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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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hat seit zwanzig Jahren einen nicht unerheblichen Aufschwung genommen,
und zwar betheiligen sich an ihm vorzüglich englische, genueser. marseiller und
amerikanische Häuser. Die Ausfuhr, welche 1832 nicht wehr als ungefähr
6000 Tonnen betrug, beläuft sich jetzt auf mindstcns 40.000 Tonnen und
besteht hauptsächlich in Wolle, Wachs und Gummi, wozu in Zeiten der
Theurung in Spanien und Südfrankreich noch Getreide kommt. Der Atlas
und die Gebirge des N>f haben prächtige Wälder. In den Ebnen hat die
unverständige Wirthschaft der heutigen Einwohner die Waldbäume meist aus¬
gerottet, und so bietet das Land hier nur in der Regenzeit -- vom October
bis zum März -- eine" lachenden Anblick, wogegen es in der trocknen Jahres¬
zeit wie abgesengt daliegt und selbst der fruchtbarste Boden sich in das ein¬
tönige Gelbgrau der Wüste kleidet.

Unter den Ausgaben stehen die für die Unterhaltung der Haustruppe"
des Sultans (Almagasen), welche is.ovo Mann stark sein sollen, obenan.
Der übrige Theil des Heeres, die Truppen der einzelnen Paschas, müssen von
den Städten unterhalten werden, in denen sie garnisoniren, oder bekommen
als Sold Landstücke zum Bedauem. Im allgemeinen wird der marokkanische
Soldat von seinen Anführern gut behandelt; er ist (und das gilt im Kriege
mit christlichen Mächten selbst von den Mauren) im Gefecht unerschrocken, ent¬
schlossen und voll guten Willens, auf dem Marsch ausdauernd und genügst"".
Er ist ein guter Schütze und ein vortrefflicher Reiter, was namentlich den
Schillak nachgerühmt wird. "Wenn eine Schlacht geliefert wird." sagt das
1844 erschienene Werk des Spaniers Serafian Calderon, "so bildet das Heer
einen Halbmond, die Neitergeschwader auf beiden Flügeln, das Fußvolk im
Centrum. Sobald das Zeichen zum Angriff gegeben ist. sagt der Soldat
dächtig einige Strophen des Koran her, dann stößt die ganze Masse das
Kriegsgeschrei "Allah! Allah!" aus. ein ungeheurer Lärm, und stürzt sich "'^
Ungestüm auf den Feind. Hält dieser den ersten Anfall aus und bringt er durch
unvermutete kräftige Bewegung die anstürmenden Massen in Unordnung, ^
fliehen sie und verstehen schlecht, sich wieder zu formiren; denn von militärisch"
Taktik haben sie nicht den geringsten Begriff. Dagegen sind sie von außer¬
ordentlicher Schlauheit, wo es auf Ueberfalle ankommt, und nicht weniger g/'
schickt sind sie, Hinterhalte zu entdecken und zu vermeiden."¬

Ausführlicher ist ein uns vorliegender französischer Bericht über die Kriegs
verfassung und KriegsführunH der Marokkaner im Jahre 1844; doch wird
demselben vorauszuschicken sein, daß in der letzten Zeit die regelmäßige Armee
des Sultans manche Verbesserung erfahren hat, indem sie von England in>t
guten Gewehren und, wie es scheint, auch mit Jnstructvren versehen worden
ist, und daß die Artillerie sich, wo sie Festungen zu vertheidigen hatte, nicht
so ungeschickt bewies, als man annahm. Nach jener Darstellung 'se d>e


hat seit zwanzig Jahren einen nicht unerheblichen Aufschwung genommen,
und zwar betheiligen sich an ihm vorzüglich englische, genueser. marseiller und
amerikanische Häuser. Die Ausfuhr, welche 1832 nicht wehr als ungefähr
6000 Tonnen betrug, beläuft sich jetzt auf mindstcns 40.000 Tonnen und
besteht hauptsächlich in Wolle, Wachs und Gummi, wozu in Zeiten der
Theurung in Spanien und Südfrankreich noch Getreide kommt. Der Atlas
und die Gebirge des N>f haben prächtige Wälder. In den Ebnen hat die
unverständige Wirthschaft der heutigen Einwohner die Waldbäume meist aus¬
gerottet, und so bietet das Land hier nur in der Regenzeit — vom October
bis zum März — eine» lachenden Anblick, wogegen es in der trocknen Jahres¬
zeit wie abgesengt daliegt und selbst der fruchtbarste Boden sich in das ein¬
tönige Gelbgrau der Wüste kleidet.

Unter den Ausgaben stehen die für die Unterhaltung der Haustruppe»
des Sultans (Almagasen), welche is.ovo Mann stark sein sollen, obenan.
Der übrige Theil des Heeres, die Truppen der einzelnen Paschas, müssen von
den Städten unterhalten werden, in denen sie garnisoniren, oder bekommen
als Sold Landstücke zum Bedauem. Im allgemeinen wird der marokkanische
Soldat von seinen Anführern gut behandelt; er ist (und das gilt im Kriege
mit christlichen Mächten selbst von den Mauren) im Gefecht unerschrocken, ent¬
schlossen und voll guten Willens, auf dem Marsch ausdauernd und genügst"».
Er ist ein guter Schütze und ein vortrefflicher Reiter, was namentlich den
Schillak nachgerühmt wird. „Wenn eine Schlacht geliefert wird." sagt das
1844 erschienene Werk des Spaniers Serafian Calderon, „so bildet das Heer
einen Halbmond, die Neitergeschwader auf beiden Flügeln, das Fußvolk im
Centrum. Sobald das Zeichen zum Angriff gegeben ist. sagt der Soldat
dächtig einige Strophen des Koran her, dann stößt die ganze Masse das
Kriegsgeschrei „Allah! Allah!" aus. ein ungeheurer Lärm, und stürzt sich "'^
Ungestüm auf den Feind. Hält dieser den ersten Anfall aus und bringt er durch
unvermutete kräftige Bewegung die anstürmenden Massen in Unordnung, ^
fliehen sie und verstehen schlecht, sich wieder zu formiren; denn von militärisch"
Taktik haben sie nicht den geringsten Begriff. Dagegen sind sie von außer¬
ordentlicher Schlauheit, wo es auf Ueberfalle ankommt, und nicht weniger g/'
schickt sind sie, Hinterhalte zu entdecken und zu vermeiden."¬

Ausführlicher ist ein uns vorliegender französischer Bericht über die Kriegs
verfassung und KriegsführunH der Marokkaner im Jahre 1844; doch wird
demselben vorauszuschicken sein, daß in der letzten Zeit die regelmäßige Armee
des Sultans manche Verbesserung erfahren hat, indem sie von England in>t
guten Gewehren und, wie es scheint, auch mit Jnstructvren versehen worden
ist, und daß die Artillerie sich, wo sie Festungen zu vertheidigen hatte, nicht
so ungeschickt bewies, als man annahm. Nach jener Darstellung 'se d>e


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/470>, abgerufen am 26.06.2024.