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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Zügel, das Gewehr mit der rechten Hand an den Backen haltend, auf halbe
Schußweite heran, feuert, ohne den Zügel loszulassen, mit einem Fingerdruck
der linken Hand, bringt sofort sein Pferd zum Stehen, lenkt um und galop-
pirt zurück, um von Neuem zu laden. In diesem Augenblick jagt eine zweite
Reihe heran, dann eine dritte, um dieselben Bewegungen auszuführen, bis
die erste wieder erscheint. Und so geht es fort. Nie greifen sie recht gründ¬
lich an, es wäre denn, daß der Feind den Rücken kehrte. Diese arabische
oder maurische Reiterei sieht allerdings sehr furchtbar aus. man muß sich aber
durch den Anschein nicht verblüffen lassen. Sie richtet durchaus nichts aus
gegen ein im Viereck aufgestelltes Fußvolk, das ihr die Bayonnette entgegen¬
streckt, sich in der Ebne wie ein Mann bewegt, im Gehen ladet. Halt macht,
um zu schießen, und so den Feind, der nur mit der Flinte umzugehen weiß
und dem es auf eine Salve vier wiedergibt, in Kurzem in die Flucht jage"
muß. Aber sie vermag auch einem geregelten Kavallerieangriff nur in Seite-
"en Fällen lange Widerstand zu leisten trotz ihrer wilden Tapferkeit und ihrer
außerordentlichen Geschicklichkeit in der Führung des Pferdes. Für den Rei¬
ter ist unter allen Umständen der Säbel die Hauptwaffe, bei den Marokkanern
aber verläßt sich derselbe fast nur auf seine Flinte, und so geschah es, daß
die französischen Chasseurs, die mit dem Säbel in der Faust gegen sie an¬
stürmten, sie in der Regel schon mit der ersten Charge in Verwirrung brach'
ten. Unerschrocken im Gewehrfeuer, scheuen sich diese Nachkommen der alten
Numidier, ganz so wie ihre Vorväter, vor dem Kampfe von Mann gegen Man",
und so sind sie verloren, wenn man sie mit den Handwaffen entschlossen "ut
kräftig angreift. So nur erklärt sichs, daß am Jsly 8500 Mann französisches
Fußvolk und 1 800 Reiter mit 16 Geschützen ein marokkanisches Heer von fast
40,000 Mann schlagen konnten, und zwar so, daß die Wegnahme des Lagers
mit seinen Zelten und seinem Gepäck, das Empfindlichste und zugleich Schmach'
vollste nach marokkanischen Begriffen, die unmittelbare Folge war.

Wir geben nun eine Beschreibung der Seestädte, Küsten und Häfen
rokkos, wobei wir die spanischen Presidios als in d. Bl. bereits ausführlich
geschildert (Ur. 41 d. Jahrg.) nur kurz erwähnen. Von dem Kap Milonöa.
der Grenze Algeriens, an hat Marokko bis zum Kap Agulun in der Land¬
schaft Sus El Aksa, die im Süden an die große Wüste stößt, etwas mehr als
300 Lieues Küsten, von denen etwa hundert auf das Mittelmeer und die
Straße von Gibraltar und noch einmal soviel auf das Atlantische kommen-
Mit Ausnahme von Tetuan und Tanger gehören alle Seeplätze aus der erster"
Strecke den Spaniern, nämlich Melitta und die Zaphar-Inseln in der Mün¬
dung des Maluwijeh, Alhuccmas, Velez de la Gomera und Ceuta. Ueber
letzteres ist unsrer frühern Mittheilung nachzutragen, daß seine Befestigungen
sehr stark und sehr gut armirt sind, daß zwei Häfen, einer im Süden und


Zügel, das Gewehr mit der rechten Hand an den Backen haltend, auf halbe
Schußweite heran, feuert, ohne den Zügel loszulassen, mit einem Fingerdruck
der linken Hand, bringt sofort sein Pferd zum Stehen, lenkt um und galop-
pirt zurück, um von Neuem zu laden. In diesem Augenblick jagt eine zweite
Reihe heran, dann eine dritte, um dieselben Bewegungen auszuführen, bis
die erste wieder erscheint. Und so geht es fort. Nie greifen sie recht gründ¬
lich an, es wäre denn, daß der Feind den Rücken kehrte. Diese arabische
oder maurische Reiterei sieht allerdings sehr furchtbar aus. man muß sich aber
durch den Anschein nicht verblüffen lassen. Sie richtet durchaus nichts aus
gegen ein im Viereck aufgestelltes Fußvolk, das ihr die Bayonnette entgegen¬
streckt, sich in der Ebne wie ein Mann bewegt, im Gehen ladet. Halt macht,
um zu schießen, und so den Feind, der nur mit der Flinte umzugehen weiß
und dem es auf eine Salve vier wiedergibt, in Kurzem in die Flucht jage"
muß. Aber sie vermag auch einem geregelten Kavallerieangriff nur in Seite-
»en Fällen lange Widerstand zu leisten trotz ihrer wilden Tapferkeit und ihrer
außerordentlichen Geschicklichkeit in der Führung des Pferdes. Für den Rei¬
ter ist unter allen Umständen der Säbel die Hauptwaffe, bei den Marokkanern
aber verläßt sich derselbe fast nur auf seine Flinte, und so geschah es, daß
die französischen Chasseurs, die mit dem Säbel in der Faust gegen sie an¬
stürmten, sie in der Regel schon mit der ersten Charge in Verwirrung brach'
ten. Unerschrocken im Gewehrfeuer, scheuen sich diese Nachkommen der alten
Numidier, ganz so wie ihre Vorväter, vor dem Kampfe von Mann gegen Man",
und so sind sie verloren, wenn man sie mit den Handwaffen entschlossen »ut
kräftig angreift. So nur erklärt sichs, daß am Jsly 8500 Mann französisches
Fußvolk und 1 800 Reiter mit 16 Geschützen ein marokkanisches Heer von fast
40,000 Mann schlagen konnten, und zwar so, daß die Wegnahme des Lagers
mit seinen Zelten und seinem Gepäck, das Empfindlichste und zugleich Schmach'
vollste nach marokkanischen Begriffen, die unmittelbare Folge war.

