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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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einer im Norden der Stadt Schutz gegen alle Winde bieten, und daß der
Name Ceuta wie Sseuta ausgesprochen wird.

Tetuan, 12 Lieues von Ceuta. ist eine Stadt von 15 bis 16,000 Ein¬
wohnern, die im Innern sehr winkelig und düster, aber im Vergleich mit an¬
dern Orten des Landes, selbst mit Tanger, gewerbreich und lebhaft ist. Früher rcsi-
dirtcn die europäischen Consuln hier, da der Aufenthalt in Tetuan angenehmer und
gesünder ist. Die Negierung hat sie jedoch nach Tanger versetzt, um die Eifer¬
sucht der fanatischen Tetuaner zufrieden zu stellen, welche nur mit Aerger den
europäischen Luxus in ihrer Mitte sahen und es nicht zu ertragen vermochten.
Christen an sich vorüberschreiten zu sehen, ohne sie anspeien oder ihnen den
tiefverachteten Hut vom Kopfe schlagen zu dürfen. Man zählt in Tetuan
gegen dreißig Moscheen, in denen eine große Menge von Talcbs, Fakirs und
Santons (für heilig gehaltene Derwische) den Gottesdienst verrichten. Die
Umgegend ist sehr fruchtbar und zugleich sehr anmuthig. Sie erinnert in
Manchen Zügen an die von Granada und Valencia. Man sieht Wälder von
Orangenbäumen, deren Früchte von vorzüglicher Art sind, weshalb eine große
Menge derselben nach Malaga und Gibraltar und von dort nach den fran¬
zösischen und italienischen Häfen ausgeführt wird. Der Sultan besitzt hier
ein schönes Landhaus mit einem ausgedehnten Garten, in einer Gegend
vor der Stadt, welche mit Villen im maurischen Geschmack besäet ist.
Tetuan ist in alterthümlicher Weise befestigt. Um die Stadt läuft eine
Ringmauer von 15 Fuß Dicke, auf der sich Zinnen und viereckige Streit¬
thürme erheben, die jedoch keine Graben hat. Der höchste und stärkste dieser
Thürme, der im Norden steht, bildet eine Art Fort, welches mit fünf schweren
Geschützen armirt ist. Von der Landseite her erhebt sich die Stadt am Ende
der Fläche auf einem nach zwei Seiten hin abschüssigen Hügel. Sie wird
beherrscht und vertheidigt durch eine isolirte Kasbab (Citadelle) im Nordwesten,
die ii Geschütze trägt und einen ziemlich langen Widerstand leisten würde.
Der Hafen Tetuans wird durch die Mündung des Martii gebildet und liegt
Zwei Lieues von der Stadt, von der ihn eine sandige und unbebaute Strecke
Landes trennt. Die Einfahrt in den Fluß vertheidigt ein gewaltiger vierecki¬
ger Thurm, welcher oben eine Batterie schweren Kalibers trägt. Dieser Thurm
bat kein Thor, sondern erst in der Höhe von acht Fuß eine kleine Pforte, zu
welcher man auf einer Leiter gelangt. Am Fuß des Thurmes steht das Zoll¬
haus. Früher konnten Fahrzeuge von 5 bis 600 Tonnen und Korvetten von
^ Kanonen bis in die Nähe von Tetuan hinauffahren. Jetzt ist die Mün¬
dung des Martii nur für Schiffe von 200 Tonnen fahrbar; denn ein Fahr¬
zeug, das 7 bis 8 Fuß Wasser braucht, findet keine hinlängliche Tiefe mehr.
Einige Dampfbagger würden indeß hinreichen, den Fluß wieder schiffbar zu
wachen. Die Mauren aber denken nicht daran, ja sie sehen die Versandung


einer im Norden der Stadt Schutz gegen alle Winde bieten, und daß der
Name Ceuta wie Sseuta ausgesprochen wird.

