
Dschaher in eine Alt- und eine Neustadt getheilt, zählt sie noch über 60,000
Einwohner und gegen hundert Moscheen, von denen die des Sultan Edris
welche die Marokkaner als unverletzliche Freistatt betrachten, die berühmteste
'se. Auch hat Feß noch 7 stark besuchte Gelehrtenschulen, die sich in der Welt
des Islam nach denen von Kairo des größten Rufs erfreuen. Der alte Palast
der Sultaue ist sehr ausgedehnt, aber verfallen. Sonst gleicht Feh mit seinen
Khanem und Bazaren und seinen vielen Bädern den arabischen und ägyptischen
Großstädten, und nur die große Menge von Wirthshäusern und Kaufläden


Der Hafen Mogadors wird jährlich von etwa 50 europäischen Kauffahrtei¬
schiffen besucht, die durchschnittlich 150 Tonnen messen. Die Ausfuhr besteht
vorzüglich in Gummi. Mandeln, Häuten und Wolle. Eingeführt werden eng¬
lische und französische Manufacturwaaren, etwas Eisen, weißer Hutzucker und
Dielen. England betheiligt sich an diesem Handel mit ungefähr der Ein-
und Ausfuhr.

Von den Städten im Innern ist zunächst Marokko oder Maraksch zu
nennen, die erste Residenz der Sultane. Es liegt auf einer weiten Hochebne
zwischen dem Atlas und dem Flusse Tensift. 1052, vielleicht an der Stelle
des alten Bonarum Hemcrum. gegründet, soll es im zwölften Jahrhundert an
hunderttausend Häuser und mehr als eine halbe Million Einwohner gezählt
haben. Jetzt liegen ganze Quartiere der Stadt in Ruinen, und die Zahl der
Einwohner beträgt kaum mehr als 40,000. Die Stadt ist mit 30 Fuß hohen
Mauern umgeben, welche zwei deutsche Meilen im Umfang haben und von
Zahlreichen Thürmen flankirt sind. Die Moscheen, von denen die Dschama
ElKolubijeh mit ihrem 220 Fuß hohen Thurme die größte ist, sind zum Theil
sehr schön, aber meist ebenfalls halbe Ruinen. Der Palast des Sultans, eine
Gruppe prächtiger Gebäude, welche von großen Gärten umgeben und mit
einer Mauer von IV- Stunden Umfang eingefaßt sind, liegt außerhalb der
Stadt. Letztere treibt noch immer nicht unbeträchtlichen Handel und hat große
Gerbereien. Auch werden hier schöne Seidenstoffe gemacht. Feß oder Faß
ist die größte Stadt des Sultanats und die zweite Residenz. Von Edris dem
Zweiten 808 gegründet, galt es im Mittelalter für die größte und reichste
Stadt der ganzen mohammedanischen Welt. Es zählte damals 90,000 Häuser
und mehr als 700 Moscheen und war berühmt wegen seiner Prachtgebäude
und seiner wissenschaftlichen Anstalten. Durch die Verlegung des Herrscher¬
sitzes von hier nach Maraksch um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts
büßte es seinen Vorrang ein und infolge des allgemeinen Verbindens der mo¬
hammedanischen Civilisation ist es jetzt nur noch ein Schatten seiner einstigen
Herrlichkeit. Indeß ist die Stadt noch immer bedeutend. In einer von hohen
Bergen umschlossenen Thalebene, zwischen anmuthigen Vlumeu- und Gemüse¬
gärten, Orangen-, Palmen- und Granatenhainen gelegen, von dem Wad El
Dschaher in eine Alt- und eine Neustadt getheilt, zählt sie noch über 60,000
Einwohner und gegen hundert Moscheen, von denen die des Sultan Edris
welche die Marokkaner als unverletzliche Freistatt betrachten, die berühmteste
'se. Auch hat Feß noch 7 stark besuchte Gelehrtenschulen, die sich in der Welt
des Islam nach denen von Kairo des größten Rufs erfreuen. Der alte Palast
der Sultaue ist sehr ausgedehnt, aber verfallen. Sonst gleicht Feh mit seinen
Khanem und Bazaren und seinen vielen Bädern den arabischen und ägyptischen
Großstädten, und nur die große Menge von Wirthshäusern und Kaufläden