Wir geben nun eine Beschreibung der Seestädte, Küsten und Häfen
rokkos, wobei wir die spanischen Presidios als in d. Bl. bereits ausführlich
geschildert (Ur. 41 d. Jahrg.) nur kurz erwähnen. Von dem Kap Milonöa.
der Grenze Algeriens, an hat Marokko bis zum Kap Agulun in der Land¬
schaft Sus El Aksa, die im Süden an die große Wüste stößt, etwas mehr als
300 Lieues Küsten, von denen etwa hundert auf das Mittelmeer und die
Straße von Gibraltar und noch einmal soviel auf das Atlantische kommen-
Mit Ausnahme von Tetuan und Tanger gehören alle Seeplätze aus der erster"
Strecke den Spaniern, nämlich Melitta und die Zaphar-Inseln in der Mün¬
dung des Maluwijeh, Alhuccmas, Velez de la Gomera und Ceuta. Ueber
letzteres ist unsrer frühern Mittheilung nachzutragen, daß seine Befestigungen
sehr stark und sehr gut armirt sind, daß zwei Häfen, einer im Süden und


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[0474] Zügel, das Gewehr mit der rechten Hand an den Backen haltend, auf halbe Schußweite heran, feuert, ohne den Zügel loszulassen, mit einem Fingerdruck der linken Hand, bringt sofort sein Pferd zum Stehen, lenkt um und galop- pirt zurück, um von Neuem zu laden. In diesem Augenblick jagt eine zweite Reihe heran, dann eine dritte, um dieselben Bewegungen auszuführen, bis die erste wieder erscheint. Und so geht es fort. Nie greifen sie recht gründ¬ lich an, es wäre denn, daß der Feind den Rücken kehrte. Diese arabische oder maurische Reiterei sieht allerdings sehr furchtbar aus. man muß sich aber durch den Anschein nicht verblüffen lassen. Sie richtet durchaus nichts aus gegen ein im Viereck aufgestelltes Fußvolk, das ihr die Bayonnette entgegen¬ streckt, sich in der Ebne wie ein Mann bewegt, im Gehen ladet. Halt macht, um zu schießen, und so den Feind, der nur mit der Flinte umzugehen weiß und dem es auf eine Salve vier wiedergibt, in Kurzem in die Flucht jage" muß. Aber sie vermag auch einem geregelten Kavallerieangriff nur in Seite- »en Fällen lange Widerstand zu leisten trotz ihrer wilden Tapferkeit und ihrer außerordentlichen Geschicklichkeit in der Führung des Pferdes. Für den Rei¬ ter ist unter allen Umständen der Säbel die Hauptwaffe, bei den Marokkanern aber verläßt sich derselbe fast nur auf seine Flinte, und so geschah es, daß die französischen Chasseurs, die mit dem Säbel in der Faust gegen sie an¬ stürmten, sie in der Regel schon mit der ersten Charge in Verwirrung brach' ten. Unerschrocken im Gewehrfeuer, scheuen sich diese Nachkommen der alten Numidier, ganz so wie ihre Vorväter, vor dem Kampfe von Mann gegen Man", und so sind sie verloren, wenn man sie mit den Handwaffen entschlossen »ut kräftig angreift. So nur erklärt sichs, daß am Jsly 8500 Mann französisches Fußvolk und 1 800 Reiter mit 16 Geschützen ein marokkanisches Heer von fast 40,000 Mann schlagen konnten, und zwar so, daß die Wegnahme des Lagers mit seinen Zelten und seinem Gepäck, das Empfindlichste und zugleich Schmach' vollste nach marokkanischen Begriffen, die unmittelbare Folge war. Wir geben nun eine Beschreibung der Seestädte, Küsten und Häfen rokkos, wobei wir die spanischen Presidios als in d. Bl. bereits ausführlich geschildert (Ur. 41 d. Jahrg.) nur kurz erwähnen. Von dem Kap Milonöa. der Grenze Algeriens, an hat Marokko bis zum Kap Agulun in der Land¬ schaft Sus El Aksa, die im Süden an die große Wüste stößt, etwas mehr als 300 Lieues Küsten, von denen etwa hundert auf das Mittelmeer und die Straße von Gibraltar und noch einmal soviel auf das Atlantische kommen- Mit Ausnahme von Tetuan und Tanger gehören alle Seeplätze aus der erster" Strecke den Spaniern, nämlich Melitta und die Zaphar-Inseln in der Mün¬ dung des Maluwijeh, Alhuccmas, Velez de la Gomera und Ceuta. Ueber letzteres ist unsrer frühern Mittheilung nachzutragen, daß seine Befestigungen sehr stark und sehr gut armirt sind, daß zwei Häfen, einer im Süden und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/474>, abgerufen am 26.06.2024.