Tetuan, 12 Lieues von Ceuta. ist eine Stadt von 15 bis 16,000 Ein¬
wohnern, die im Innern sehr winkelig und düster, aber im Vergleich mit an¬
dern Orten des Landes, selbst mit Tanger, gewerbreich und lebhaft ist. Früher rcsi-
dirtcn die europäischen Consuln hier, da der Aufenthalt in Tetuan angenehmer und
gesünder ist. Die Negierung hat sie jedoch nach Tanger versetzt, um die Eifer¬
sucht der fanatischen Tetuaner zufrieden zu stellen, welche nur mit Aerger den
europäischen Luxus in ihrer Mitte sahen und es nicht zu ertragen vermochten.
Christen an sich vorüberschreiten zu sehen, ohne sie anspeien oder ihnen den
tiefverachteten Hut vom Kopfe schlagen zu dürfen. Man zählt in Tetuan
gegen dreißig Moscheen, in denen eine große Menge von Talcbs, Fakirs und
Santons (für heilig gehaltene Derwische) den Gottesdienst verrichten. Die
Umgegend ist sehr fruchtbar und zugleich sehr anmuthig. Sie erinnert in
Manchen Zügen an die von Granada und Valencia. Man sieht Wälder von
Orangenbäumen, deren Früchte von vorzüglicher Art sind, weshalb eine große
Menge derselben nach Malaga und Gibraltar und von dort nach den fran¬
zösischen und italienischen Häfen ausgeführt wird. Der Sultan besitzt hier
ein schönes Landhaus mit einem ausgedehnten Garten, in einer Gegend
vor der Stadt, welche mit Villen im maurischen Geschmack besäet ist.
Tetuan ist in alterthümlicher Weise befestigt. Um die Stadt läuft eine
Ringmauer von 15 Fuß Dicke, auf der sich Zinnen und viereckige Streit¬
thürme erheben, die jedoch keine Graben hat. Der höchste und stärkste dieser
Thürme, der im Norden steht, bildet eine Art Fort, welches mit fünf schweren
Geschützen armirt ist. Von der Landseite her erhebt sich die Stadt am Ende
der Fläche auf einem nach zwei Seiten hin abschüssigen Hügel. Sie wird
beherrscht und vertheidigt durch eine isolirte Kasbab (Citadelle) im Nordwesten,
die ii Geschütze trägt und einen ziemlich langen Widerstand leisten würde.
Der Hafen Tetuans wird durch die Mündung des Martii gebildet und liegt
Zwei Lieues von der Stadt, von der ihn eine sandige und unbebaute Strecke
Landes trennt. Die Einfahrt in den Fluß vertheidigt ein gewaltiger vierecki¬
ger Thurm, welcher oben eine Batterie schweren Kalibers trägt. Dieser Thurm
bat kein Thor, sondern erst in der Höhe von acht Fuß eine kleine Pforte, zu
welcher man auf einer Leiter gelangt. Am Fuß des Thurmes steht das Zoll¬
haus. Früher konnten Fahrzeuge von 5 bis 600 Tonnen und Korvetten von
^ Kanonen bis in die Nähe von Tetuan hinauffahren. Jetzt ist die Mün¬
dung des Martii nur für Schiffe von 200 Tonnen fahrbar; denn ein Fahr¬
zeug, das 7 bis 8 Fuß Wasser braucht, findet keine hinlängliche Tiefe mehr.
Einige Dampfbagger würden indeß hinreichen, den Fluß wieder schiffbar zu
wachen. Die Mauren aber denken nicht daran, ja sie sehen die Versandung


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[0475] einer im Norden der Stadt Schutz gegen alle Winde bieten, und daß der Name Ceuta wie Sseuta ausgesprochen wird. Tetuan, 12 Lieues von Ceuta. ist eine Stadt von 15 bis 16,000 Ein¬ wohnern, die im Innern sehr winkelig und düster, aber im Vergleich mit an¬ dern Orten des Landes, selbst mit Tanger, gewerbreich und lebhaft ist. Früher rcsi- dirtcn die europäischen Consuln hier, da der Aufenthalt in Tetuan angenehmer und gesünder ist. Die Negierung hat sie jedoch nach Tanger versetzt, um die Eifer¬ sucht der fanatischen Tetuaner zufrieden zu stellen, welche nur mit Aerger den europäischen Luxus in ihrer Mitte sahen und es nicht zu ertragen vermochten. Christen an sich vorüberschreiten zu sehen, ohne sie anspeien oder ihnen den tiefverachteten Hut vom Kopfe schlagen zu dürfen. Man zählt in Tetuan gegen dreißig Moscheen, in denen eine große Menge von Talcbs, Fakirs und Santons (für heilig gehaltene Derwische) den Gottesdienst verrichten. Die Umgegend ist sehr fruchtbar und zugleich sehr anmuthig. Sie erinnert in Manchen Zügen an die von Granada und Valencia. Man sieht Wälder von Orangenbäumen, deren Früchte von vorzüglicher Art sind, weshalb eine große Menge derselben nach Malaga und Gibraltar und von dort nach den fran¬ zösischen und italienischen Häfen ausgeführt wird. Der Sultan besitzt hier ein schönes Landhaus mit einem ausgedehnten Garten, in einer Gegend vor der Stadt, welche mit Villen im maurischen Geschmack besäet ist. Tetuan ist in alterthümlicher Weise befestigt. Um die Stadt läuft eine Ringmauer von 15 Fuß Dicke, auf der sich Zinnen und viereckige Streit¬ thürme erheben, die jedoch keine Graben hat. Der höchste und stärkste dieser Thürme, der im Norden steht, bildet eine Art Fort, welches mit fünf schweren Geschützen armirt ist. Von der Landseite her erhebt sich die Stadt am Ende der Fläche auf einem nach zwei Seiten hin abschüssigen Hügel. Sie wird beherrscht und vertheidigt durch eine isolirte Kasbab (Citadelle) im Nordwesten, die ii Geschütze trägt und einen ziemlich langen Widerstand leisten würde. Der Hafen Tetuans wird durch die Mündung des Martii gebildet und liegt Zwei Lieues von der Stadt, von der ihn eine sandige und unbebaute Strecke Landes trennt. Die Einfahrt in den Fluß vertheidigt ein gewaltiger vierecki¬ ger Thurm, welcher oben eine Batterie schweren Kalibers trägt. Dieser Thurm bat kein Thor, sondern erst in der Höhe von acht Fuß eine kleine Pforte, zu welcher man auf einer Leiter gelangt. Am Fuß des Thurmes steht das Zoll¬ haus. Früher konnten Fahrzeuge von 5 bis 600 Tonnen und Korvetten von ^ Kanonen bis in die Nähe von Tetuan hinauffahren. Jetzt ist die Mün¬ dung des Martii nur für Schiffe von 200 Tonnen fahrbar; denn ein Fahr¬ zeug, das 7 bis 8 Fuß Wasser braucht, findet keine hinlängliche Tiefe mehr. Einige Dampfbagger würden indeß hinreichen, den Fluß wieder schiffbar zu wachen. Die Mauren aber denken nicht daran, ja sie sehen die Versandung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/475>, abgerufen am 26.06.2024.