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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Mich fragen: wie hast du sie erfüllt? Ich bin nicht, was die Menschen von
wir halten, mich drücken ihre Erwartungen. -- ... Aber, nur in der Welt wenig
ZU sein, ist schmerzhaft, außer ihr nicht. Ach das ist ein häßlicher Gegen¬
stand. Von etwas Anderm. -- Ich bin nun einmal so verliebt in den Ge¬
danken, ein Feld zu bauen, daß es wol wird geschehen müssen. Betrachte
wein Herz wie einen Kranken, diesen Wunsch wie eine kleine
Lüsternheit, die man, wenn sie unschädlich ist, immerhin gewähren kann.
(Werther!) -- Und im Ernst, wenn ich mein letztes Jahr überdenke, wenn ich
erwäge, wie ich so seltsam erbittert gewesen bin gegen mich und Alles, was
wich umgab, so glaube ich fast, daß ich wirklich krank bin. Dich zum Bei¬
spiel, wie konnte ich dich, oft in demselben Augenblick, so innig lieben und
doch so empfindlich beleidigen? O verzeih mir! ich habe es mit mir selbst
"icht besser gemacht." . . . "Ich glaube, daß mich diese körperliche Beschäftigung
Wieder ganz herstellen wird. Denn zuletzt möchte alles Empfinden nur vom
Körper herrühren, und selbst die Tugend durch nichts anderes froh machen,
als blos durch eine noch unerklärte Beförderung der Gesundheit. -- Wie, was
War das? So Hütte ich nicht krank sein müssen, oder --? Wie du willst, nur
lune Untersuchung! In der Bibel steht: arbeite, so wird es dir wohl gehen;
ich bilde mir ein. es sei wahr, und will es auf diese Gefahr hin wagen."

Nun folgen die Geldangelegenheiten. Er hat bereits einige landwirth-
^chaftliche Handbücher gelesen, und am Thuner See ein Landgut besehen, das
^)>n gefällt. "Die Güter sind jetzt im Durchschnitt alle im Preise ein wenig gesunken,
weil mancher, seiner politischen Meinungen wegen, entweder verdrängt wird
oder freiwillig weicht. Ich selbst aber, der ich gar keine politische
Meinung habe, brauche nichts zu fürchten und zu fliehen." -- Aber schon
e"im Monat darauf hat er sich anders besonnen; er schreibt von Thun.
Febr. 1802: "Wundere dich nicht, diesmal ist das Schicksal wankelmüthig,
Mehl ich. Es hatte allen Anschein, daß die Schweiz französisch werden wird,
W'd mich ekelt vor dem bloßen Gedanken . . . Jetzt also ist es höchst gewagt,
anzukaufen . . . Ich gebe indessen den Plan nicht auf und werde das
"achste Jahr in der Schweiz bleiben." -- "Ich bin jetzt bei weitem heiterer
^Wd kann wie ein Dritter über mich urtheilen." -- Hier sind zuerst Andeu¬
tungen über eine andere Art. sein Brod zu verdienen; offenbar die Poesie,
"ber van diesem, was uns am meisten interessiren würde, ist kein Wort ge-
^ge. Se,hr ausführlich in der Darstellung seiner philosophischen Gedanken, ist
^' seltsam still über seine poetischen Träume. Die Schwächen seiner Poesie
Erstehen wir aus seinen Briefen vollkommen; aber das Große derselben: --
hat er die Penthesilea, den Guiscard, den Kohlhaas gelebt? Es zeigt sich
keine Spur.

Anfang April 1802 zog er auf eine Aarinscl bei Thun; ein Fischeriuädchen


Mich fragen: wie hast du sie erfüllt? Ich bin nicht, was die Menschen von
wir halten, mich drücken ihre Erwartungen. — ... Aber, nur in der Welt wenig
ZU sein, ist schmerzhaft, außer ihr nicht. Ach das ist ein häßlicher Gegen¬
stand. Von etwas Anderm. — Ich bin nun einmal so verliebt in den Ge¬
danken, ein Feld zu bauen, daß es wol wird geschehen müssen. Betrachte
wein Herz wie einen Kranken, diesen Wunsch wie eine kleine
Lüsternheit, die man, wenn sie unschädlich ist, immerhin gewähren kann.
(Werther!) — Und im Ernst, wenn ich mein letztes Jahr überdenke, wenn ich
erwäge, wie ich so seltsam erbittert gewesen bin gegen mich und Alles, was
wich umgab, so glaube ich fast, daß ich wirklich krank bin. Dich zum Bei¬
spiel, wie konnte ich dich, oft in demselben Augenblick, so innig lieben und
doch so empfindlich beleidigen? O verzeih mir! ich habe es mit mir selbst
«icht besser gemacht." . . . „Ich glaube, daß mich diese körperliche Beschäftigung
Wieder ganz herstellen wird. Denn zuletzt möchte alles Empfinden nur vom
Körper herrühren, und selbst die Tugend durch nichts anderes froh machen,
als blos durch eine noch unerklärte Beförderung der Gesundheit. — Wie, was
War das? So Hütte ich nicht krank sein müssen, oder —? Wie du willst, nur
lune Untersuchung! In der Bibel steht: arbeite, so wird es dir wohl gehen;
ich bilde mir ein. es sei wahr, und will es auf diese Gefahr hin wagen."

Nun folgen die Geldangelegenheiten. Er hat bereits einige landwirth-
^chaftliche Handbücher gelesen, und am Thuner See ein Landgut besehen, das
^)>n gefällt. „Die Güter sind jetzt im Durchschnitt alle im Preise ein wenig gesunken,
weil mancher, seiner politischen Meinungen wegen, entweder verdrängt wird
oder freiwillig weicht. Ich selbst aber, der ich gar keine politische
Meinung habe, brauche nichts zu fürchten und zu fliehen." — Aber schon
e»im Monat darauf hat er sich anders besonnen; er schreibt von Thun.
Febr. 1802: „Wundere dich nicht, diesmal ist das Schicksal wankelmüthig,
Mehl ich. Es hatte allen Anschein, daß die Schweiz französisch werden wird,
W'd mich ekelt vor dem bloßen Gedanken . . . Jetzt also ist es höchst gewagt,
anzukaufen . . . Ich gebe indessen den Plan nicht auf und werde das
"achste Jahr in der Schweiz bleiben." — „Ich bin jetzt bei weitem heiterer
^Wd kann wie ein Dritter über mich urtheilen." — Hier sind zuerst Andeu¬
tungen über eine andere Art. sein Brod zu verdienen; offenbar die Poesie,
"ber van diesem, was uns am meisten interessiren würde, ist kein Wort ge-
^ge. Se,hr ausführlich in der Darstellung seiner philosophischen Gedanken, ist
^' seltsam still über seine poetischen Träume. Die Schwächen seiner Poesie
Erstehen wir aus seinen Briefen vollkommen; aber das Große derselben: —
hat er die Penthesilea, den Guiscard, den Kohlhaas gelebt? Es zeigt sich
keine Spur.

Anfang April 1802 zog er auf eine Aarinscl bei Thun; ein Fischeriuädchen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/499>, abgerufen am 26.06.2024.