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[0521] Der Hafen Mogadors wird jährlich von etwa 50 europäischen Kauffahrtei¬ schiffen besucht, die durchschnittlich 150 Tonnen messen. Die Ausfuhr besteht vorzüglich in Gummi. Mandeln, Häuten und Wolle. Eingeführt werden eng¬ lische und französische Manufacturwaaren, etwas Eisen, weißer Hutzucker und Dielen. England betheiligt sich an diesem Handel mit ungefähr der Ein- und Ausfuhr. Von den Städten im Innern ist zunächst Marokko oder Maraksch zu nennen, die erste Residenz der Sultane. Es liegt auf einer weiten Hochebne zwischen dem Atlas und dem Flusse Tensift. 1052, vielleicht an der Stelle des alten Bonarum Hemcrum. gegründet, soll es im zwölften Jahrhundert an hunderttausend Häuser und mehr als eine halbe Million Einwohner gezählt haben. Jetzt liegen ganze Quartiere der Stadt in Ruinen, und die Zahl der Einwohner beträgt kaum mehr als 40,000. Die Stadt ist mit 30 Fuß hohen Mauern umgeben, welche zwei deutsche Meilen im Umfang haben und von Zahlreichen Thürmen flankirt sind. Die Moscheen, von denen die Dschama ElKolubijeh mit ihrem 220 Fuß hohen Thurme die größte ist, sind zum Theil sehr schön, aber meist ebenfalls halbe Ruinen. Der Palast des Sultans, eine Gruppe prächtiger Gebäude, welche von großen Gärten umgeben und mit einer Mauer von IV- Stunden Umfang eingefaßt sind, liegt außerhalb der Stadt. Letztere treibt noch immer nicht unbeträchtlichen Handel und hat große Gerbereien. Auch werden hier schöne Seidenstoffe gemacht. Feß oder Faß ist die größte Stadt des Sultanats und die zweite Residenz. Von Edris dem Zweiten 808 gegründet, galt es im Mittelalter für die größte und reichste Stadt der ganzen mohammedanischen Welt. Es zählte damals 90,000 Häuser und mehr als 700 Moscheen und war berühmt wegen seiner Prachtgebäude und seiner wissenschaftlichen Anstalten. Durch die Verlegung des Herrscher¬ sitzes von hier nach Maraksch um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts büßte es seinen Vorrang ein und infolge des allgemeinen Verbindens der mo¬ hammedanischen Civilisation ist es jetzt nur noch ein Schatten seiner einstigen Herrlichkeit. Indeß ist die Stadt noch immer bedeutend. In einer von hohen Bergen umschlossenen Thalebene, zwischen anmuthigen Vlumeu- und Gemüse¬ gärten, Orangen-, Palmen- und Granatenhainen gelegen, von dem Wad El Dschaher in eine Alt- und eine Neustadt getheilt, zählt sie noch über 60,000 Einwohner und gegen hundert Moscheen, von denen die des Sultan Edris welche die Marokkaner als unverletzliche Freistatt betrachten, die berühmteste 'se. Auch hat Feß noch 7 stark besuchte Gelehrtenschulen, die sich in der Welt des Islam nach denen von Kairo des größten Rufs erfreuen. Der alte Palast der Sultaue ist sehr ausgedehnt, aber verfallen. Sonst gleicht Feh mit seinen Khanem und Bazaren und seinen vielen Bädern den arabischen und ägyptischen Großstädten, und nur die große Menge von Wirthshäusern und Kaufläden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/521>, abgerufen am 02.10.2024.